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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI issue:
Heft 6/7 - Ferien und Reisen
DOI article:
Bercovici, Konrad: Die Weisheit der Ungelehrten
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0529

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Nerlinger


Die Weisheit der Ungelehrten
Von
Konrad Bercovici
Ins Deutsche übertragen von Anna Drawe
Die Weisheit ist in der modernen Welt durch die Bildung von ihrer
Stelle gerückt worden. Unsere Augen spiegeln die äußere Welt wider,
ohne daß sie einen Eindruck auf unserem Gemüt hinterläßt. Wir reden
viel von wissenschaftlichen Entdeckungen, aber wir haben wenig davon
zu unserem Nutzen angewendet. Der Tag ist nicht mehr fern, an dem
wir uns hinabbücken werden müssen, um die Weisheit des Volkes zu
suchen. An diesem Tag werden wir die Ungelehrten der Welt heraus-
suchen, deren Hirn noch nicht durch Buchgelehrsamkeit verschroben ist,
um uns selbst zu erneuern. Wir werden viel vergessen müssen, um zu
lernen. Und erst wenn wir diese Weisheit erlangt haben werden, können
wir begreifen, wie wir unsere Kenntnisse zu gebrauchen haben.
Die Weisheit steht den Kenntnissen nicht feindselig gegenüber. Aber
Kenntnisse, die ohne Weisheit gebraucht werden, sind so gefährlich wie
eine Armee, die von einem Kind befehligt wird. Ich bin für Buchgelehr-
samkeit, wenn sie eine Rekordleistung im Handeln erzielt. Leider hat sie
eher wie ein Opiat gewirkt.

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