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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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https://doi.org/10.11588/diglit.2828#0366

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aber die sogenannte StandeSehre betrifst, so
sind wir der Meinung, Haß der Mann dem
Stande oder Amte, nichk abcr oas Amt dem
Manne Ehrc machcn müssc. ES gib, keinen
Stand, welcher nicht dcr öffentiichen Meinung
oerantwortlich ist und vor ihr Tribunal ge-
zogen werdeu kann. Auffallend Lder ist eS,
daß gerade derjenige Stand, dem man am mei-
sten Geduld, Mildc und Versöhniichkeit zutrauen
sollte, so äußcrst empsindlich und eifcrjnchtig
auf seine Ehre ist und zu feinem Schutze so
eiifertig den weltlichen Arm anrust, von dem
er doch in jedcr andcren Bezichung emancipirt
sein möchte. Der Synode Boxberg gereicht cs
zur Ehrc, daß sie jencn Antrag, der auch keine
emzige Untcrstntzung erhielt, zurückgewiesen hat.

WicSnuden, l t. äSct. Die „Miit. Ztg."
sagt: „Die denkwürdige Dcbatle uuserer Kam-
mer über dcn Verkaus deS Klosters Maricnsladt
ist umsonst gewesen. Nach dem '„Mainzcr
Abendblatt" und der „Rass. LandeSzeitung"
hal nnsere Landesregierung den Kauf des
Klostcrs genehmigt und schon sind zwei Or-
denspriester aus dem Orden vom hl. Gciste in
dasselbc eingezogen. Darüber allgemeincr Ju-
bel nnd Dank gcgen dic Regierung im Lager
der Clericalen und Spott und Hohn gegen die
Kammermajorität und deren Prästdenten Prinz
Nicolas."

Berlin, 12. Octbr. Rancke ist zur Aus-
arbeitung dcS oldenburgischcn ErbrechtSnach-
weises zugczogcn; gegcn den Angustenburger
hcrrscht in rcn hicsigcn osstciösen Kreisen wegen
dessen neucrlicher Haltung Mißstimmung.

Königsberzz, 10. Oct. Die gegcnwärtige
Woche ist die Woche dcr Preßproccsse; sast
jeder Tag ist mit mchrcren Audicnztcrminen
bcsetzt, und alle Korhphärn der Iibcralcn Prcsse
nnd Partci figuriren nach und nach auf der
Bauk dcr Angcklagten. Die „Hartung'sche
Zeitung ladet das Publikum ein, um sich einen
Bcgriss von unsere» Prcßzuftändcn zu machen,
sich zahlreich zu den öffentliche» Sitzungen cin-
zusinden. (Nürnb. C.)

Pvsen, 9. Oct. Dic allgcmeinstc Entrüstung,
uicht nur bei dcr deuljchen Bcvölkerung, sondern
auch bei allcn rcspcktadeln Polen hat der vor
acht Tagcn an dem Grundbesitzcr Reimann
verübte politische Mord hervorgerufen. Rei>
mann, in dcr RLHe von Pleschen wohnend,
stand in dem Verdacht, der Behördc einen sür
die Znsurgenten bestlmmten Waffentransporl
verrathen zu habcn, so daß derselbc confiscirt
wurde. Dem Vcrnchmen nach wuroe er dafür
schon vor ciniger Zeit mit dem Strange be-
droht. Der Manu achtcle jedoch nicht darauf
und fuhr vor acht Tagcn ganz allein zu dem
benachbarten Chaussecaufseher. AlS er spät
AbendS noch nicht zurückgekehrt war, stelltc die
Familie dcsselben Nachjuchungen an und fand
ihn in der NLHc des Hauses mit stark verletz-
tem Kopje an cinem Baunie aufgehängt. Daß
hier kein Raubmord vorlag, geht daraus her-
vor, daß die Leiche nicht bcraubt worden ift.
Reimann hinterläßt cine Wiltwe und ncu»
Kindcr.

Hauiburg, 12. October, Abends. Der
Großjürsl-Thronfolger von Rußland ist über

inAhrcr Abwcsenhcit dnrchgcführt. Angcklagtc:
So? jetzt gcht's crsl schön. Richter: Jst cs wahr
odcr nicht, oaß Sic dic Angcklagte bcschimpst und
gcschlagcn haden? Angcktagtc: Z biit, ich hob
jo im gonzen Ncuner-Haus tn dcr bratcn Goffcn

dic Krowotcn in Wicn cinnistcn, da hot inan jo
ka Aundschaft mchr. Richtcr: Aa, Sie müs-
scn fich abcr bcmnhcn, den Kundschaftcn dic
Waarc cbcn so billig zn gcben, abcr fich nicht dic
Concurrcnz auf cinr Ärt, wie Sie cs thun, vom
Halse zu schaffcn. Angcklagte: Z bitt Zhna,
a Wurzcn Areu nm zwei Krcuzcr? an Zellcr, an
Znamcr a no, um an oltcn Kreuzcr? a Ptutzcr-
birn um zwci Krcuzcr? an Pferscher um vier Aren-
zcr? was soll mcr n° wochcn? Richter: Zch habc
nicht dic Preife Zhrcr Waarcn zn bcurihcilen, dte
Bcmcrkung war blos cin woblmcinender Rath.
Hicr handclt sich's darum, habcn Sie dtc Bcrticck
gcschlagcn odcr nicht? Za odcr Ncin? Angc-
klagtc: Ru ja! ich hob's „a biffel abbirnl", wcil
mir dc Gall z'vicl g'slicgcn ist, wiri's g's-gn hod

Kiel hicr eingetroffeu und wird dem Vernehmen
nach morgcn Krüh übcr Hardurg nach Darm-
stadt abreiscn.

