Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 14.1934
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0447
DOI Heft:
Heft 5 - Kriminalistik
DOI Artikel:Thoma, Ludwig: Mädchenhandel
DOI Artikel:Verbrecher philosophieren
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0447
Jeanne Mammen
Verbrecher philosophieren
Nachstehende Stichproben aus der Geisteseinstellung der Außen-
seiter der menschlichen Gesellschaft sollen erweisen, daß der Verbrecher
durchaus nicht nur das aus Not handelnde bemitleidenswerte Geschöpf
ist, sondern daß hinter seinen Taten eine Weltanschauung steht, deren
leitender Gedanke Zerstörung heißt. Besonders interessieren dürften
die Auslassungen de Sades, den ein Biograph den „Bluthusten der
europäischen Kultur ‘ nennt. D. Red.
Wir fügen den anderen nichts zu, weil wir nicht wollen, daß uns etwas zu nahe
rücke. Aber wer stark genug ist, eine Vergeltung nicht befürchten zu müssen, wird
ruhig Böses tun, weil es keine heftigere Leidenschaft im Menschen gibt als die,
auszubeuten, zu unterjochen und zu vernichten.
*
Das Verbrechen ist ein Begriff, der dem ruhigen Bürger Schauer einflößt. Aber
es gibt eigentlich keine Handlung, die nicht schon an irgendeinem Orte zu irgend-
einer Zeit als Verbrechen gestempelt wurde, während man sie anderweitig hoch-
schätzte. Kann aber eine so verworrene Bezeichnung, die geographischen, histo-
rischen und sozialen Schwankungen unterliegt, von uns anerkannt werden? . . .
*
315
Verbrecher philosophieren
Nachstehende Stichproben aus der Geisteseinstellung der Außen-
seiter der menschlichen Gesellschaft sollen erweisen, daß der Verbrecher
durchaus nicht nur das aus Not handelnde bemitleidenswerte Geschöpf
ist, sondern daß hinter seinen Taten eine Weltanschauung steht, deren
leitender Gedanke Zerstörung heißt. Besonders interessieren dürften
die Auslassungen de Sades, den ein Biograph den „Bluthusten der
europäischen Kultur ‘ nennt. D. Red.
Wir fügen den anderen nichts zu, weil wir nicht wollen, daß uns etwas zu nahe
rücke. Aber wer stark genug ist, eine Vergeltung nicht befürchten zu müssen, wird
ruhig Böses tun, weil es keine heftigere Leidenschaft im Menschen gibt als die,
auszubeuten, zu unterjochen und zu vernichten.
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Das Verbrechen ist ein Begriff, der dem ruhigen Bürger Schauer einflößt. Aber
es gibt eigentlich keine Handlung, die nicht schon an irgendeinem Orte zu irgend-
einer Zeit als Verbrechen gestempelt wurde, während man sie anderweitig hoch-
schätzte. Kann aber eine so verworrene Bezeichnung, die geographischen, histo-
rischen und sozialen Schwankungen unterliegt, von uns anerkannt werden? . . .
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