Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt
— 14.1934
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0434
DOI issue:
Heft 5 - Kriminalistik
DOI article:Thoma, Ludwig: Mädchenhandel
DOI article:Verbrechen und Aberglaube
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0434
Verbrechen und Aberglaube
/m 5. Jahrhundert V. Chr. beobachtet Herodot: „Wenn der Skythenkönig er-
krankt, läßt er die angesehensten Wahrsager ins Schloß kommen und fragt sie nach
der Ursache seines Leidens. Die nennen dann einen, der beim Herde des Königs
falsch geschworen und so die Krankheit herbeigerufen habe. Dieser Mensch
wird allsogleich verhaftet. Leugnet er den Meineid, so läßt der König neue Wahr-
sager kommen. Spricht die Mehrheit den Angeklagten schuldig, so wird er geköpft.“
785 n. Chr. verfügt Kaiser Karl der Große: „Wer, vom Teufel verblendet, ein
Weibsbild für eine Hexe und Menschenfresserin hält, soll des Todes sein.“
1431 wurde Jeanne d'Arc zu Orleans als Hexe verbrannt.
1460 wurden in Arras 20 Personen auf Grund der Aussage einer angeblichen
Hexe hingerichtet.
1489 veröffentlichen die Inquisitoren Sprenger und Institoris ihren berüchtigten
„Hexenhammer“ (malleus mallefwarum), eine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete
Anweisung zur Vernichtung der Hexen und Ketzer.
1594 wurden in Osnabrück 103 Frauen als Hexen hingerichtet.
1620 wurde in Stettin eine 80jährige Greisin (!), die Klosterfrau Sidonia von
Bork aus Marienfließ, auf grausamste Art zu Tode gequält. Man warf der un-
glücklichen alten Frau vor, sie habe den Priester David Lüdecke mit „mercurius“
(Quecksilber) vergiftet, sie habe mit dem Teufel Unzucht getrieben und sie habe
sämtlichen Herzögen von Pommern die Unfruchtbarkeit angezaubert.
1623—1631 wurden zu Würzburg 900 Menschen als Hexen und Zauberer
hingerichtet.
1653 leitet Carpzovius, einer der berühmtesten deutschen Rechtsgelehrten, seine
Peinliche Sächsische Inquisitions- und Achts-Prozeßordnung folgendermaßen ein:
„Daß an dem exercitio der peinlichen Gerichte, besonders aber an rechtmessiger
Außubung deß inquisition processus wieder die Verbrechere, und Bestraffung der
übelthäter, der Reipublic unnd gemeinem Wesen höchlichen und viel gelegen, wird
von niemand leichtlichen in Zweiffel gezogen, alldieweil hierdurch die Frommen
bey ihren Haab und Gütern, auch Leib und Leben geschützet, hingegen die Bösen
hinweg und auß dem Mittel gereumet, andere von dergleichen Ubelthaten und
Verbrechungen abgeschrecket usw.“
1691 bringt Balthasar Bekßer, reformierter Pastor zu Amsterdam, als erster
im Verlauf der Weltgeschichte ein prinzipielles Buch gegen den Hexenwahn heraus.
Er wird von der Synode seines Amtes enthoben und vom Abendmahl ausgeschlossen.
— Ehre dem Andenken des tapferen Mannes!
Um 1720 verbietet Friedrich Wilhelm I. die Hexenprozesse für ganz Preußen.
Um 1740 verbietet Kaiserin Maria Theresia von Österreich die Hexenprozesse.
1756 wurden in Landshut (Bayern) zwei junge Mädchen wegen angeblicher
Unzucht mit dem Teufel öffentlich verbrannt.
