Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 14.1934
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0603
DOI Heft:
Heft 8/9 - Utopie U.A.M
DOI Artikel:Campanella, Tommaso: Aus Thomas Campanella: Liebe und Ehe im Sonnenstaat
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0603
Alles ist Gemeingut: die Zuteilung aber ist Sache der obrigkeit-
lichen Behörden. Die Wissenschaft jedoch, die Ehrenstellen und
die Lebensgenüsse sind in der Art gemeinschaftlich, daß keiner
sich vor den anderen etwas aneignen kann. Sie behaupten, daß
die Idee des Eigentums bei uns nur dadurch habe aufkommen
können, weil wir individuelle Heimstätten und eigene Kinder und
Gattinnen haben . . .
Kein Mann darf sich mit einem Weibe fleischlich vermischen,
bevor sie das neunzehnte Jahr erreicht hat. Und der Mann darf
dem Zeugungsgeschäfte nicht obliegen, wenn er das einund-
zwanzigste Jahr noch nicht angetreten hat. Vor dieser Zeit ist
einigen der Beischlaf gestattet, aber nur mit Unfruchtbaren oder
Schwangeren, damit sie nicht auf unnatürlichem Wege Befriedi-
gung ihrer Leidenschaft suchen . . .
Dagegen werden diejenigen, welche sich des Beischlafes bis
zum einundzwanzigsten Jahre enthalten, und noch mehr die-
jenigen, die das bis zum siebenundzwanzigsten Jahre tun, durch
Ehrenbezeigungen gefeiert und durch Lieder in öffentlichen Ver-
sammlungen besungen . . .
Bei den gymnastischen Spielen und Übungen auf der Palästra.
dem Ringkampfplatze, sind Männer und Frauen nach der Mreise
der antiken Lazedämonier völlig nackt, und die inspizierenden
Magistratspersonen erkennen deshalb, wer zeugungsfähig, wer
impotent ist, welche Männer und Frauen ihrem Gliederbau nach
am besten zusammenpassen . . .
Große und schöne Frauen werden nur mit großen, wohl-
gebauten Männern gepaart; die beleibten Frauen mit mageren
Männern; umgekehrt werden schlanke Frauen für starkleibige
Männer aufbewahrt, damit aus der Mischung ihrer Temperamente
eine vortrefflich geartete Rasse hervor gehe .. .
In den Schlafzimmern sind schöne Bildsäulen erlauchter
Männer angebracht, welche die Frauen betrachten. Den Blick
durchs Fenster zum Himmel gerichtet, bitten sie Gott, daß er
ihnen herrlichen Nachwuchs verleihe. Sie schlafen in zwei ge-
trennten Kammern, bis zur Stunde ihrer Vereinigung; zur be-
stimmten Zeit öffnet eine Matrone die beiden Türen von außen.
Diese Stunde bestimmen der Arzt und der Astrolog . . .
Die Solarier glauben, daß eine vortreffliche Körperanlage, aus
der die Tugenden sprießen, nicht hinterher durch künstliche Be-
mühungen erworben werden könne . . . Darum müsse man auf
die Nachkommenschaft und ihre Erziehung die höchste Sorgfalt
verwenden, und die angeborenen natürlichen Eigenschaften
müssen aufs gründlichste erwogen werden. Mitgift und Adels-
prädikate seien durchaus trügerische Anzeichen . . .
Die schwanger Gewordenen enthalten sich während vierzehn
Tagen alles Gehens. Dann nehmen sie nach und nach leichte
Leibesübungen vor, um auf die Leibesfrucht heilsam einzu-
wirken . . . Sie essen nur dasjenige, was ihnen nach Vorschrift
ihrer Ärzte am zuträglichsten ist. Nachdem sie geboren haben,
stillen sie die Kinder selbst und erziehen sie in gemeinschaftlichen
407
lichen Behörden. Die Wissenschaft jedoch, die Ehrenstellen und
die Lebensgenüsse sind in der Art gemeinschaftlich, daß keiner
sich vor den anderen etwas aneignen kann. Sie behaupten, daß
die Idee des Eigentums bei uns nur dadurch habe aufkommen
können, weil wir individuelle Heimstätten und eigene Kinder und
Gattinnen haben . . .
Kein Mann darf sich mit einem Weibe fleischlich vermischen,
bevor sie das neunzehnte Jahr erreicht hat. Und der Mann darf
dem Zeugungsgeschäfte nicht obliegen, wenn er das einund-
zwanzigste Jahr noch nicht angetreten hat. Vor dieser Zeit ist
einigen der Beischlaf gestattet, aber nur mit Unfruchtbaren oder
Schwangeren, damit sie nicht auf unnatürlichem Wege Befriedi-
gung ihrer Leidenschaft suchen . . .
Dagegen werden diejenigen, welche sich des Beischlafes bis
zum einundzwanzigsten Jahre enthalten, und noch mehr die-
jenigen, die das bis zum siebenundzwanzigsten Jahre tun, durch
Ehrenbezeigungen gefeiert und durch Lieder in öffentlichen Ver-
sammlungen besungen . . .
Bei den gymnastischen Spielen und Übungen auf der Palästra.
dem Ringkampfplatze, sind Männer und Frauen nach der Mreise
der antiken Lazedämonier völlig nackt, und die inspizierenden
Magistratspersonen erkennen deshalb, wer zeugungsfähig, wer
impotent ist, welche Männer und Frauen ihrem Gliederbau nach
am besten zusammenpassen . . .
Große und schöne Frauen werden nur mit großen, wohl-
gebauten Männern gepaart; die beleibten Frauen mit mageren
Männern; umgekehrt werden schlanke Frauen für starkleibige
Männer aufbewahrt, damit aus der Mischung ihrer Temperamente
eine vortrefflich geartete Rasse hervor gehe .. .
In den Schlafzimmern sind schöne Bildsäulen erlauchter
Männer angebracht, welche die Frauen betrachten. Den Blick
durchs Fenster zum Himmel gerichtet, bitten sie Gott, daß er
ihnen herrlichen Nachwuchs verleihe. Sie schlafen in zwei ge-
trennten Kammern, bis zur Stunde ihrer Vereinigung; zur be-
stimmten Zeit öffnet eine Matrone die beiden Türen von außen.
Diese Stunde bestimmen der Arzt und der Astrolog . . .
Die Solarier glauben, daß eine vortreffliche Körperanlage, aus
der die Tugenden sprießen, nicht hinterher durch künstliche Be-
mühungen erworben werden könne . . . Darum müsse man auf
die Nachkommenschaft und ihre Erziehung die höchste Sorgfalt
verwenden, und die angeborenen natürlichen Eigenschaften
müssen aufs gründlichste erwogen werden. Mitgift und Adels-
prädikate seien durchaus trügerische Anzeichen . . .
Die schwanger Gewordenen enthalten sich während vierzehn
Tagen alles Gehens. Dann nehmen sie nach und nach leichte
Leibesübungen vor, um auf die Leibesfrucht heilsam einzu-
wirken . . . Sie essen nur dasjenige, was ihnen nach Vorschrift
ihrer Ärzte am zuträglichsten ist. Nachdem sie geboren haben,
stillen sie die Kinder selbst und erziehen sie in gemeinschaftlichen
407