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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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D e u t s ch l a »r d.

Karlsruhe, 20. Octbr. Die Wahl der
Kreisschulräthe Hat, so weit bisher Stimmen
sich geltend machen konnten, entschiedenen An-
klang gefunden; es ift geschehen, waS unter
den obwaltenden Verhältnissen irgend möglich
war. Namentlich hat.die Regierung auch in
diesem Falle wieder jene durchaus leidenschafts-
lose Gerechtigkeitsliebe bckundet, durch welche sie
so glänzend gegen die Haltung der Curie in
diesem Principienkampfe absticht. Ohne allen
Zweifel stand es vollkommen in der Macht der
Regierung, protestantische Geistliche aus dem
activen Kirchendienst für diese Aemter zu ge-
winnen; man hätle damit, wenn man einen
politischen Hieb gegen die Curie führen wollte,
gar leicht den Abstand zeigen k.önnen, der zwsi
schen der Haltung der beidcn Kirchen zum
Staatsgesetz besteht. Lamey hat es vermieden,
und die ungeheure Masse der unparteiischen
Beurtheiler wird ihm auch dafür DaNk wissen.
Das Verhältniß hal sich seit drei Monaten in
Baden völlig umgekehrt: im Kirchenregimenl
herrscht die ungebändigte politische Leidenschaft-
lichkeit, im Staatsregiment jene leidenschaftslose
Ntilde, die man sonft als die erste Psticht der
Kirche anzusehen gewöhnt war. Auch die
strengste demokratische Partei (während sie
frellich in ihrcn materiellen Fordcrungen wei-
ter geht) läßt diesem Theile der Haltung der
badischen Rcgierung Gerechtigkeit wiederfahren.

(S. M.)

Aus Baden wird dem „Schw. M." ge-
schrieben: Eine der heilsamsten Cinrichtungen
für die wirthschaftlichen Jnteressen sind die
durch die neue Verwaltungsorganisation ange-
regten Kreisverbände. Augenblicklich wird diese
Einrichtung zwar noch nicht ins Leben treten;
die Kreisverbände sind der neuen Organisation
einstweilen nur als Rahmen eingefügt, und
dem spätern Bedürfniß ist ihre Vcrwirklichung
überlassen. Auch innerhalb der Kreisverbande
können noch einzelne für specieüe Zwecke be-
stimmte Bezirksverbände entstehen. Es wird sich
nun zeigen, ob unser Volk von diesen nicht
obligatorischen Einrichtungen Gebrauch machen
wird. Wir möchten es als Ehrensache bezcich«
nen, hier die patriotische Gesinnung zu bewäh-
ren, welche dje Negierung durch dieses Gesetz
dem Volke zutraute. Jch hoffe im Stande zu
sein, nächstens über ein nachahmungswürdiges
Beispiel aus einem gewiffen Bezirk berichten zu
können.

Coburg, 19. Oct. Dem Geh. Staatsrath
Franke ist das Gesuch um Verlängerung seines
Urlaubs genehmigt worden. Derselbe hat kürz-
lich ein Haus in Kiel gekauft und seine Fa-
milie von hier dahin nachkommen lassen. Der
Geh. Reg.-Rath Samwcr war einige Tage auf
Urlaub hier, wird aber in nächster Zeit nach
Kiel zurückkehren.

Leipzig, 18. Okt. Von fernercn größeren
Faüissements und Zahlungseinstellungen wird
berichtet: aus London: Edward Coombe, Agent
der Spanischcn Kreditgesellschaft Gilhon und
Comp. mit 200,000 Pfd. St. Passiva; H.
Ledgard, Manusakturwaarenhändler, mit 35,0lX)

vertraut, und ich bin von ber verfluchten Dorn-
hecke und — und — ben Stretchrn ganz gelähmt."

„So geht eS auch mir," sagte ich nicht weniger
trostlos und steckte mechanisch meine Hände in die
Taschen. „Jch hatte es mit einem Burschen zu thun,
stark und wüthend wie etn Stier. Wie ist's Dir
gegangen?"

