Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI issue:
Heft 6/7 - Ferien und Reisen
DOI article:
Schwarz, Georg: Thos. Cook, Son and Grandchild
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0506

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Tat seinen Segen in Gestalt eines Leitartikels der „Times“ empfing — doch
was war dies alles gegen die hochbedeutsame Tatsache des Einsatzes der Welt-
firma zugunsten der hohen Politik.
Das geschah in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, damals, als
der Mahdi den gesamten Sudan mit seinem Blutbann belegte — als Jungen
kannten wir für den Mahdi-Aufstand keine wundervollere Quelle als Karl May
— und es sogar fertiggebracht hatte, den englischen General Gordon-Pascha
mit seiner Truppenmacht in Khartum einzuschließen. Cook mußte her, und
Entsatz mußte hin! Mit Mann und Roß und Wagen schiffte sich das Be-
freiungsheer auf 55 Dampfern und 650 Segelschiffen unter dem Union Jack
und Cooks Kontorflagge ein; doch damit nicht genug. Das prompt funk-
tionierende Reisebüro hatte nicht nur 5000 Arbeiter eingespannt, um die ge-
waltige Aufgabe bewältigen zu können, sondern auch noch 13 000 Eisenbahn-
wagen für den Transport der Truppen bereitgestellt. Von ihm aus ging alles
klar! Bloß der Mahdi machte die großangelegte Rettungsaktion für Gordon
illusorisch.
Der Entsatz fand Khartum dem Erdboden gleichgemacht; General und
Besatzung waren niedergemetzelt worden. Später hatten die Cooks — inzwischen
war die Firma auf den Sohn und den Enkel des Begründers übergegangen —
wenigstens die Genugtuung, Slatin-Pascha, der zwölf Jahre der Gefangene des
Mahdi gewesen war und dem die Flucht nach London glückte, seinen Säbel,
den ihm die fanatischen Derwische bei seiner Gefangennahme abgenommen
hatten, in die Hände zurückgeben zu können. Ein zerlumpter, backschisch-
hungriger Beduine, der die Waffe irgendwo gefunden hatte, wußte sie nie-
mandem Besseren anzudrehen als der Cook-Office in Assuan.
Frank Cook, der Enkel (von Angesicht Ramses dem Großen ähnlich, der
im Glaskasten des Museums m Kairo sitzt), im Jahre 1929 aus der Firma
ausgeschieden, um seine alten Tage in Ruhe auf seinem englischen Landsitz
zu verbringen, führte um die Jahrhundertwende die Karawane des Deutschen
Kaisers auf der Palästinareise von Haifa nach Jerusalem. Alles klappte aus-
gezeichnet, wenn es auch keine Kleinigkeit war, die große kaiserliche Reise-
gesellschaft auf den ungebahnten Wegen reibungslos in die Heilige Stadt zu
bringen, über tausend Pferde und Kamele waren dabei aufgeboten worden,
und ebenso viele heftig gestikulierende und orientalisch beredsame einheimische
Arbeitskräfte mußten mit vielen Flüchen immer wieder zur Räson gebracht
werden, damit die hohen Herrschaften keinen Grund hatten zu klagen. Bloß
die Behörden von Haifa jammerten und beschworen Frank Cook beim Barte
des Propheten, ihnen für jeden Preis eine Kanone zu beschaffen, zum Salut-
schießen. Es soll das einzige Mal in der Praxis des Hauses gewesen sein, daß
es der Erfüllung eines an Thos. Cook & Son gerichteten Wunsches nicht
mächtig war.
Nach all diesen Eindrücken läßt sich die von Frank Cook mit einem Auguren-
lächeln gegebene Antwort an einen Reporter verstehen, der den Enkel gerade
in den letzten Tagen seines Wirkens für die Firma fragte, ob er die nun endlich
gewonnene Ruhe mit Reisen auszufüllen gedenke: „Reisen? Zum Vergnügen?
Wer? Ich?-Mein lieber Herr . . .!“
*

342
 
Annotationen