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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI Heft:
Heft 5 - Kriminalistik
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Schwarz, Georg: Insull
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0416

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Insull
Die Stürme der Weltwirtschaftskrise haben manchen der auf Hochglanz
polierten Führer aus dem Reich der Aktienpakete vom Postament
geblasen. Zwar nicht immer mit so hörbarem Krach wie im Falle Kreuger,
doch häufig laut genug, um das Vertrauen mancher Völker in seine Größen
aus der finanziellen Machtsphäre heftig zu erschüttern. In Amerika purzelte
Herr Samuel Insull, ein Mann, der längst die biblischen siebzig Jahre
hinter sich gebracht hatte und dem in den Zeiten der höchsten Blüte seiner
Geschäfte beflissene Reporter oft bescheinigten, daß er eine Zierde seines
Berufes und in Ehren grau geworden sei. Wie gesagt, wenn der vertrackte
Sturm nicht gekommen wäre, säße Herr Insull vielleicht heute noch hoch-
angesehen an der Spitze unzähliger money-makender Gesellschaften, an-
statt, wie es ihm vorübergehend passiert ist, in einer stark vergitterten
Zelle, die auch einmal das Quartier des Herrschers der Unterwelt Chicagos,
Al Capone, gewesen war.
Insull kommt, wie so mancher Multimillionär, aus dem Lande der heute
immer mehr begrenzten Möglichkeiten, aus dem gesellschaftlichen Nichts,
will in London geboren worden sein und dort in Privatschulen die ersten
Stufen der Bildung erklommen haben. Mag es diese, mögen ihm brutale
Ellenbogen den Weg gebahnt haben, genug, er hatte in Amerika das Glück,
das einem zwar mittellosen, jedoch strebsamen jungen Einwanderer sprich-
wörtlich hold zu sein hat, das meistens allerdings das Resultat von „corriger
la fortune“ ist. Der große Einschnitt in das Leben des „little Londoner“
bedeutet der Tag, an dem ihn kein geringerer als Edison zu seinem Privat-
sekretär bestimmte. Wer direkt hinter dem Rücken des großen Erfinders
stand, die Ohren steif hielt und dazu mit finanziellem Spürsinn ausgestattet
war — den Edison, nach einem Wort von Ford, nicht hatte — konnte aus
des genialen Bastlers schöpferischer Produktivität mancherlei kommerziell
verwertbare Anregungen empfangen. Insull verstand die Chance zu nutzen!
Bald sehen wir den ehemaligen Privatsekretär in der Nähe der ganz
Großen, fast Nationalheiligen, des Dollarlandes, bei den Morgan, Carnegie,
Rockefeller und Mellon, und hier mag er manchen Tip bekommen haben,
mit welcher Schere sich die menschlichen Schafe am leichtesten scheren
ließen; er lernt, was sich am Grundstückshandel verdienen läßt und sei
es auch nur Land an der schlammigen Peripherie Chicagos. Mit dem so
unproduktiv Errafften gelang ihm der Einbruch in die stromerzeugende
Industrie, und mit Hilfe dieser wunderbaren gebändigten Naturkraft, die
Meister Edison für die „Erleuchtung“ des Daseins dienstbar gemacht hatte,
scheffelte Insull Hunderte von Millionen. Bald beherrschte er alle Elek-
trizitäts-Konzerne des mittleren Westens Amerikas, und auf diesem,
eigentlich soliden Grunde errichtete der vom Abenteuer Gezeichnete ein
gigantisches, aber schwankendes Gebäude der Spekulation, einen Invest-
ment-Trust nach dem andern; gesetzlich getarnte Methode, gläubige
Dummköpfe aus der Masse der kleinen Leute mit dem Anreiz der Börsen-
spekulation um ihr Erspartes zu bringen. Viele Wenig ergeben ein Viel;
als Insull krachen ging, waren einige hundert Millionen Dollars von den
Haifischen der Wirtschaft gefressen worden. Heute stehen dafür Insull,
sein Bruder Martin und Insulls Sohn Samuel unter der Anklage des ge-
meinschaftlichen Betruges, und ganz Amerika fiebert auf den Prozeß, denn

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