„Krage mich lieber gar nicht," klagte Heinrich,
„ick bin halb todt."

Jm Sprechen kam meine reckte Hand mit dem
Pulverhorn in Brrührung, die linke war glück-
licher. Die stieß auf eine gewisse Lederflasche, die
ich auf allen Ausflügen mit mir sührte. Ich fand
fie zu meiner größten Kreude halb gefüllt. „Hier,
alter Knabe, nimm einen Schluck," sagte ich, fie
meinem Freunde hinreickend.

„Ah!" meinte er, nnd that einen langen Zug,
,daS gibt neueS Leben. WaS glaubst Du, wcnn
wir den Burschen nachsetzten?"

Jch war in einer zu rrgötzlichrn Unterhaltnng
mit ver Rumflasche begrissen, um sogleich antwor-
ten zu können, und als mich endlich meine treue
Gefährtin loSließ, verneinte ich jene Frage ent-
schieden. „WrlcheS ist der nächste Weg nach Hause?"

Pfd. St. Passiva; die Makler Brown, Buckley
und Comp. mit 160,0M Pfd. St. Passiva;
aus Wien: die Tuchhandlung von Moritz
Lichtenstcrn mit 400,000 fl.; auS Paris: die
Firmcn Leopold Werncr und Comp., sowie Les
Fils de Gioulhou jeune; ferner aus London:
Bcnedix und Comp., Speditionsgeschäft mit
25,000 Pfd. St. Passiva; aus Liverpool:
Louis Spcltz mit 320,000 Pfd. St. Passiva.

Aus Glogau vom 19. bringt die „Bresl.
Zcilung" folgenden weiteren Bericht:

Die unglückliche Pgnes Sander wurde am
Abend des 5. October nach 6 Uhr von einem
Fräulein D. besucht und verließ mit diesem
Mädchen ihr Zimmer, jedenfalls in der Absicht,
sogleich zurückzukehren, da es nach der Aussage
der Hausbewohner und glaubwürdiger Augen-
zeugen feststeht, daß Agnes Sander daö in
ihrem Zimmer befindliche Talglicht brennend
zurückgelassen und überhaupt das Haus in
einem Anzuge verlassetl hat, welchen kein
Madchen, wenn es sich namentlich in guten
pekuniärcn Verhältnissen befindet, wie es bei
Agnes Sander dcr Fall war, zu einem Besuch
benutzt haben würde. Es ist Thatsache, daß das
Mädchen in dem Anzuge, in welchem es daS
Waschschaff verlaffen, und welcher aus einer
alten Blouse, einer darüber angezogenen alten
Düffeljacke, alten Unterkleidern und aus sehr
mangelhafter, nur für das Haus bestimmter
Fußbekleidung bestanden, aus dem Hause ge-
treten ist: eigenthümlich nnd bis jetzt unauf-
geklärt ist der Umstand, daß der Schlüssel zu
ihrem Zimmer sich in der Tasche dcs sie über-
lebendcn Fräulein D. vorgesunden. Der Ruf
der Agnes Sander ist nach sorgsältig eingezo-
genen Erkundigungen ein solcher, daß wenn
auch ihr Umgang zum Thcil nicht für sie zeugen
dürfte, ihr doch nicht das Geringste nachgewie-
scn werden kann, was zu der Annahme berech-
tigt, daß sie in der Abficht, zwei unverheira-
thcte junge Lcute zu besuchen, das Haus ver-
lassen; sie hat nur eine Schneiderin besuchen
nnd sogleich zurückkehren wollen, sür welche
Annahme der Anzug und das zurückgelassene
brennende Talglicht zeugen; daß sich das MLd-
chcn aus eigenem Antriebe in die Wohnung des
Lieutenants Krause begeben, das ist vorläufig
sehr zu bezweifeln. — Der Bursche des Lieu-
tenanls Krause hatte den Auftrag, das Zimmer
bis um 4 Uhr warm zu machen, und hatte
derselbe zwischen 1 und 2 Uhr Nachmittags
unter Beihilfe der Frau des Hauswirths Feuer
gemacht, wozu Holz und Steinkohlen ange-
wendet wurden; die Klappe des Ofens soll
dcrselbe aber nicht (nach der Angabe des Haus-
besitzers' aber wohl, zwischen 5 und 6 Uhr
Nachmittags) gcschloffcn haben; es bleibt sich
abcr hier ganz gleich, welche Angabe richtig ist,
da sich nach so vielen Stunden keinc Kohlen-
dämpfe mehr entwickeln konnten, welche, da die
srüher im Zimmcr anwesenden Lieutenants
Krause und v. Richthofen (beide vom nieder-
schlesischen Pionnirbataillon Nro. 5) gesund
geblieben, dcn viel später eingetretenen Tod
dieses gesunden und kräftigen MädchenS her-
beizuführen im Stande gewesen wären. Jn der
amtlichen Kirchenliste las man: Agnes Sander,

