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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI Heft:
Heft 8/9 - Utopie U.A.M
DOI Artikel:
Benseler, Gustav Franz: Robinson
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0629

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Ottomar Starke

Robinson
Von
Gustav Bensel
Der Jungenstraum nach Abenteuern ist mit sechzehn Jahren nicht aus-
geträumt. Aber wenn die kurzen mit den langen Hosen vertauscht
sind, fliegen die Knabenbücher in die Ecke, die Scham verbietet das
Sinnieren und verlangt nach Taten. Die den Robinson mit wirklichem
Erfolg gelesen haben, werden Eroberer, Forscher, Dichter und Helden.
Denn der Robinson ist mehr als ein Buch. Der Robinson ist ein Seelen-
zustand. Von einem in der Enge und den Mauern der Großstadt hin-
siechenden, von unerträglicher Abenteurer- und Reiselust geplagten
Menschen könnte man sagen: „Er hat den Robinson!“ So wie ein Kind
Masern oder Scharlach hat, hat er den Robinson. Und dem Arzt bliebe
nichts übrig, als zu sagen: „So gehn Sie schon los in drei Deibels Namen!“
— Der „Robinson“ ist bestimmt eine ganz einwandfrei feststellbare
Gemütserkrankung, und es gibt zweifellos ernste und leichte Fälle. Die
leichten können schon auf Port Gros oder Porquerolles gegenüber „Les
Maures“ behandelt werden und sind in vier bis sechs Wochen heilbar
durch Mittelmeerbäder und Liegestuhlkuren in den Miniatur-Urwäldern
jener beiden Märcheninseln. Dieser „leichte Robinson“ ist eine Art Mode-
krankheit, und es stirbt keiner daran, auch wenn er nur bis Meersburg
am Bodensee gelangte. Und hinterher erfahren alle Verwandten und Be-
kannten mehr als sie wissen wollen von der Reise. Der aber vom „schweren
Robinson“ befallen ist, verschwindet eines Tages sang- und klanglos,
und nach Jahren hört man vielleicht, daß er ein Pygmäenvolk im afrika-
nischen Busch entdeckt hat, oder daß er in der Arktis verschollen ist,
oder man hört gar nichts mehr von ihm.

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