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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 14.1934

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Heft 8/9 - Utopie U.A.M
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Benseler, Gustav Franz: Robinson
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0631

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Wenn das Auftreten der Robinsonaden mit den großen Entdeckungs-
und Eroberungsreisen anhebt, so könnte man sich vielleicht bemüßigt
fühlen, das Ende dieser Literaturgattung für den Zeitpunkt vorauszusagen,
da die Erdkarte keine weißen, unerforschten Gebiete mehr aufweist.
Aber dies wäre ein Trugschluß. Denn die Sehnsucht ist nicht an die
Kugelgrenzen unseres Erdballs gebunden. Und wenn alle Schiffahrts-
linien aller Meere erweisen werden, daß keine kleinste Insel mehr existiert,
die nicht ihren Seehafen und ihre Faktoreien hat, und wenn die Kolonial-
ämter eines Tages aussagen, daß in jedem noch so dichten Urwald ein
Platz für ein Gouvernementsgebäude ausgerodet ist und schmale und
breite Wege durch jedes Dschungel führen, so wird doch damit der Sehn-
sucht derer keine Schranke gesetzt sein, die an Fremde-Weh leiden. Und
die erträumte Insel wird in den Äther schweben und wiederum ein Zu-
fluchtsort sein für die Weltflucht. — „Der Himmel von heute ist die Erde
von morgen und der Himmel von morgen wird die Erde von übermorgen
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sein . . .
*
Aber durchaus nicht alle Robinsonaden sind solchergestalt vom Ideal
getragen. Vielmehr sind die weitaus überwiegende Mehrheit Schmöker
und Manufaktur. Der 1719 in London erschienene „Robinson Crusoe“
Daniel Defoes hatte eine unabsehbare Menge meist minderwertigster Nach-
ahmungen zur Folge. Joachim Campes „Robinson der Jüngere“ (1779/80)
erlebte 120 Auflagen in 25 Sprachen. Die beste deutsche Robinsonade
dürfte der erste Band der „Insel Felsenburg“ vom Stolberger „Hof-
balbier“ Johann Gottfried Schnabel sein. Drei folgende Bände sind
lediglich geschäftstüchtige, aber schwache Auswalzungen des ersten.
Durchaus aktuell-politisch ist der „Französische Robinson“ von 1708.
Sexuelle Motive sprechen die Hauptrolle im „Teutschen Robinson“ von
1722 und im „Schwedischen Robinson“ von 1724. Ein englisches Buch
behandelt in aller Breite Polygamie und andere Exzesse. Außerdem gibt
es einen „Nordischen Robinson“ (1741), einen „Dänischen“ (1750), einen
„Isländischen“ (1756), einen „Bremischen Avanturier“ (1751) und einen
„Dresdener Avanturier“ (1755). Und viele mehr. Die Titel der im neun-
zehnten Jahrhundert erschienenen Robinsonromane auch nur auszugs-
weise aufzuzählen mangelt der Raum.

Zu diesem Heft
Komm, schau in den Spiegel und schäm dich, wie schön
du bist. (Mittelalter, Mutter zur Tochter)
Die Flöte ist Mondschein für das Ohr. Jean Paul
Glück strengt genau so an, wie Unglück. Musil
Vor den Sternen besteht auf der Erde nichts Großes, in der
Brust nichts Kleines. Jean Paul

3*

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