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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 14.1934

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Heft 10 - Bauern
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Grossmann, Rudolf: Südtiroler Bauern
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0708

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Südtiroler Bauern
Von
Rudolf Grossmann
Die Bauern in der ganzen Etschländer Gegend baden sehr gern, wenn
auch nicht zu Hause, sondern in den heilkräftigen Sprudeln, die
überall auf den Höhen entspringen, auf dem Brenner und oberhalb
Brixens und Klausens und besonders im PustertaL Sie sitzen stundenlang,
durch Kabinen getrennt, in Badewannen oder Fässern, wo ihnen das
Wasser bis zum Halse geht: die Frauen, damit sie fruchtbar werden und
bleiben, die Männer, um ihre Gicht und ihren Rheumatismus lozuwerden.
In Bad Altprags, hoch oben im Pustertal, schon ganz dicht vor den
Gipfeln der Dolomiten, ist eine Wiese, bedeckt mit zurückgelassenen
Krücken.
Der Doktor Kunz Erlacher aus Bruneck, dem die Bauern unter das
Messer gehen, erzählt gern die Unterhaltung von zweien, die beide, in
Kabinen nebeneinander, so daß sie sich nicht sehen können, bis zum Hals
in ihren Fässern stecken. Die Geschichte dauert ungefähr eine Stunde,
und es kommt nichts anderes darin vor, als daß die beiden Bauern sich
gegenseitig anrufen und fragen, wie sie heißen und woher sie sind.
Wer bischt denn du?
Ha?
Wer du bischt?
Ah so, wer i bin?
Dann wird langsam, langsam der Name und das Dorf des Nachbarn
herausgeholt und der Hof. Und dann fragt der andere.
Wer bischt denn du?
Ha?
Wer du bischt?
Ah so, wer i bin?
Alles fängt von vorne an unter Gepruste und Gestöhn, und zum
Schluß stellt sich heraus, daß beide alte Bekannte sind.
Es ist aber wahrhaftig schwieriger als anderswo festzustellen, wie
einer heißt, weil die Bauern fast immer drei verschiedene Hinternamen
haben, einmal nach ihrem Vater, dann nach dem Hof, wo sie wohnen,
und wenn die Frau den Hof eingebracht hat, dann heißen sie auch noch
nach dem Mädchennamen der Frau und nennen sich bald so, bald so.
Seßhaft sind die Südtiroler Bauern wie alle Bauern; die Familien haben
jahrhundertelang ein und denselben Hof. Aber sie zerfallen in zwei sehr
verschiedene Typen, und die einen sind die, welche auf der Schatten-
seite der Täler wohnen, auf kleinen Wiesen und Feldern, die mitten in
den Wäldern liegen, und die anderen, die auf der Sonnenseite ihre
Häuser haben; die einen sind dunkel, mit schon früh von tiefen Falten
zernagten Gesichtern, die anderen groß, kräftig, hell und schön. Bei den
Prozessionen in den größeren Orten, wo sie alle zusammen von den ver-
schiedenen Seiten der Berge heruntersteigen, kann man jedem ansehen,

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