Wien, 9. Oct. Mit größter Bestimmtheit
kündigi man heute cin jchou am 11. Oct. zur
öff-ntlichcn Sudscription aufzulegcndeS ncucS
steucranleheu im Betrag von 30 Mill. Gulden
an. Bekanutlich hat von dem lctzten Silber-
anlehen von 90 Mill. bisher nur cin einzigcs
Drittel begebcn werden köunen; zur Untcr-
bringung der übrigen zwei Drittcl wurde ciu
Shndikal gebildet auS dem Conförtium, welcheS
jeneS erstc Drittel überuommen, und auS dem
Finanzministerlum beftehend. Nach der neuen
Combination nun wird von deu nicht unter-
gebrachtcn zwei Dritleln (60 Mill.) die Hälste
(30 Mill.) zurückgezogen, und wird für diese
30 Mill. ein Lteueranlchen ausgeschriebcu,
wovou das Consortillin 10 Mill. uud daS
Finanzministerium 20 Mill. übernimmt. Die
Ruckzahlung soll nach sünf Zahren beginnen.

^ (Allg. Ztg )

Wie», 12. Oct. Dem Vernehmen nach
föll Befehl zum giückmarjch der österreichischen
Truppen erthcilt sein. Die AuSschreibung dcr
Steueranleihc ist vertagt. Das Dementi in
Belreff der Ministcrkrisis beruht auf Privat-
anjchauungcn.

K r a n k c e i ch

Paris, 12. Oct. Der Kaiser »on Frank-
reich sendet einen Spccialtrain zur Abholung
der russischen Majestäten nach Darmstadt; BiS-
marck wird auf seiner Rückkehr hier cinigc Zeit
vcrweilcn.

Marseille, 12. Oct. Briese auS Kon-
stautiuopel vom 5. Octbr. zeigen an, daß der
„Caciifue" inii dem Prinzcn Murat und sciner
Familie an Bord den vorhergeheudeu Samstag
uach Smyrua, Jaffa und dcn hciligen Ortcu
abgcreist war. Einc gewaltsamc FiuanzkrijiS
ist in Könstantiuopel eingetretcn. Der gesetz-
liche Zinsfuß ift bis aus 14 gcsteigert, und
selbst um dieseu Prcis findet mau jchwierig
Gcld. — Dcr Sultan hat cinc» seincr Paläste
dcr Muttcr des VicekönigS vo» Egypten gc-
schenkt.

C n g l a « d

London, 10. Oct. Der Anwalt von Franz
Müller hat angczeigt, daß er am 24 October
völlig bereit steyen werde, seine Berthcidigung
vorznbringen; es ist daher anzunehmcn, daß
der Proceß mit der Eröffnung der Sitzung des
Central-Criminalhoses von jenem Tage ab sei-
nen Berlauf nehmen wird. Es heißt, Müller
wolle sich des gcsetzlichen VorrcchteS bedienen,
die Zusammensetznng einer gemischten Jury
von Engländern und AuSländern zu bean-
spruchen.

Z t a l i e n

Turin, 9. Oct. Gestern circulirten hicr
unheimliche Gerüchte über ein gegen die Person
deS Königs versuchtes Attentat. Cs scheint,
daß sich die Sachc aus einige Steinwürfe gegen
den Wagen Bictor Cmanuels beschräukte, der
von Mandria gegen 11 Uhr Morgens allein

gebn. Richter: Sie scheinen eine unverbesserliche
Frau zu sein. Angeklagte: Dös hot mei Monn
a gor oft g'sogt, hot ober am End do eing'segen,
daß i allaweil recht hob. Der Richter überzeugt
die „Husarn-Rosel" vom Gegentheile, indem er fie
schuldig spricht und zu drei Tagen mit Fasten ver-
schärftem Arrest verurtheilt. (N. F. Pr.)

Amerikanisches Heirathsgesuch im Lchalhahr.

Zn einem Bericht auS Californien über dortige
gesellschaftliche Verhältnisse spricht fich ein Lorre-
spondent des „Ausland" auch über die Stellung
des schönen Geschlechts in dem so oft verschrieenen
San Franzisko sehr günstig aus. Die Gewißheit,
fich vorthet.haft verheirathen zu können, gibt den
dortigen Mädchen ein gewchffes Selbstgefühl, wrlches
gerade ans die Männerwelt verführerisch wirkt.
Ganz anders ist dies in Newyork, wo freilich drr

nach Turin fuhr. Die Zeit, wann der Köuig
dies Lustschloß Morgens verläßt, um sich in
die Stadt zu begeben, ist stets gegen 10 Uhr,
uud so hatten sich zwei wahrscheinlich von den
Clericalen bezahlte Jndividuen in der Nähe
vou Veneria reale hinter ein Gebüsch versteckt
und bei Herannahen des Königs schwere Steine
gegen ihn geschleudert. die ihn aber nicht trafen.
AÜf den Ruf des Kutschers kamen mehrere
Personen hinzu, die aber die Miffethäter uicht
mehr ereilen konnten.

