Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 14.1934
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0317
DOI Heft:
Heft 4 - Berlin
DOI Artikel:Schwarz, Georg: Profil Sahms
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haupt der gezwungenermaßen Freien Stadt Danzig: „Das kleinste Land
Europas leistet sich den Luxus, den größten aller Präsidenten zu haben“,
so meinte das Vorstadtwochenblatt, das seine bedächtig überlegende Art
„lang-sahm“ nennt (der Abonnent des Blättchens hat dabei pflicht-
schuldigst in ein herzhaftes Gelächter auszubrechen), der Oberbürger-
meister müsse eigentlich „Lang-Sahm“ heißen.
Heinrich Sahm, der aus Anklam in Pommern stammt, wo er als Sohn
eines Kaufmanns geboren wurde und auch das Gymnasium besucht hat,
trägt als Erbe seiner Heimat einen Schuß Schwere im Blut; Schwere der
Bedächtigkeit, die ihm in schwierigen Situationen jene gelassene Über-
legenheit gibt, die wirkliche Größe ausmacht. Es ist die ruhige Sicherheit
eines ausgeglichenen Temperaments, dem sich schon als Student die Er-
kenntnis aufgeschlossen hatte: „Sei ökonomisch mit deinen Kräften, ver-
liere dich nicht in Kleinigkeiten!“
Die Aufgabe für ihn ist zunächst beharrliche, bienenfleißige Arbeit, das
Ziel ein Wirkungskreis in der kommunalen Verwaltung. Der Sieben-
undzwanzigjährige macht 1904 seinen Assessor, bringt in Stettin die erste
Etappe des Kommunaldienstes hinter sich und sitzt bereits zwei Jahre
später als Stadtrat im Magistrat von Magdeburg. Nach abermals sechs
Jahren scheint ihm das amerikanische Tempo des westfälischen Industrie-
reviers sinnvollere Triebkraft für seinen Arbeitseifer zu sein: die Stadt
Bochum wählt ihn zum Bürgermeister.
Inzwischen kam der Krieg, und man weiß die umsichtige Tätigkeit
des Bürgermeisters der wichtigen Kohlenstadt für eine noch wichtigere
Aufgabe einzusetzen. Im August 1915 schickte das Reichsamt des Innern
den bewährten Verwaltungsmann nach Warschau, wo er bei der gouver-
nementalen Zivilbehörde das Kommunalreferat verwaltete und die müh-
selige Aufgabe hatte, die von aller Zufuhr aus dem kriegsdurchtobten
Hinterlande abgeschnittene Hauptstadt Russisch-Polens mit den nötigen
Lebensmitteln zu versorgen. Der ernste, zielstrebige Mann hat seine Auf-
gabe sicher nicht leicht genommen. (Grund genug dafür, daß ihn die
Entente nach Kriegsschluß auf die Liste der auszuliefernden Kriegs-
,,Verbrecher“ setzte.) Im Juli 1918 übernahm Sahm das Amt des Ge-
schäftsführers des Deutschen und Preußischen Städtetages; Nachfolger
seines Freundes Luther, des heutigen deutschen Botschafters in Washington.
Bis zum Abschluß dieser Tätigkeit läßt sich der Werdegang dieses
geschickten und befähigten Kommunalpolitikers vielleicht als eine er-
leichterte Ochsentour bezeichnen; noch fehlt diesem Weg das Einmalige,
das Besondere, das den, der ihn gegangen ist, auf die steilen Höhen des
kämpferischen Lebens führt, wo die großen Entscheidungen fallen. Sahms
Aufstieg begann erst! Wenige Monate nach dem Ende des Weltkrieges
wählte ihn die reichsdeutsche Stadt Danzig zu ihrem Oberbürgermeister,
und von nun an stand der, der bis dahin seinen Acker emsig in der Stille
bestellt hatte, im hellen Rampenlicht des großen Welttheaters. Sahm
wagte den Wurf um Danzig, obgleich ihm ein hoher Beamter dringend
abgeraten hatte, sich zu bewerben: „Tun Sie’s nicht! Danzig soll polnisch
werden! Sie werden zerrieben!“
Nun, der Pommer mit dem festen Willen ließ sich nicht zerreiben,
obwohl er jetzt nicht mehr ausschließlich Kommunalfachmann war, sondern
in die viel verantwortungsvollere Stellung eines internationalen Unter-
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Europas leistet sich den Luxus, den größten aller Präsidenten zu haben“,
so meinte das Vorstadtwochenblatt, das seine bedächtig überlegende Art
„lang-sahm“ nennt (der Abonnent des Blättchens hat dabei pflicht-
schuldigst in ein herzhaftes Gelächter auszubrechen), der Oberbürger-
meister müsse eigentlich „Lang-Sahm“ heißen.
