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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI issue:
Heft 5 - Kriminalistik
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Schwarz, Georg: Insull
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0418

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Holländer, kreuzte so verwegen auf den Gewässern des Mittelmeeres
herum, daß er für keins der vielen neugierig nach ihm Auslug haltenden
Schiffe zu sichten war. Zeitungen schrieben, er habe von Bord des Dampfers
aus längst eine Reise in die Luft angetreten und sei auf dem Wege nach
dem Lande des Negus, Abessinien, dem Insulls Senta, nicht nur Freundin,
sondern auch Agentin des Greises, eine zinsfreie Anleihe von 45 000 Pfund
offeriert habe. Port Said wartete vergeblich auf die Durchfahrt. Wo blieb
Insull? Monte Carlo lockte! Doch Frankreich ließ wissen, daß seine
Küsten für den Betrüger aus Chicago geschlossen seien.
Anfangs der Fahrt war die „Maiotis“ von einem griechischen Torpedo-
bootszerstörer vor einem ägyptischen Hafen aufgebracht und unter sanftem
Druck in die heimatlichen Gewässer zurückbeordert worden. Die höflichen
griechischen Behörden stempelten dem so formlos geschiedenen illustren
Besucher die Papiere, gewährten ihm noch 24 Stunden Gastfreiheit und
vereinbarten mit dem amerikanischen Gesandten, daß der ehemalige Elektro-
König sich seinen Reiseweg wählen dürfe.
Also, mit dem „zu Schiff nach Frankreich“ war es nichts, wochenlang
trampte die „Maiotis“ nun schon unter dem sonnigen Himmel des Mittel-
meeres dahin, bis ihr das Wasser ausging und sie Konstantinopel ansteuern
mußte. Das war nach geltendem Seerecht durchaus ungefährlich, denn
wenn sich ein Schiff in den Meerengen, die Europa von Asien trennen,
nicht länger als vierundzwanzig Stunden auf hält, gilt es als auf freiem Meer
befindlich und fällt nicht unter die türkischen Gesetze. Wer schuld daran
ist, daß die „Maiotis“ nicht vor Ablauf der 24 Stunden Anker aufmachte,
wird wohl nie geklärt werden. Ostersonntag entschied sich das Geschick
Insulls entgültig im Sinne der rächenden Nemesis. Die Regierung von
Ankara verfügte: Auslieferung nach Amerika! Der letzte Schachzug Insulls,
sich auf seine vorgeblich englische Staatsangehörigkeit zu besinnen, konnte
nicht verhindern, daß er mattgesetzt wurde. Das Empire bedankte sich!
Der amerikanische Dampfer, der den arbeitslos gewordenen Groß-
kapitalisten nach USA. zurückbrachte, hieß „Exilona“. Welch Name für
das Heimkehrschiff eines Defraudanten! Nun sollen die amerikanischen
Gesetze sprechen, obgleich der Anwalt Insulls auftrumpfte, die Zuständig-
keit des amerikanischen Bundesgerichts bestritt und die Festnahme Insulls
in der Türkei als eine illegale Maßnahme bezeichnete. Gleichzeitig brachte
der Advokat seinem Mandanten die Freiheit mit einer Bürgschaft von
200 000 Dollars, die eine Versicherungsgesellschaft aufgebracht habe. Es
scheint demnach in Amerika immer noch Leute zu geben, die sich den
„mittellosen“ Samuel Insull gewogen erhalten wollen. Auch ein erneuter
Haftbefehl wegen Unterschlagung in zwei Fällen wurde durch Insulls
Freunde gleich wieder mit einer Kaution abgegolten. Da der frühere
„Lichtbringer“ von zehn Millionen Menschen im mittleren Westen Ame-
rikas infolge seines Alters gesundheitlich schwer geschädigt sein soll und
Quartier im Krankenhaus bezogen hat, kann sich die Durchführung des
Prozesses lange hinziehen, wobei vielleicht, wie Herr Insull meinen mag,
die Zeit alle Wunden heilt.
Damit der Geschichte die Pointe nicht fehle: auch die Türkei erzeugt Wein,
— wenn auch die strenggläubigen Muselmanen keinen trinken dürfen . . .
Nach Abschluß des Auslieferungsverfahrens Insulls erhöhte sich das türkische
Weineinfuhr-Kontingent nach den Vereinigten Staaten auf das Fünffache.

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