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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

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Heft 1
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Wieviel Tage arbeiten Sie im Jahr
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Kinder müssen fröhlich sein
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0100

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Jahren, dank dem guten Willen unserer
Verwaltungsstelle, ein Maximum an
Gehalt für ein Minimum an Arbeit be-
ziehen.“
„Oh, Herr Direktor ..."
„Folgen Sie genau meiner Darlegung,
Herr Whitewood. Sie ist so einleuch-
tend, daß ich verblüfft bin, daß Sie
nicht selbst darauf verfallen sind. Also,
das Jahr hat, wenn ich nicht irre, 365
Tage. Ich werde die Berechnung nach
den Schaltjahren machen. Von diesen
366 Tagen arbeiten Sie wie viele
Tage? ... Ein Drittel, werden Sie mir
sagen, acht Stunden täglich zugrunde
gelegt, gleich hundertzweiundzwanzig
Tage. Das will ich gelten lassen. Aber
von diesen hundertzweiundzwanzig
Tagen müssen zweiundfünfzig Sonn-
tage abgezogen werden. Bleiben siebzig
Tage. Wie alle Ihre Kollegen nehmen
Sie am Sonnabendnachmittag Urlaub.
Macht sechsundzwanzig Tage jährlich.
Es bleiben also vierundvierzig Arbeits-
tage. Die Bank gewährt Ihnen täglich
eine Stunde für das Frühstück, was am
Ende des Jahres zwölf volle Tage aus-
macht, die von den vierundvierzig
Arbeitstagen abzuziehen sind. Auf
diese restlichen zweiunddreißig Tage
gewähre ich Ihnen allen sechzehn
Ferientage, wodurch das Arbeitsjahr
auf sechzehn Tage tatsächlicher Be-
schäftigung beschränkt wird. Sie wer-
den wohl zugeben, daß die Feiertage,
die Wahlen und die nationalen Ge-
denktage mindestens zwölf regelmäßige
Urlaubstage jährlich ausmachen. Es
bleiben demnach, alles in allem, vier
Tage, die Sie der Arbeit zu widmen
hätten . . . Und seit den zehn Jahren,
die Sie hier sind, haben Sie nie ver-
säumt, diese vier Tage unter dem Vor-
wand einer Krankheit zu Hause zuzu-
bringen. Ich überlasse nun die Ent-
scheidung Ihnen, Herr Whitewood.“
Worauf der Arme grüßte und heraus-
ging, überglücklich, nicht seinen Ab-
schied erhalten zu haben.

Kinder müssen fröhlich sein
Kurz nach Schulbeginn besuchte
Herr Petitdieu seinen Buben in einem
französischen Gymnasium. Er hatte
einen Empfehlungsbrief an den Di-
rektor, der ihn sehr liebenswürdig auf-
nahm und ihm die ganze Anstalt zeigte.
„Von den neuen pädagogischen
Ideen ganz erfüllt, habe ich mich sehr
gründlich mit allen hygienischen Fragen
befaßt. So hat zum Beispiel jeder
meiner Schüler vom achten Lebensjahr
an Anspruch auf eine Zigarette täglich.
Gewiß, diese Zigarette kann den
Kindern nicht gut tun; aber im Freien
oder in großen Lehrsälen wird ihnen
das Rauchen bestimmt nicht so sehr
schaden, wie zum Beispiel im W.C.,
das trotz aller hygienischen Vorkeh-
rungen doch ein recht ungesunder Auf-
enthalt ist.
Ich befasse mich selbstverständlich
auch auf das Sorgfältigste mit der Er-
nährung der Kinder. Nichts darf auf
den Tisch kommen, das nicht auf das
peinlichste analysiert worden wäre.
Wir verwenden ausschließlich Kunst-
wein und künstliche Milch, da die ent-
sprechenden Naturprodukte niemals
frei von Bazillen und gefährlichen
Gärstoffen sind.“
*
„Überzeugt von den neuesten Theo-
rien der Übermüdung“, fährt der Herr
Direktor fort, „stelle ich fest: meine
Schule ist eine der wenigen Anstalten,
wo die Kinder zu spielen verstehen.“
Da gerade Pause war, führte man
Herrn Petitdieu in einen großen Hof,
wo die Kinder und die Aufseher
spielten.' Sie spielten alle möglichen
sehr interessanten alten Spiele, welche
von weisen Professoren eigens für sie
rekonstruiert worden waren.
„Ach!" sagte Herr Petitdieu, „das
sind glückliche, kleine Kerle. Zu

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