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Böker, Doris [Editor]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 19): Landkreis Cuxhaven — Braunschweig, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44259#0025

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lung in Höfeklassen, wie sie für die Geestsiedlungen üblich war, geht auf die verstärkte Ein-
führung von Diensten während des 16.Jh. zurück. Zu diesem Zweck wurden die Höfe
durch die Obrigkeit entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit klassifiziert. Die bäuerliche Mit-
tel- und Oberschicht rekrutierte sich aus den Voll- und Halberbenhöfen, die in bevorzugter
Wohn- und Wirtschaftslage des Dorfes angesiedelt waren. Sie gehören der älteren mittelal-
terlichen Siedlerschicht an, während die sogenannten Groß- oder Pflugkötner die etwas
jüngere Viertelerbenschicht bildeten. Auch sie konnten ihren Lebensunterhalt noch voll-
ständig aus der Landwirtschaft bestreiten. Im Zuge der starken Bevölkerungszunahme seit
dem 16.Jh. kam es auch zu einer verstärkten Ansiedlung sogenannter Markkötner (Klein-
kötner), die ihr Haus in den ihnen zugewiesenen Flächen in der Gemeinheit (Mark) bauten
und das dortige Land kultivierten. In den geschlossenen Dörfern erhielten gleichzeitig so-
genannte Brinksitzer, die ihre Häuser am Dorfrand bzw. auf dem Brink errichten durften,
Wohnplätze. Außer einem kleinen Grundstück am Hause oder auf gemeindeeigenem Ge-
biet besaßen die Brinksitzer zunächst kein eigenes Ackerland. Bis zum 18.Jh. gelang es je-
doch denjenigen, die ein Handwerk oder eine andere nicht agrarische Tätigkeit ausübten,
Ackerstücke zu erwerben, so daß sie teilweise besser als manche Kötner ausgestattet wa-
ren. In Flögeln beispielsweise wurden die Brinksitzer ab 1750 in die Dorfschaft aufgenom-
men, d.h. sie erhielten Landbesitz und die Gemeinheitsberechtigung. 1817 gliederte sich
Flögeln in vier Vollhöfe mit sieben Hektar Acker und acht Hektar Wiese im Durchschnitt
(entsprechend die folgenden Hektarangaben), sechs Zweidrittelhöfe (5 ha Acker, 4 ha Wie-
se), 15 Halbhöfe (je 4 ha Acker und Wiese), neun Eindrittelhöfe (Kötner; 3 ha Acker, 2 ha
Wiese) und 13 Einsechstelhöfe (Brinksitzer; 1,5 ha Acker, 0,3 ha Wiese). Dazu kamen fünf
Häusler (Häuslinge oder Heuerlinge). In Langen wurden z.B. 1710 zwei Voll-, neun Halbhö-
fe, 12 Kötner, acht Brinksitzer und drei Häuslinge registriert, die die unterste soziale Schicht
des Dorfes bildeten. Sie arbeiteten auf den Höfen, durften dafür etwas Pachtland bewirt-
schaften und waren mietfrei in Altenteilerhäusern, Nebengebäuden bzw. auf den größeren
Höfen in Heuerlingshäusern untergebracht. Während des 18. bis ins 19.Jh. hinein stieg ihre
Zahl einschließlich der neuangesiedelten An- und Abbauern stark an, so daß die zur Verfü-
gung stehende Nähr- und Futterfläche nicht mehr ausreichte und zur Verarmung der döÖrfli-
chen Unterschichten führte. Neben den Agrarreformen des 19.Jh., die einen durchgreifen-
den Wandel der bäuerlichen Besitzverhältnisse brachten, wirkten sich in der zweiten Hälfte
des 19.Jh. u.a. die Industrialisierung und der Ausbau des Straßen- und Eisenbahnnetzes
auf das Aussehen und das Wachstum der Dörfer aus (25.1.1862 Eröffnung der Bahn Bre-
men-Geestemünde; 1881 Fertigstellung der Strecke Harburg-Cuxhaven; 1.1.1899 Eröff-
nung der Strecke Geestemünde-Bremervörde-Stade). Zunächst profitierten vor allem die
Bahnhofsgemeinden von der in der Gründerzeit einsetzenden Wirtschaftsbelebung, indem
sich hier Vieh-, Landhandelsgeschäfte, Gaststätten etc. niederließen. Oft bildete der Bahn-
hof den Ausgangspunkt für eine Ausdehnung der Besiedlung. Besonders nachhaltigen
Einfluß übten ferner die rasch anwachsenden Städte (Bremerhaven, Cuxhaven) auf die
umliegenden Dörfer aus.

Verkehrsabgelegene Dörfer wie Altwistedt, Ahe oder Wellen zeigen bis heute ein kaum ver-
ändertes Dorfbild, wie es noch für zahlreiche kleine Geestsiedlungen charakteristisch ist:
Ihre Struktur wird durch die unregelmäßige Anordnung von Hofanlagen auf unterschiedlich
zugeschnittenen Parzellen bestimmt, die durch schmale Straßen erschlossen werden. Da-
gegen lassen z.B. die durch ihre Nähe zu Bremerhaven zu Pendlergemeinden geworde-
nen Orte Spaden, Langen und Loxstedt kaum noch ihre ursprüngliche Grundrißgestalt er-
kennen.

Zur weiteren Gliederung der Grundmoränenlandschaft trug die Bildung von Hochmooren
bei, deren Entstehung alleine vom Niederschlagswasser abhängig ist. Sie bildeten sich
während des jüngeren Atlantikums (etwa 3000 v. Chr.) infolge der durch den Meeresspie-
gelanstieg geänderten klimatischen Verhältnisse. Neben kleinen, heute durch Kultivierung
zum größten Teil in Grünland überführten Moorflächen finden sich noch mehrere große Ge-
biete, z.B. am Dahlemer, Flögelner, Sellstedter und Bülter See sowie im Hymenmoor. In
den siedlungsfeindlichen Mooren wurden erst ab der Mitte des 18.Jh. im Rahmen einer
planmäßigen Kolonisation Siedlungen angelegt. Die typische Struktur eines Moorhufendor-
fes mit den entlang einem Entwässerungskanal aufgereihten Hofanlagen, an die sich un-
mittelbar die schmalen Streifenparzellen anschließen, spiegelt z.B. das 1829 angelegte Hy-
mendorf bis heute wider.

Die seit dem Frühmittelalter betriebene Plaggenwirtschaft und der stetig steigende Holz-
verbrauch, der im Elbe-Weser-Dreieck im Zusammenhang mit dem Holzbedarf für den
Deich- und Schiffbau sowie die Versorgung der angrenzenden holzarmen Marsch- und
Moorgebiete zu verstehen ist, führte seit dem Mittelalter zu einer starken Ausdehnung von
Heideflächen und einer ständig zunehmenden Waldverwüstung. Sie erreichte ihren Höhe-
punkt im 17.Jh. und erstreckte sich bis in die 1. Hälfte des 18.Jh. Dennoch waren auch in



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