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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

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Heft 4 - Berlin
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Mazzoni, Ofelia: In memoriam Eleonora Duse
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0320

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In memoriam Eleonora Düse
Von
Ofelia Mazzoni
Eleonora Düse starb am 21. April 1924 auf einer Amerika-Tournee, die
sie —■ seit ihrem letzten Auftreten in Berlin 1909 durch Krankheit der Bühne
ferngehalten — unternahm, um keine Almosen annehmen zu müssen und um
die Ausführung ihres letzten Planes, Gründung einer Theaterschule und eines
festen Theaters in Italien, zu ermöglichen. Sie zwang ihrem hinsiechenden
Körper letzte künstlerische Verklärung ab und starb, bis zum letzten Hauch
verausgabt, in Pittsburg.
Der hier veröffentlichte Auszug stammt aus dem Buch „Con la Duse‘‘‘,
das die Dichterin und Rezitatorin Ofelia Mazzoni bald nach dem Tode ihrer
großen Freundin veröffentlichte.
TAie komische Maske verschmolz ihrem gutgemeißelten Gesicht ebenso-
gut wie die tragische. In Ausübung der Kunst waren die Muskeln elastisch
und kräftig geworden, männlich die Stirn, weit und blitzend die Augen, stark
die Zähne, schöngewachsen, leuchtend und vollzählig, wie es sonst selten im
reifen Alter zu sehen ist. Das Lächeln verwandelte sie völlig, es überstrahlte
ihr Gesicht von dem bezaubernden Mund bis unter die starken, ungebändigten
Haare — bis zu der festen vibrierenden Kehle. Wie oft gab sie sich einem
lauten, kindlichen Lachen hin, das über sie kam und sich unwiderstehlich
übertrug.
Den Sinn für Heiterkeit und die Haltung sowie den ebenmäßigen Knochen-
bau hatte sie wohl vom Vater. Von ihm erzählte sie, wie einfach er gewesen
sei, wie feind aller Schwächlichkeit. Als sie, fast noch Kind und schon Schau-
spielerin, ihn eines Tages, in der Hoffnung, ihn zu rühren, mit weinerlichem
Protest in der Stimme frug: „Werden wir denn immer dritter Klasse reisen?“,
antwortete er ruhig und als gebe er eine tröstliche Antwort: „Gewiß, denn es
gibt ja keine vierte.“ Später hatte man sie verwöhnt, wie es einer weltberühmten
Schauspielerin und der Freundin d Annunzios zukam, aber ein Zug angeborener
Rauheit blieb, und dann war es so, als sähe man die kraftvollen Wurzeln einer
zarten, köstlich blühenden Pflanze.
Manchmal war sie wunderbar schön. Aber gottlob fehlte ihr jene Wachs-
puppenschönheit, der mittelmäßige Schauspielerinnen so lärmende Erfolge ver-
danken. Schön war sie wie die Geschöpfe Michelangelos, voll ungestüm be-
zwingender Kraft, die entzücken und entsetzen konnte. Schön war sie, wie
die Elemente schön sind; sie trug alles in sich, Gutes und Böses.
Eines Tages erzählte sie von einer kleinen Zufallserbschaft, kurz nach dem
Tode der guten Mutter. „Das Geld hätten sie uns früher geben können! Jetzt
nützt es nichts mehr. Wir arbeiten. Mag es nehmen, wer will!“ sagte damals
der Vater. — „Du hast recht, Papa“, antwortete Eleonore.
Und wie das junge, so großem Schicksal bestimmte Mädchen arbeitete. Wie
sie arbeitete! Ich erinnere mich, wie sie eines Tages, wie aus dem Unter-
bewußtsein heraus, sagte, als ich einen kleinen Ort Albissola an der Riviera
erwähnte: „Albissola!“ wiederholte sie mit der silbernen Zärtlichkeit ihrer ewig

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