1766 hält Pater Don Ferd. Sterzinger, Mitglied des Theatiner-Ordens, seine
Akademische Rede vom Vorurteil der Hexerei. Er sagt u.a.: „Ich leugne zwar
nicht, daß zu allen Zeiten Leute aufgestanden, und noch heute zu Tage auf stehen,
die sich auf Hexerey legen, und durch Beyhülfe des Satans Wunder zu wirken ver-
meinen; daß sie aber solche wirklich zu Stande bringen, das kann ich nimmermehr
eingestehen. Haben sich dann nicht auch zu allen Zeiten gewisse Leute gerühmet,
daß sie die Träume auslegen, aus dem Fluge der Vögel, aus der Lage der Sterne
weissagen können? Wem ist aber unbekannt, daß alle ihre Werke Lügen, Betrug,
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/m 5. Jahrhundert V. Chr. beobachtet Herodot: „Wenn der Skythenkönig er-
krankt, läßt er die angesehensten Wahrsager ins Schloß kommen und fragt sie nach
der Ursache seines Leidens. Die nennen dann einen, der beim Herde des Königs
falsch geschworen und so die Krankheit herbeigerufen habe. Dieser Mensch
wird allsogleich verhaftet. Leugnet er den Meineid, so läßt der König neue Wahr-
sager kommen. Spricht die Mehrheit den Angeklagten schuldig, so wird er geköpft.“
785 n. Chr. verfügt Kaiser Karl der Große: „Wer, vom Teufel verblendet, ein
Weibsbild für eine Hexe und Menschenfresserin hält, soll des Todes sein.“
1431 wurde Jeanne d'Arc zu Orleans als Hexe verbrannt.
1460 wurden in Arras 20 Personen auf Grund der Aussage einer angeblichen
Hexe hingerichtet.
1489 veröffentlichen die Inquisitoren Sprenger und Institoris ihren berüchtigten
„Hexenhammer“ (malleus mallefwarum), eine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete
Anweisung zur Vernichtung der Hexen und Ketzer.
1594 wurden in Osnabrück 103 Frauen als Hexen hingerichtet.
1620 wurde in Stettin eine 80jährige Greisin (!), die Klosterfrau Sidonia von
Bork aus Marienfließ, auf grausamste Art zu Tode gequält. Man warf der un-
glücklichen alten Frau vor, sie habe den Priester David Lüdecke mit „mercurius“
(Quecksilber) vergiftet, sie habe mit dem Teufel Unzucht getrieben und sie habe
sämtlichen Herzögen von Pommern die Unfruchtbarkeit angezaubert.
1623—1631 wurden zu Würzburg 900 Menschen als Hexen und Zauberer
hingerichtet.
1653 leitet Carpzovius, einer der berühmtesten deutschen Rechtsgelehrten, seine
Peinliche Sächsische Inquisitions- und Achts-Prozeßordnung folgendermaßen ein:
„Daß an dem exercitio der peinlichen Gerichte, besonders aber an rechtmessiger
Außubung deß inquisition processus wieder die Verbrechere, und Bestraffung der
übelthäter, der Reipublic unnd gemeinem Wesen höchlichen und viel gelegen, wird
von niemand leichtlichen in Zweiffel gezogen, alldieweil hierdurch die Frommen
bey ihren Haab und Gütern, auch Leib und Leben geschützet, hingegen die Bösen
hinweg und auß dem Mittel gereumet, andere von dergleichen Ubelthaten und
Verbrechungen abgeschrecket usw.“
1691 bringt Balthasar Bekßer, reformierter Pastor zu Amsterdam, als erster
im Verlauf der Weltgeschichte ein prinzipielles Buch gegen den Hexenwahn heraus.
Er wird von der Synode seines Amtes enthoben und vom Abendmahl ausgeschlossen.
— Ehre dem Andenken des tapferen Mannes!
Um 1720 verbietet Friedrich Wilhelm I. die Hexenprozesse für ganz Preußen.
Um 1740 verbietet Kaiserin Maria Theresia von Österreich die Hexenprozesse.
1756 wurden in Landshut (Bayern) zwei junge Mädchen wegen angeblicher
Unzucht mit dem Teufel öffentlich verbrannt.
1766 hält Pater Don Ferd. Sterzinger, Mitglied des Theatiner-Ordens, seine
Akademische Rede vom Vorurteil der Hexerei. Er sagt u.a.: „Ich leugne zwar
nicht, daß zu allen Zeiten Leute aufgestanden, und noch heute zu Tage auf stehen,
die sich auf Hexerey legen, und durch Beyhülfe des Satans Wunder zu wirken ver-
meinen; daß sie aber solche wirklich zu Stande bringen, das kann ich nimmermehr
eingestehen. Haben sich dann nicht auch zu allen Zeiten gewisse Leute gerühmet,
daß sie die Träume auslegen, aus dem Fluge der Vögel, aus der Lage der Sterne
weissagen können? Wem ist aber unbekannt, daß alle ihre Werke Lügen, Betrug,
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