Heinrich Sahm, der aus Anklam in Pommern stammt, wo er als Sohn
eines Kaufmanns geboren wurde und auch das Gymnasium besucht hat,
trägt als Erbe seiner Heimat einen Schuß Schwere im Blut; Schwere der
Bedächtigkeit, die ihm in schwierigen Situationen jene gelassene Über-
legenheit gibt, die wirkliche Größe ausmacht. Es ist die ruhige Sicherheit
eines ausgeglichenen Temperaments, dem sich schon als Student die Er-
kenntnis aufgeschlossen hatte: „Sei ökonomisch mit deinen Kräften, ver-
liere dich nicht in Kleinigkeiten!“
Die Aufgabe für ihn ist zunächst beharrliche, bienenfleißige Arbeit, das
Ziel ein Wirkungskreis in der kommunalen Verwaltung. Der Sieben-
undzwanzigjährige macht 1904 seinen Assessor, bringt in Stettin die erste
Etappe des Kommunaldienstes hinter sich und sitzt bereits zwei Jahre
später als Stadtrat im Magistrat von Magdeburg. Nach abermals sechs
Jahren scheint ihm das amerikanische Tempo des westfälischen Industrie-
reviers sinnvollere Triebkraft für seinen Arbeitseifer zu sein: die Stadt
Bochum wählt ihn zum Bürgermeister.
Inzwischen kam der Krieg, und man weiß die umsichtige Tätigkeit
des Bürgermeisters der wichtigen Kohlenstadt für eine noch wichtigere
Aufgabe einzusetzen. Im August 1915 schickte das Reichsamt des Innern
den bewährten Verwaltungsmann nach Warschau, wo er bei der gouver-
nementalen Zivilbehörde das Kommunalreferat verwaltete und die müh-
selige Aufgabe hatte, die von aller Zufuhr aus dem kriegsdurchtobten
Hinterlande abgeschnittene Hauptstadt Russisch-Polens mit den nötigen
Lebensmitteln zu versorgen. Der ernste, zielstrebige Mann hat seine Auf-
gabe sicher nicht leicht genommen. (Grund genug dafür, daß ihn die
Entente nach Kriegsschluß auf die Liste der auszuliefernden Kriegs-
,,Verbrecher“ setzte.) Im Juli 1918 übernahm Sahm das Amt des Ge-
schäftsführers des Deutschen und Preußischen Städtetages; Nachfolger
seines Freundes Luther, des heutigen deutschen Botschafters in Washington.
Bis zum Abschluß dieser Tätigkeit läßt sich der Werdegang dieses
geschickten und befähigten Kommunalpolitikers vielleicht als eine er-
leichterte Ochsentour bezeichnen; noch fehlt diesem Weg das Einmalige,
das Besondere, das den, der ihn gegangen ist, auf die steilen Höhen des
kämpferischen Lebens führt, wo die großen Entscheidungen fallen. Sahms
Aufstieg begann erst! Wenige Monate nach dem Ende des Weltkrieges
wählte ihn die reichsdeutsche Stadt Danzig zu ihrem Oberbürgermeister,
und von nun an stand der, der bis dahin seinen Acker emsig in der Stille
bestellt hatte, im hellen Rampenlicht des großen Welttheaters. Sahm
wagte den Wurf um Danzig, obgleich ihm ein hoher Beamter dringend
abgeraten hatte, sich zu bewerben: „Tun Sie’s nicht! Danzig soll polnisch
werden! Sie werden zerrieben!“
Nun, der Pommer mit dem festen Willen ließ sich nicht zerreiben,
obwohl er jetzt nicht mehr ausschließlich Kommunalfachmann war, sondern
in die viel verantwortungsvollere Stellung eines internationalen Unter-
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