„Der Kerl scheint Dir schlimm mitgespielt zu
haben? Nnn^olge mir." Wir traten den Hetmweg
an, sehr langsam natürlich, wie fich Ieder wohl
denken kann.

auf einige Schmerzensseufzrr, gewürzt mit einem
oder dem andern kernigen Fluch. (Forts. f.)

batte ein Grundbesitzer dcs Gouvernements Orel,
Herr N., der zeitweise in der Stadt Orel selbst
domiciliret, durch Vermittlung ber Ortspolizei eine

Im Polizeibureau sagtc man ihm, er werle nur
dann Bezahlung erhalten, wenn er 5000 Rubel
Silber der Administration übcrlasse. Herr N., ob-
gleich russischcr Grundbesitzer und an die Bestech-
lichkeit der russischen Behörden gewöhnt, schrak doch
vor dirsem großen Opfer zurück und weigerte sich
zu zahlrn. Man erklärte ihm, in diesem Falle
werde er gar nichtS erhalten. Herr N. schickte eine
telegraphische Drpesche an den Minister des Innern
in PeterSburg, der ebenfalls telegraphisch eine strenge
Untersuchung anordnete. Gin Freund des Poltzel-
directors aber hatte dtesem schon vorher, auch tele-

am Stick- und Schlagfluß, 18 Jahre 4 Monate;
das Gerücht, nach welchem die bei der Obduc-
tion auwesenden Militärärzte erklärt haben
sollen, daß der Tod des Mädchens durch Er-
stickung an Kohlendämpfen erfolgt sei, erscheint
sonach als ein Märchen, welches zwar am Tage
nach dem crsolglen Unglücke mit vielem Eifer
in der Stadt vcrbreilet wurde, jeooch nur wenig
Gläubige gefunden hat, da eS doch ganz uu-
wahrscheinlich ift, daß wenn gegen 2 Uhr
Nachmittags geheizt und zwijcheu 5 und 6 Uhr
Abends die Klappe geschloffen, Personen, welche
gegen 8 Uhr das Zimmer vetreten, nachdem die
Ofenklappe schon über 2 Stundcn gcschlossen
war, nichtS von Kohlendämpfen gemerkt haben
sollen. — Von dem Eintritte der beiden Mäd-
chen in das Haus bis zu der am frühen Mor-
gen erfolgten Ankunft der Aerzte fehlen alle
Thatsachen, doch hat nach 9 Uhr Abends der
ini zweilen Stocke wohnende Droschkenkutscher
ein Weinen gehört, welches mit einem leisen
Wimmern gegen 10 Uhr verstummt ist. Das
Gerücht, welches indessen nur als ein-solches
bezeichnet werden kann, will wissen, daß außer
den beiden Mädchen und den Lieutenants Krause
und v. Richthosen noch 2 bis 4 Personen in
der Wohnung gewesen sein sollen; eine strenge
Untersuchung wird dies mit Leichtigkeit fest-
stellen können, da dies bei der Belebtheit der
Preußischen Straße wohl bemerkt worden sein
dürfte. Daß gegen 2 Uhr Nachts aber in der
Wohnung des rc. Krause noch Leben gewesen
sein soll, das soll von gegenüber wohnenden
Leuten bemerkt worden sein. Früh um 4 Uhr
soll ein Arzt mit einem Gehilfen geholt und
bei den gemachten Wiederbelebungsversuchen
