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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI Heft:
Heft 8/9 - Utopie U.A.M
DOI Artikel:
Fülöp-Miller, René: Sabbatai Zewi, der "König der Juden"
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0620

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mit Konfitüren und Blumen, an seiner Seite geht, mit dem gan-
zen Stolz einer Königin, die Dirne Sarah. Und während Tausende
für ihn den Mischeberach beten, schlägt er verklärten Gesichtes
mit seinem Stab siebenmal gegen das Tabernakel und begeht
so die mystische „Vermählung mit der Thora“.
Von weit und breit sind Gläubige in Massen herangepilgert,
und ehrfürchtig bestaunen sie die Krönungsprozession, die sich
psalmensingend und tanzend durch die Straßen bewegt. Von
jetzt an unterzeichnet der neue Messias seine Dekrete, die durch
Sendboten an alle jüdischen Gemeinden weiterbefördert wer-
den, mit der stolzen Formel: „Ich, der Herr, euer Gott, Sabbatai
Zewi.“
Unausgesetzt laufen in seiner Kanzlei von kostbaren Ge-
schenken begleitete Huldigungsschreiben und Loyalitätskund-
gebungen ein, die ihn in ehrfürchtigen Wendungen als den
Messias begrüßen. Denn die Judenschaft der ganzen Welt blickt
in äußerster Verzückung auf die ferne orientalische Stadt, wo
Sabbatai Zewi, der Erlöser, in Herrlichkeit residiert.
Als die Judenschaft Smyrnas den Messias Sabbatai Zewi mit
königlichen Ehren überhäufte, kam es bald zu so mächtigen
Kundgebungen, daß der Sultan ernsthaft einen jüdischen Auf-
stand befürchtete. Der Growesir ließ Sabbatai Zewi deshalb
kurzerhand verhaften und stellte ihn vor die Wahl, entweder
den Märtyrertod auf sich zu nehmen oder aber öffentlich zum
Islam überzutreten und Türhüter im Serail zu Konstantinopel
zu werden.
Ohne langes Überlegen entschied sich der gottgesandte
Messias der Juden gegen das Martyrium und für die gutdotierte
Stelle eines kaiserlichen Türhüters. Im Angesicht des Padischah
legte er feierlich die Insignien seiner Herrscherwürde ab, be-
kannte sich zum Koran, vertauschte die Judenmütze mit dem
Turban, und eine kurze Umkleideszene hinter einem Wand-
schirm machte den bisherigen „König von Israel“ zum Serail-
bediensteten in buntem türkischem Seidengewand.
Die Erwartung des Großwesirs, daß nach einem solchen Ver-
rat und seiner so offenkundigen Demütigung die jüdischen
Massen von Sabbatai Zewi abfallen würden, erwies sich jedoch
als trügerisch. Der Glaube, der den Sohn des Geflügelhändlers
einmal zum Messias geweiht hatte, blieb ihm treu, auch nach-
dem er selbst seine Berufung verleugnet hatte.
Was konnte es auch die auf die Erfüllung ihres National-
traumes Hoffenden anfechten, daß ihr neuer König David sich
zum Islam bekannt hatte und Serailbeamter geworden war?
Gab es denn nicht auch dafür eine biblische Weissagung? Hatte
doch Moses, der Schöpfer von Israels Größe, eine Zeit am Hofe
des Pharao geweilt und die Gewandung der Ägypter getragen!

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