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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

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Heft 4 - Berlin
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Mazzoni, Ofelia: In memoriam Eleonora Duse
DOI Artikel:
Wölfling, Leopold: Ein Stück Erinnerung
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0322

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hatten, auf die Erde geworfen und zertreten. Aber auch davon schrieb und
erzählte sie nur mit schlichten Worten, ohne den Schatten eines Vorwurfs, wie
jemand, der bereit ist, besitzlos zu sterben.

*
Der Kunst galt ihre höchste Liebe, daran ist kein Zweifel. Sie allein erlöste
sie von menschlichen Schmerzen — und von menschlicher Liebe. — So steht
es m einem kostbaren Brief von ihr zu lesen.
Der Kunst wegen blieb sie am Leben, an ihr sollte sie sterben. Und dennoch
gab sie sich grenzenlos, gab ihr unerschöpfliches Herz an alle menschlichen
Zärtlichkeiten hin. Sie pflegte über die Vergangenheit nicht viel zu sprechen,
und auch in den Stunden glühender Mitteilsamkeit, die sie, ihrer selbst fast
unbewußt, manchmal überkamen, sprach sie mehr von den gegenwärtigen
Kämpfen ihres Geistes als von den überwundenen. Aber das flüchtige Auf-
blitzen von Erinnerungen und Bekenntnissen ließ doch erkennen, wie alles
immer auf das Höchste zielte, auch wo sie menschlich in menschliche Leiden-
schaft verstrickt war. Das Leben wird sanft und klar, wenn das Gericht des
Fleisches es nicht mehr belastet. Und nur die süßesten und klarsten Visionen
— nur diese — schienen in ihr weiterzuleben.
(Frei übersetzt von Annemare Sibbers)

(Stn ©tuet Srmnerung
S8on
Seobolb Qöölfling
fl%er trübe unb regnerifche Sag öht& 8« 6nbe, alö bet Münchener 3ug
burch langgebebnte QSorftäbte unb über enblofe ©leiöanlagen Q3erlin
juftrebte. mar im Stovember 1902. Sch mente mir mal Q3erlin
„intognito" natürlich — anfeben. QSater mar mit bem alten Kaifer 'Söilljelm
befrennbet gemefen nnb fyatte mir viel über feine Q3efud)e anfangs ber 60er
nnb in ber 80er Sabre ergäblt* ^lUerbingS fyatte un3 nnfer ßrgieber ein
ganz anbereS Q3ilb van ben ^renfjen entmorfen, benn er mar ein (Schmarz-
gelber nnb tonnte baS Sabr 66 nicht vergeffen: prenfjifcb ü>ar gleidjbebentenb
mit böfe nnb fehlest. Sm Sommer mar ich einer offiziellen ©inlabung
bnrcü Qöilbelm II. anSgemichen, au3 ©rünben rein pcvfönltdjer 21 rt. —
2lnbalter QSabubof! Sftit meinem Köfferchen trat ich auf Öen SSorplaü.
6ine ©rofdjte II. ©üte nahm mich anf. Sch mnnberte mich, bafj man hier
vor einen Sanbauer blof? ein ^ferb fpanne. (So fdjuntelten mir in bie
griebricbftrafje unb madjten vor einem flehten 5>otel — bie 2öabl beö-
felben fyatte ich bem graubärtigen Kutfcber überlaffen — fyalt. Seht ftebt
ba baS QSavariabauS. Sch fyatte laut QSaebeter einen genauen ^lan für
brei Sage entmorfen. Sem 5>auöbiener fagte icb>, er möge mich um Wb
fieben metfen. 6r fab mich erftaunt an unb meinte: S»aö mirb nicht nötig
fein. Sa marum benn nicht? mirb ber .Sperr gerabe vom QSummel beim-
fommen. Stun erflärte ich ihm, baf? ich uicbt be3 Q3ummelö megen nach
Berlin getommen fei, fonbern bah ich iu ben brei Sagen foviel als möglich

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