durch Ansetzung eines Lebensweckers dem Mäd-
chen ein Strom von Blut aus Mund und Nase
geströmt sein. Um 6 Uhr wurde der Hausbe-
sitzer in das Zimmer deS rc. Krause gerufen,
in welchem sich außer dem Fräulein D. und
den beideu Offizieren drei Aerzte und der Po-
lizei-Jnspector befanden. Agnes Sander lag
todt auf dem Bette, der obere Theil des Kör-
pcrs war schon erstarrt, während der untere
noch warm war; aus dem Munde des Mäd-
chens sickerte eine mit Blut unterlaufene Flüs-
sigkeit, welche auf dem Boden eine Pfütze ge-
bildet hatte, im Gesicht hatte daS Mädchen eine
Verletzung, deren Entstehung räthselhaft ist, da
sich der Hausbesitzer dieselbe nichl, wir behauptet
wurde, von dem Herausfallen aus dem Bette
erklärcn kann. Ein Aermel der Blouse war
abgerissen. Ueber die Obduction ist noch zu
berichten, daß die bei derselben anwesenden
Militärärzte die Verwandten deS unglücklichen
Mädchens mit großer Schonung und Rücksicht
behandelt haben. Zm Znleresse der öffentlichen
Meinung aber wäre es jedensalls gut gewcsen,
wenn der Garnisons-Auditeur Wunsch die Bitte
der Mutter, den könialichen Kreisphysicus zur
Obduction hinzuzuzieyen, eine Bitte, welcher
sich die Militärärzte übrigenS nicht widersetzt
haben sollen, berücksichtigt hätte. Das ist leider
nicht geschehen."

Harnburg, 17. Oct. Dem in Hamburg
zusammengetrelenen Comite, um den im Helgo-
lander Seegefecht gefallenen Oesterreichern cin

graphisch, einen Wink gegeben. Dieser hatte in aller
Eile an Herrn N. Zahtung geleistet unb konnte
bem Minister sofort telegraphisch bavön Kenntniß
gcben. An bem Abcnde oesselben Tages sitzt Herr
N. in seinem ^immer, als es klingelN Sein ein-

wa/ sie wollen. „Die 44,000 Rubel", ssst bie^Ant-
wort; Herr N. zeigte auf eine Kaffctte, in der der
Schlüffel stak. Einer der Maökirten versuchte zu
öffnen, es gelang ihm nichl, da das Schloß eine
künstliche Vorrichkung hatte. Der Mann beoeutcte
Herrn N., selbst zu össnen. Er schloß auf, das
Geld war da, aber auf den Banknoten lag ein
Revolver. N. ergreift die Waffe und schießt zwri
ber Räuber nieder, bie beiden anberen entfliehen.
Ohne einen Augenblick zu verlieren, eilte Herr N.
zur Polizei, nachdem er sein Eabinet verschloffen.
Der Polizeimeister ist ntcht zu Hause; er kehrte
mtt einem Lommiffär in seine Wohnung zurück,
vor dem Commissär und zwei anderen Zeugen
werden bie Getödteten demaskirt, man erkennt oen
Polizridirector und seinen Secretär. Diese uner-
hörte Geschichte, bezeugt ein Eorresponbent der
„Jnbependance", erzählen in St. PcterSburg sehr
glaubenswerthe Perso en.
 
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