Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 14.1934
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0435
DOI Heft:
Heft 5 - Kriminalistik
DOI Artikel:Thoma, Ludwig: Mädchenhandel
DOI Artikel:Verbrechen und Aberglaube
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0435
Falschheit und Eitelkeit gewesen? ... So lange man glauben wird, daß die Hexerey
eine wahre und durch den Beystand des Teufels wunderwirkende Kunst seye, so
wird die geistliche so wol als die weltliche Macht sich vergebens bemühen, das Laster
des Aberglaubens zu vertilgen.“
1775 fand die letzte reichsdeutsche Hexenhinrichtung in der Abtei Kempten >
(Allgäu) statt.
1782 wurden in der Schweiz die Hexenprozesse abgeschafft.
1786 schreibt der Herausgeber der „Nachrichten von merkwürdigen Verbrechen
in Deutschland *: „Die Päbste erfanden das Brennen der Zauberer, um die Auf-
klärung zu hindern, und die Hierarchie zu befestigen. Die Richter in Deutschland
zogen gerne wider die Hexen zu Felde, weil es ansehnlichen Verdienst gab. In
unserem Vaterland sind auch außer Streit die mehresten Hexen verbrannt worden.
Es nahm auch nach der Reformation kein Ende, theils weil D. Luther selbst an
solchen Unsinn glaubte, theils weil die Rechtsgelehrten ungern die reiche Einnahme
verlieren wollten.“
1793 erst, nach der endgültigen Aufteilung Polens, fanden in diesem Land die
Hexenprozesse ein Ende.
1850 wurde im Arrondissement Lourdes (Frankreich) eine alte Frau von aber-
gläubischen Dorfbewohnern im Backofen zu Tode geröstet; man hielt sie für eine
gefährliche Hexe.
1874 verbrannten Bürger der mexikanischen Stadt San Juan de Jacobo eine
Frau Mendora und ihren Sohn als angebliche Zauberer.
Um 1893 war in Eilenburg (Pr.) ein Ehepaar angeklagt, weil es von einer Frau
behauptet hatte, sie könnte hexen und die Gestalt eines schwarzen Katers annehmen.
Die Angeklagten wollten mit Hilfe von Zeugen den Wahrheitsbeweis für ihre Ver-
leumdung antreten; der Richter antwortete ihnen, sie seien um rund 200 Jahre zu
spät geboren.
Um 1895 wurde in Boltygadden (Irland) eine junge Frau namens Bridget Cherry,
die an Influenza litt, von ihren Verwandten langsam über offnem Feuer gebraten;
man wollte ihr den Teufel austreiben. Die Kranke starb unter furchtbaren Qualen.
1907 ließ der Gemeindevorstand von Schönefeld bei Pillnitz (Sa.), also eine
Behörde, aus dem benachbarten Dorf einen „Hexenmeister“ holen, der das er-
krankte Vieh kurieren sollte. — Im gleichen Jahr wurde in Hohensalza eine Witwe
von einem Arbeiterehepaar halbtot geschlagen, weil sie die Ehefrau angeblich krank
gehext hatte.
1926 verübten in Japan rund 800 Mädchen der gebildeten Stände im Alter
von 21 Jahren Selbstmord. Sie glaubten, daß ihr Geburtsjahr 1905 ein „Hinoe-uma“-
Jahr (Unglücksjahr) sei und daß sie deshalb für die Ehe untauglich wären.
Im Februar 1933 hat in Brockdorf bei Vechta (Oldenburg) ein Händler so-
genannte „Hexenlisten“ vertrieben; sie enthielten zahlreiche Namen harmloser
Frauen, die das Vieh verzaubert haben sollten, und fanden reißenden Absatz.
Grobe Tätlichkeiten und Strafanträge der Beschuldigten waren die Folge. Vor
Gericht wollten die Anhänger des betrügerischen Händlers einen umständlichen
Wahrheitsbeweis führen.
