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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

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Heft 1
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Pörzgen, Hermann: Northcliffes Propaganda-Schlacht
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0081

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Northcliff es Propaganda - Schlacht
Von
Hermann Pörzgen
Im Frühjahr 1918 übernahm Viscount Northcliffe auf Wunsch des Premier-
ministers die Leitung der „Propaganda in Feindesland“. Er war gerade aus
Amerika zurück, wo er den Ankauf von Nahrungsmitteln und Munition kontrolliert
hatte und eine Verstärkung der amerikanischen Hilfeleistung erreichen konnte.
Einen Sitz im Kabinett als Luftfahrtminister hatte er abgelehnt. Auf der Rück-
fahrt hatte man ihn zum Vorsitzenden im Hauptquartier der britischen Kriegs-
gesandtschaft für die Vereinigten Staaten ernannt, ein Amt, das er später auch
beibehielt.
Northcliffe war für Deutschland schon ein Begriff. „Lügenfeldzug, Greuel-
märchen, Hunnenhetze“ — das alles hing an diesem Namen. Vom Augenblick
seines Eintritts in den englischen Staatsdienst hörte die deutsche Presse nicht auf,
ihn heftig zu befehden. Man spürte, wo der Feind stand.
Northcliffe holte sich Mitarbeiter heran. Jeder einzelne von ihnen hatte sich
schon einen Namen gemacht. Eine Gruppe hervorragender Journalisten schloß sich
dem Propagandadepartement beratend an. Darunter befand sich Robert Donald,
der Herausgeber der „Daily Chronicle“ war, Sir Roderick Jones, Direktor des
Reutter-Büros, außerdem H. Wickham Steed von der „Times“, dazu viele besondere
Kenner der deutschen und österreichischen Materie. Das Komitee trat in „Crewe
House“ zusammen, dem Stadtwohnsitz des Marquis of Crewe, das dieser dem Staat
für Kriegszwecke zur Verfügung gestellt hatte. Von vornherein wurden zwei pro-
pagandistische Angriffspläne ins Auge gefaßt. Der eine richtete sich gegen Öster-
reich-Ungarn. Für diese Arbeit brachte H. Wickham-Steed eine außerordentlich
wertvolle Sachkenntnis mit. Als Verfasser des Werkes „Die habsburgische Mon-
archie“ und auf Grund der Erfahrungen, die er als Korrespondent der „Times“
in Wien und Berlin elf Jahre hindurch gesammelt hatte, besaß er überragenden
Einblick in die Probleme der Doppelmonarchie. Die wichtigsten Operationen aber
sollten sich gegen Deutschland richten. Für diesen Feldzug, der von vornherein
viel mehr Vorbereitungen zu erfordern schien, wurde im April 1918 H. G. Wells
an die Spitze der Propagandasektion berufen.
Mit unerhörter Gründlichkeit vertieften sich die Propagandisten zunächst ein-
mal in das Studium der deutschen Verhältnisse, um herauszufinden, auf welche
Seiten der deutschen Volksseele sich am leichtesten einwirken ließe. Dann legten
sie dem Komitee eine Denkschrift vor, die als völkerpsychologische Studie höchstes
Interesse verdient.
Die Denkschrift enthält eine ausführliche Schilderung dessen, was sich die Alli-
ierten im Interesse einer erfolgreichen Propaganda als Kriegsziele setzen sollten.
Denn „Propaganda muß als eine aktive Form der Politik in Übereinstimmung mit
festgelegten Kriegszielen der Alliierten stehn“. Die hier vorgeschlagene Politik
wurde von der Regierung als Grundlage für die Propagandatätigkeit gutgeheißen.
Vor allem der Gedanke des Völkerbundes, der bereits von verschiedenen Organi-
sationen verfochten wurde, ließ sich aufgreifen. Wells selbst half bei der Auf-
stellung eindrucksvoller Statuten einer „Gesellschaft für Völkerbund“. Außerdem
gründete man einen neuen Verein, der sich mit dem Studium der Völkerbunds-
probleme befaßte. Auf diese Bewegung sollte die Propaganda in Deutschland hin-

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