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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 14.1934

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Heft 1
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Kinder müssen fröhlich sein
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0101

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meiner Zeit gab es nicht so vielerlei
Spiele ...“
„Sie unterhalten sich gut, nicht
wahr? ..nickte lachend der Herr
Direktor.
„Ausgezeichnet!“ bestätigte Herr
Petitdieu.
Eine Klasse marschierte in Reih und
Glied in den Hof ein.
„Passen Sie auf!“ sagte der Di-
rektor, „sie werden in zwei Reihen
bis zur Mitte des Hofes vorgehen und
sich dann, auf einen Wink des Auf-
sehers, mit fröhlichem Geschrei in alle
Winkel zerstreuen.“
*

Als die Kinder in der Mitte ange-
kommen waren, gab der Aufseher ein
Zeichen, und sie stoben mit Geschrei
auseinander. Aber diese Freudenrufe
befriedigten den Herrn Direktor ganz
und gar nicht. Sie waren ihm nicht
fröhlich genug. Er pfiff, und die
Schüler stellten sich wieder in zwei
Reihen auf.
Worauf der Direktor ihnen er-
klärte, warum das Auseinanderstieben
nicht geklappt hatte. Und um es ihnen
deutlich zu machen, stieß er selbst
einen langen Freudenschrei aus, den
alle Kinder einstimmig wiederholen
mußten.
„Jetzt ist es besser!“ sagte der Herr
Direktor.
„Ausgezeichnet!“ bestätigte Herr
Petitdieu. Tristan

Südfranzösisch. Ein kleines Cafe in
der Straße Saint-Ferreol, in Marseille.
„Schnell, Herr Marius, schnell, kommen
Sie, ein Unglück ist geschehen, Ihre
arme Frau ist von einer Leiter gestürzt,
sie hat sich den Schädel gespalten ...
schnell . . schnell . . “
Marius ist bei der Mitteilung der
furchtbaren Neuigkeit mit einem Satz
aufgefahren. Mit einem zweiten Satz


ist er durch das Cafe geeilt, er erreicht
die Tür, und nun läuft er, läuft immer-
zu. Die Menge macht ihm Platz.
Maurice kommt bis zur Cannebiere,
und man hört ihn beständig vor sich
hinmurmeln, wie eine Trauerlitanei:
„Von einer Leiter gestürzt! Von einer
Leiter gestürzt! . . “
Mit einemmal hält Marius im Laufen
inne. „Was fällt diesem Idioten ein,
mich mit seiner Leiter aus dem Häus-
chen zu bringen? Bei uns ist keine
Leiter. Und meine Frau kann nicht
gestürzt sein, ich bin ja nicht verhei-
ratet! Aber, Herr des Himmels, habe
ich einen Schreck gehabt!“
Und Marius kehrt schnaufend ins
Cafe zurück.
Nordfranzösisch. Herr G. ist krank.
Er ist tapfer.
„Ich fürchte nicht den Tod“, sagt er,
„nur finde ich, die Vorsehung hat die
Dinge schlecht eingerichtet. So würde
ich bei weitem vorziehen, daß meine
Seele beerdigt würde und mein Körper
unsterblich wäre.“

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