Ende 1933 war Berlin-Spandau der Schauplatz eines „Hexenprozesses“. Dort
gelang es einer adeligen „Dame“ im Alter von 60 Jahren, viele Arbeiter und Bürger
durch tolle Hexenkunststückchen um ansehnliche Beträge zu prellen. Schließlich
wurde die Betrügerin „Haushexe“ bei einem Laternenanzünderehepaar, dem sie
300 Mark abknöpfte. Der Mann erstattete Anzeige, und das zuständige Gericht
verurteilte die „Hexe“ zu 15 Monaten Gefängnis. £
303
eine wahre und durch den Beystand des Teufels wunderwirkende Kunst seye, so
wird die geistliche so wol als die weltliche Macht sich vergebens bemühen, das Laster
des Aberglaubens zu vertilgen.“
1775 fand die letzte reichsdeutsche Hexenhinrichtung in der Abtei Kempten >
(Allgäu) statt.
1782 wurden in der Schweiz die Hexenprozesse abgeschafft.
1786 schreibt der Herausgeber der „Nachrichten von merkwürdigen Verbrechen
in Deutschland *: „Die Päbste erfanden das Brennen der Zauberer, um die Auf-
klärung zu hindern, und die Hierarchie zu befestigen. Die Richter in Deutschland
zogen gerne wider die Hexen zu Felde, weil es ansehnlichen Verdienst gab. In
unserem Vaterland sind auch außer Streit die mehresten Hexen verbrannt worden.
Es nahm auch nach der Reformation kein Ende, theils weil D. Luther selbst an
solchen Unsinn glaubte, theils weil die Rechtsgelehrten ungern die reiche Einnahme
verlieren wollten.“
1793 erst, nach der endgültigen Aufteilung Polens, fanden in diesem Land die
Hexenprozesse ein Ende.
1850 wurde im Arrondissement Lourdes (Frankreich) eine alte Frau von aber-
gläubischen Dorfbewohnern im Backofen zu Tode geröstet; man hielt sie für eine
gefährliche Hexe.
1874 verbrannten Bürger der mexikanischen Stadt San Juan de Jacobo eine
Frau Mendora und ihren Sohn als angebliche Zauberer.
Um 1893 war in Eilenburg (Pr.) ein Ehepaar angeklagt, weil es von einer Frau
behauptet hatte, sie könnte hexen und die Gestalt eines schwarzen Katers annehmen.
Die Angeklagten wollten mit Hilfe von Zeugen den Wahrheitsbeweis für ihre Ver-
leumdung antreten; der Richter antwortete ihnen, sie seien um rund 200 Jahre zu
spät geboren.
Um 1895 wurde in Boltygadden (Irland) eine junge Frau namens Bridget Cherry,
die an Influenza litt, von ihren Verwandten langsam über offnem Feuer gebraten;
man wollte ihr den Teufel austreiben. Die Kranke starb unter furchtbaren Qualen.
1907 ließ der Gemeindevorstand von Schönefeld bei Pillnitz (Sa.), also eine
Behörde, aus dem benachbarten Dorf einen „Hexenmeister“ holen, der das er-
krankte Vieh kurieren sollte. — Im gleichen Jahr wurde in Hohensalza eine Witwe
von einem Arbeiterehepaar halbtot geschlagen, weil sie die Ehefrau angeblich krank
gehext hatte.
1926 verübten in Japan rund 800 Mädchen der gebildeten Stände im Alter
von 21 Jahren Selbstmord. Sie glaubten, daß ihr Geburtsjahr 1905 ein „Hinoe-uma“-
Jahr (Unglücksjahr) sei und daß sie deshalb für die Ehe untauglich wären.
Im Februar 1933 hat in Brockdorf bei Vechta (Oldenburg) ein Händler so-
genannte „Hexenlisten“ vertrieben; sie enthielten zahlreiche Namen harmloser
Frauen, die das Vieh verzaubert haben sollten, und fanden reißenden Absatz.
Grobe Tätlichkeiten und Strafanträge der Beschuldigten waren die Folge. Vor
Gericht wollten die Anhänger des betrügerischen Händlers einen umständlichen
Wahrheitsbeweis führen.
Ende 1933 war Berlin-Spandau der Schauplatz eines „Hexenprozesses“. Dort
gelang es einer adeligen „Dame“ im Alter von 60 Jahren, viele Arbeiter und Bürger
durch tolle Hexenkunststückchen um ansehnliche Beträge zu prellen. Schließlich
wurde die Betrügerin „Haushexe“ bei einem Laternenanzünderehepaar, dem sie
300 Mark abknöpfte. Der Mann erstattete Anzeige, und das zuständige Gericht
verurteilte die „Hexe“ zu 15 Monaten Gefängnis. £
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