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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI Heft:
Heft 6/7 - Ferien und Reisen
DOI Artikel:
Ramus, Pierre: Bei den Irren
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0520

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Bei den Irren
Von
Rudolf Großmann
[pine der glänzendsten Ideen unserer Zeit ist die Verhinderung von Geistes-
iw krankheiten, deren direkte Vererbung durch Sterilisierung unterbunden
werden soll. Allerdings halten eine Reihe Ärzte die Durchführung dieser Idee
für fraglich, weil bei den erblichen Geisteskrankheiten die Erbträger häufig
gar nicht geistig erkranken, die Krankheit nur weitergeben. Man hat ja auch
versucht zu beweisen, daß Charaktereigenschaften erst im zweiten oder dritten
Glied der Familie wiederkehren. Deshalb halten em Teil der Ärzte das Projekt
zwar für großartig, aber nicht für unmittelbar wirksam. Die Geisteskranken
im ganzen gesehen sind die kompromißlosen Menschen, die die Wirklichkeit
nicht brauchen, sich selbst eine Wirklichkeit schaffen, in der sie sich ausleben
können. Warum packt den Gesunden das Grauen vor den Irren? Der Irre ist
der Schrankenlose, der Gesunde hat Schranken, und er fürchtet den Zustand,
in den er kommen würde, wenn die Schranken fielen. Auch der Gesunde kann
im gewissen Sinn eine Analogie des Wahnsinns erleben, wenn er träumt. Die
Hälfte unseres Lebens ist ausgefüllt mit Schlaf und Traum. Während wir auf
der einen Seite der Weltkugel Tag und Wachbewußtsein haben, schlafen und
träumen auf der anderen Hälfte ebensoviele Menschen. Im Traum ist unsere
Seele, wenn auch in einem anderen Sinn, wach wie in der Enge des Tages-
bewußtseins. Die merkwürdigen seelischen Vorgänge, die wir alltäglich im
Traum erleben, lassen sich m mancher Hinsicht mit den Zuständen gewisser

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