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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

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Heft 1
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Huber, Karl Anton: Häusliches von Wallenstein
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0087

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H ARGI \ ALI E V

Häusliches von Wallenstein

Viel Freude hat der Herzog von
Friedland von seinem massigen Palais
in Prag, am Fuß des Hradschin, nicht
gehabt. Die Muße, die er vor jetzt
dreihundert Jahren als abgedankter
Generalissimus in Prag genoß, war
alles eher als friedlich. Die vom Krieg
hart mitgenommene Stadt war nicht
dazu geeignet und Wallenstein selbst
noch zu unverbraucht, ehrgeizig und
vom Undank des Kaisers zu sehr in
der Seele verletzt, um sich hier gemäch-
lich vohl zu fühlen. Während heute
der Fremdenführer die Türe auf-
schließt, die zu Wallensteins Grotten-
bad führt, erzählt er, der Herzog habe
sich im ganzen eben jenen einzigen
Winter hier aufgehalten, welcher der
Vorbereitung zu seiner verhängnis-
vollen letzten Aktion galt. Er hat
dieses für den Sommer gedachte Kühl-
bad wohl niemals benützen können.
Und jener Trakt des Palastes, der
heute dem Besucher als ein mit Waffen,
Sattelzeug, Porzellan, Bildern, Wand-
teppichen, Einrichtungsstücken, Statuen
vollgepfropftes Wallenstein-Museum ge-
zeigt wird — der größere Teil des
Gebäudes beherbergt das tschechoslo-
wakische Handelsministerium —, hat
wohl nur zum Teil mit dem Mann zu
schaffen, der aus zwei großen, das
historische Gefühl des Betrachters erre-
genden Ölgemälden so überaus herrisch
auf die glatte Ordnung der parkettier-
ten Säle herabblickt.
Nicht einmal des Herzogs Pferd,
das, eine Mumie der Treue, ausgestopft
und präpariert, die Mitte eines Raums
einnimmt, darf den Ruhm für sich in
Anspruch nehmen, Wallenstein ganz
so, wie es dasteht, gedient zu haben.

Nur die Haut des Rumpfes ist noch
dieselbe, wogegen Kopf und Füße in
späterer Zeit ausgewechselt werden
mußten, das Tier hat, nach Schiller,
den Herzog dazu verführt, Octavio
Piccolomini unbeschränktes Vertrauen
zu schenken.
„Mein Bruder,“ sprach er, „reite heute nicht
Den Schecken, wie du pflegst. Besteige lieber
Das sichre Tier, das ich dir ausgesucht.
Tu''s mir zu lieb, es warnte mich ein Traum!11
In diesem selben Zimmer hängt auch
ein großes Bild der Tochter Wallen-
steins, Thekla, welches Schiller, wenn
er es gesehen hätte, vollkommen aus
dem Konzept hätte bringen müssen,
so verschieden ist es von der sanften
Erscheinung seiner Phantasie. Die
Dame, die hier zur Seite ihrer Eltern
abgebildet ist, ist eine robuste, üppige,
gar nicht zimperliche Brünette, mit
einem sehr energischen Gesicht. Einmal
freilich war auch diese vollbusige Dame
ein kleines Kind und Wallenstein noch
nicht jener düstere Mann hoch zu Roß,
der über die Schlachtfelder Europas in
das eigene Verderben reitet. Damals
hatte er noch nicht so viel Geld und
war noch nicht der reichste Kavalier
weit und breit. Aber er liebte sein
Kind, und man kann noch heute, nach
dreihundert Jahren, an einem der Ge-
schenke für die kleine Thekla sehen,
mit wieviel Aufmerksamkeit und Zart-
heit er sie umgab. „Er muß entzücken
stets und in Erstaunen setzen“, sagt
sein Dichter von ihm durch den Mund
des Max Piccolomini, und hier finden
wir es tatsächlich bestätigt. Wir sehen
ein vierteiliges Spielzeug in althollän-
dischem Stil, ein ganzes Puppenappar-
tement, bestehend aus Wohnzimmer,

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