Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt
— 14.1934
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0784
DOI issue:
Heft 11/12 - Zirkus und Varité
DOI article:Starke, Ottomar: Rudolf Wilke
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0784
zuzeichnen versteht, daß man ihm von seinem ganzen Geschwafel
keinen Buchstaben mehr glaubt.
Wir wollen heute und hier ganz ohne äußeren, aber dafür aus
um so größerem innerem Anlaß desjenigen Künstlers gedenken,
der in der Ewigkeit gleich neben dem unsterblichen Wilhelm
Busch Quartier bezogen hat. Die Deutschen waren stets als
Zeichner bedeutender denn als Maler, aber trotzdem hat es wenig
Karikaturisten gegeben. Wir kennen aber außer Busch keinen,
der mit solcher Treffsicherheit den kitzligen Punkt irgendeines
Modells herausgefunden und so wiedergegeben hätte wie Rudolf
Wilke. Seine Zeichnungen sind treffend geschriebene Bio-
graphien. Besonders die Lumpen und Vagabunden hat der
Künstler in sein Herz geschlossen. Sein Album „Gesindel“ ist
das unterhaltsamste und auch nachdenklichste Bilderbuch deut-
schen Humors. Und wenn wir mit Wilke in die Elendsquartiere
hinabsteigen, wenn wir in seinen merkwürdig gesehenen Land-
schaften von Schutt- und Abfallhaufen herumlaufen, wenn wir
ganz aus der Nähe seine Lieblinge, verlauste Strolche und ver-
hungerte Pennbrüder, betrachten, dann lesen wir zwischen dem
Gekritzel sein Mitleid für die gesamte arme Kreatur, und wir
verstehen das Wort Jean Paul Friedrich Richters: „Uber die
Menschen soll nur lachen, wer sie recht herzlich liebt.“
Ottomar Starke
keinen Buchstaben mehr glaubt.
Wir wollen heute und hier ganz ohne äußeren, aber dafür aus
um so größerem innerem Anlaß desjenigen Künstlers gedenken,
der in der Ewigkeit gleich neben dem unsterblichen Wilhelm
Busch Quartier bezogen hat. Die Deutschen waren stets als
Zeichner bedeutender denn als Maler, aber trotzdem hat es wenig
Karikaturisten gegeben. Wir kennen aber außer Busch keinen,
der mit solcher Treffsicherheit den kitzligen Punkt irgendeines
Modells herausgefunden und so wiedergegeben hätte wie Rudolf
Wilke. Seine Zeichnungen sind treffend geschriebene Bio-
graphien. Besonders die Lumpen und Vagabunden hat der
Künstler in sein Herz geschlossen. Sein Album „Gesindel“ ist
das unterhaltsamste und auch nachdenklichste Bilderbuch deut-
schen Humors. Und wenn wir mit Wilke in die Elendsquartiere
hinabsteigen, wenn wir in seinen merkwürdig gesehenen Land-
schaften von Schutt- und Abfallhaufen herumlaufen, wenn wir
ganz aus der Nähe seine Lieblinge, verlauste Strolche und ver-
hungerte Pennbrüder, betrachten, dann lesen wir zwischen dem
Gekritzel sein Mitleid für die gesamte arme Kreatur, und wir
verstehen das Wort Jean Paul Friedrich Richters: „Uber die
Menschen soll nur lachen, wer sie recht herzlich liebt.“
Ottomar Starke