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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 14.1934

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Heft 6/7 - Ferien und Reisen
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Nichols, Beverley: Englische Gesellschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0524

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Ulla Siebe


Englische Gesellschaft
Von
Beverley Nichols
Neben dem gewaltigen Himmelbett ist die Zeitung zu Boden geglitten:
es ist die Morning Post vom 1. Juli 1829. Das Frühstücksgetränk ist
Schokolade und wird — die teure Mama ist ja noch so altmodisch — von
einem kleinen Negerjungen serviert. Geradezu Rokoko, nicht wahr ? Es
ist Morgen. Draußen vor den Fenstern strahlt die Sonne des beginnenden
vorigen Jahrhunderts auf die Kutschen nieder, die Gebirge von Damast
und zartem Musselin in den Park spazierenfahren. Ihr Licht fällt durch
primelfarbene Vorhänge ins Zimmer (dieselben Vorhänge, die heute auf
Provinztheatern ihr müdes Dasein fristen) und umgibt mit seinem Glanz
die junge Dame im Bett, Lady Karoline oder, sagen wir, Lady Julia, ein
rosiges Knöspchen, deren Schultern von etwas Seltsamem umflutet sind,
worin wir zu unserer Überraschung langes Haar erkennen. Und selbst-
verständlich trägt sie ein Nachthäubchen.
Lady Karoline (oder Julia) ist bestürzt, ja entrüstet. Sie hat einen
höchst befremdlichen Brief empfangen, so befremdlich, daß sie nicht sicher
ist, ob sie ihn der teuren Mama zeigen kann. Daß dieser junge Lord
Algernon sie überhaupt zu einer Gesellschaft einlädt, ist an sich über die
Maßen ungehörig, er ist ihr doch nicht einmal in aller Form vorgestellt
worden! Nicht nur das; er wagt es nicht allein, sie einzuladen, als Brigant
zum Maskenball zu kommen, sondern auch „ein Fläschchen mitzubringen“!
Ein Fläschchen — was für ein Fläschchen ? Parfüm oder leer ? Am
Ende gar eine Flasche mit-aber bei diesem Einfall nippt sie hastig
an ihrer Schokolade, und ein rosiger Hauch überfliegt ihre Wangen. Das
— das wäre doch einfach undenkbar!

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