Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI issue:
Heft 5 - Kriminalistik
DOI article:
Schwarz, Georg: Insull
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0417

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
auch in diesem Lande wartet das Volk mit Erbitterung darauf, daß endlich
einmal, anstatt immer nur der kleinen, die großen Diebe gehängt werden.
Der Zusammenbruch Samuels begann damit, daß er im Juni 1932, als
es „mulmig“ wurde, von all seinen Posten als Direktor zurücktrat, um die
andern den von ihm angehäuften „Dreck alleene“ wegbringen zu lassen.
Für alle Fälle hatte er für sich auf den geheimnisvollen, scheinbar bei
Wallace entlehnten Namen Constantine Elfax einen Notgroschen im Be-
trage von einer Million Dollars bei einer Chicagoer Bank deponieren
lassen, doch die Gläubiger kamen hinter das Depot und ließen es beschlag-
nahmen. (Die Zukunft hat gezeigt, daß Insull an mehrere solche Not-
groschen rechtzeitig genug gedacht hat, sonst wären ihm seine späteren
Abenteuer an der Levante wohl nicht möglich gewesen.)
Und weil die großen Betrüger in irgendeiner Ecke ihres Herzens sich
ein Altärchen errichtet haben, vor dem sie opfern, um sich den ethischen
Ausgleich für ihre allzu materielle Weltlichkeit zu schaffen, hatte auch
Samuel Insull sich einen Altar gebaut; einen ziemlich kompakten zwar,
die Chicago Civic Opera, aber es war dennoch seine selige Insel in des
Zeitmeers Stürmen, und hier hörte er gern den Lohengrin. „Nie sollst du
mich befragen . . Der Altar, dessen Aufrichtung für das ganze und halbe
Chicago eine Sensation gewesen war, zerbarst. Die auch bei uns nicht
unbekannte italienische Opernsängerin Raisa, die außer dem Vermögen in
ihrer Kehle über eins in bei Großbanken hinterlegten Papieren verfügt,
konnte beim Zusammenbruch des Insullschen Musentempels 500 000 zu-
sammengesungene Dollars auf dir Verlustseite buchen.
Herr Insull indessen saß längst wohlgeborgen an friedlicheren Ge-
staden, in Athen, bezaubert von den Gesängen einer griechischen Circe
und vor den Zugriffen der amerikanischen Behörden durch gewichtige
ärztliche Atteste geschützt. Samuellos Insullos, wie die Griechen den
zahlungskräftigen Besucher nannten, wurde in seiner neuen Wahlheimat
bald eine gewichtige Persönlichkeit, über die es sogar zu einer Kabinettskrise
kam, weil einige Minister den noblen Herrn, oder vielmehr seine Dollars,
partout im Lande behalten wollten. Es sollte dann dennoch zu einer Aus-
lieferung kommen, denn Amerika, besorgt um seine öffentliche Meinung,
wollte sich die Sache etwas kosten lassen und versprach, das griechische
Weineinfuhr-Kontingent für die Abschaffung des Groß Schiebers auf das
Fünffache zu erhöhen. Damit wäre den griechischen Weinbauern sicher
besser gedient gewesen, als dem amerikanischen Gast des Hotels Petit
Palais in Athen, der ein halbes Dutzend Ärzte und Advokaten mit all ihrer
levantinischen Beredsamkeit gegen den Auslieferungsantrag ankämpfen
ließ, danach war Insull sterbenskrank und materiell so sauber wie ein
frischgeborenes Schaf. Insull vertraute jedoch den Künsten seiner medi-
zinischen und juristischen Anwälte nicht und verschwand bei Nacht und
Nebel aus Athen, um sich, als Maurer verkleidet, nach dem Piräus durch-
zuschlagen. Hier lag ein für viele tausende Pfunde gechartertes Schiff,
ein griechischer Dampfer namens „Maiotis“, besorgt von der Levante-
Freundin des Greises, einer Dame mit unaussprechlichem Namen, die
die abenteuerlichen Etappen des Schiffes so sensationell managte, daß sich
die Tragikomödie in eine handfeste Kolportagegeschichte verwandelte.
Nun bekamen die Boulevard-Blätter der ganzen Welt für Wochen fette
Schlagzeilen aus dem Mittelmeer geliefert. Insull, ein neuer Fliegender

285
 
Annotationen