L p a » i e »

Madrid, 11. Octbr. Die Blätter sagen,
datz wenn der Finanzminister nicht die Credit-
Operationen unler den durch daS Votnm der
CorteS bezeichneten Bedingungen machen kann,
er die Deliberationen der ncuen Kammer ab-
warten wird.

A m e r i k a.

Dcr Pariser „Moniteur" bringt eiuen Brief
auS Neuyork. ES wird darin üder deu zweiten
Sicg Shcridan's berichtet. Gcueral Early hatte
in dem wlraßburgcr Thal eine anscheincnd un-
einnehmdarc Stellung eingenommen, doch war
eS Sheridau a,n 22. Sepl. gelungen, mit sei-
nem äußerstcn Flügel diejc Stellung zu um-
gehcn und dann mit zwei ArmcccorpS daS
scindliche Ccnirum zu durchbrechcn. Dcr Er-
folg war fö vollständig und die Vcrfolgnng der
Conföberirteu wurde von Shcridan fö cifrig
betrieden, daß wahrjcheinlich Staunton und
Lynchburg in dir Hände des NordenS sallen
werdcn. Lctzteres gilt allgcmcin al« einer der
Schlüsscl vo» Richmond. Die Armce Early's
soll sehr demoralisirt sein. Zn Washingtou
wolltc man wiffcn, daß sie bis auf ein Drittcl
ausgericbcn jci.

Aus außerordcntlichcm Wege gehen der „R.
Fr. Presse" wicder höchst wichtige Nachrichten
über deu siegrcichcn Fortgang der Kricgs-Opc-
ralionen dcr BundcSarmeen gegen Richmond
zu. Dtesetben kommcn auS New-Nork, 1. Oct.,
Abeuds, und lauten: Jn der unmittclbaren
Nähc von PeterSburg hat Grant den Eonfö-
derirten uutcr Beauregarb cine große Schlacht
gclicfcrt. Pctersburg bildet dic jüdliche Ver-
ihcidigungSlinie von Richmoud; Grant warf die
Cousödcrirleu aus allcu Punktcn nach eiuem
mördcrischcn und surchtbar harluäcktgcn Kampfe
zurück. Longftreet's Corps, in der NSHe der
Danville . Eiscnbahu aufgestellt, um diejc letzte
CommunicationS-Linie Lcc's offen zu halten,
wurde vvm General Warrcn augegriffcn u»d
lil die innerc VerthcidigungSltuie Petersburgs
geworse». Das zur sclbcn Zeit vom Geucral
Mcadc augegriffene Hill'fchc Corps, wclches
noch einige Meilen dcr Weldon-Eisenbahn, in
unmiltelbarer Skähe Pelersburgs, hielt, wuroe
i» dic Mauern PetersburgS, welcheS vom Ge-
neral Beaurcgard vcriheidigt wird, mit furcht-
barem Verlufte zurickgedrängt, »achdem alle
Positionen mil dem Bajonnet erstürmt wordcn.

Die beiderseitigen Verlustc stns groß. Ge-
neral Grant wird viellcicht nicht nöthig haben,
zum Angriff auf die in»ere VertheidigungSlinie

gegenwärtige Krieg in dcn Vereiniglrn Staaten
unter der Wännerwelt so stark aufgcränml hat,
daß dadurch vielc Tausende von Mädchen tn ibren
schönsten Hoffnungcn bctrogcn wurden. Für eine
Amertkanerin — so heißt ks in jenem Berichtc —
>st eieS um so empfindtichcr, lvcil fie in einem
Schaltjahrc, wie da« gegenwäriige, doppclte Ehance
znr B-rheirathnng zu habcn gtanbtc; einc älte
Sitte erlaubte ihncn nämlich, fich bem von ihr
erkorenen Manne in solchem Zahre gleichsam an-
zutragen. AiS Beispiel dasür wird sotgcnde köst-
liche Anzeige angcführt, weiche eine Hcirathslustigc
in Chtcago tn einc Zcitung inserirc» ließ: „DieS
ist cin Schaltjahr! Zch will nicht tängcr warten!
Da btn ich, rinundzwanzig Zahre att, gesund,
von angcnehmcm Aeußern, Mittekgröße, gut er-
jogen, vcrnnnftig, mit großen glänzcnden Augen,
langem, schwarzcm Haarc und vyll Geist und Gc-
müth. Zch bin geboren, cinen Mann glücklich zu
machen, und sehnr mtch nach clncm eigenen Hrrbe.
Will mich denn Riemand habcn?" Hoffentlich wird
dem bravcn Mädchcn schon gcholfen sein.
 
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