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Böker, Doris [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 19): Landkreis Cuxhaven — Braunschweig, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44259#0033

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Baugeschichtlicher Überblick

SAKRALARCHITEKTUR

Nach der Gründung des Erzbistums Bremen-Hamburg 848 konnte sich das Christentum
und mit ihm der Ausbau eines flächendeckenden Netzes von Pfarrkirchen zunächst nur z6ö-
gernd etablieren. Erst nach etwa 1100, als im Zuge der sogenannten zweiten Christianisie-
rung die christliche Lehre schließlich weite Verbreitung und Anerkennung fand, setzte eine
rege Kirchenbautätigkeit ein. Bis zur Mitte des 13.Jh. hatte sich die Mehrzahl der Kirchorte
im heutigen Landkreis Cuxhaven herausgebildet. Zu den frühesten kirchlichen Mittelpunk-
ten, für die es Hinweise auf eine Gründung im 9./10.Jh. gibt, gehören auf der Geest Lam-
stedt, Bramstedt, Beverstedt und Debstedt. Für die Kirchen in Dorum, Midlum und Wre-
men konnte durch Grabungen die Existenz von auf Feldsteiniundamenten gegründeten
Holzkirchen nachgewiesen werden, deren Entstehung in der 2. Hälfte des 10.Jh. anzuneh-
men ist. Vermutlich besaß auch Altenwalde einen hölzernen Vorgängerbau der 2. Hälfte
des 10.Jh. Ein Indiz auf eine frühe Kirchengründung können bisweilen bestimmte Patrozini-
en geben. Vom 9. bis 11.Jh. treten z.B. häufig die Patrozinien Nikolaus (z.B. Nordleda, Al-
tenbruch), Dionys (Debstedt) und Willehad (Wremen, Ihlienworth) auf.

In der kirchlichen Architektur setzte sich im 12.Jh. der Massivbau durch, wobei sich für die
in rascher Folge erstellten Kirchen als einheitlicher Typ der schlichte, von einer Holzbalken-
decke geschlossene Rechtecksaal mit eingezogenem rechteckigem oder quadratischem
Chor herausbildete, der mit dem Schiff durch einen niedrigen Bogen verbunden ist. Exem-
plare dieses Typs aus dem Ende des 12. bzw. dem 13.Jh. sind im Land Hadeln z.B. in Al-
tenbruch, Belum, Lüdingworth, Ihlienworth und Nordleda vertreten; im Land Wursten in
Midium, Wremen, Mulsum, Padingbüttel und Misselwarden; auf der Geest in Bexhövede,
Ringstedt und Wulsbüttel. Apsiden, wie sie für die friesischen Kirchen charakteristisch sind,
finden sich nur selten. Nachgewiesen sind halbrunde Choranlagen lediglich für Nordleda
(Anf. 13.Jh.) und Osterbruch (um 1200). Während in den romanischen Kirchen Hadelns
und Wurstens Gewölbe im Schiff fehlen, besitzt die Kirche von Bexhövede (Weihe zwi-
schen 1178 und 1184) sowohl im Chor als auch im Schiff Kreuzgratgewölbe. Die Chorräu-
me der Wurster Kirchen sind mit Ausnahme von Midlum und Spieka (Weihedatum 1319),
zumeist nachträglich, gewölbt. Das Verhältnis der Länge zur Breite beträgt bei den Wurster
Kirchen 1,3-2,1:1 und ist damit von einer mäßigen Streckung geprägt; dagegen sind die
Kirchen auf der Geest und im Süden des Landkreises mit einem Verhältnis von 1,1-1,7:1
nur schwach gestreckt. Die größere Streckung des Raums der Wurster Bauten ist kenn-
zeichnend für Kirchen in friesisch besiedelten Gebieten. Für diese ebenfalls charakteri-
stisch ist die Anordnung der Portale an den Längsseiten, die oft nach Westen verschoben
sind. Neben den Portalen stellen kleine, hochliegende Rundbogenfenster die einzige Glie-
derung des Schiffs dar, das eine Länge von drei bis fünf Fensterachsen umfaßt.



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Padingbüttel, Kirche St. Matthäus, 2. Hälfte 13.Jh., Grundriß (Haiduck, 1979, S. 70)

Als Baumaterial bediente man sich des auf der Geest vorkommenden handlichen Feld-
steins (Granite, Gneise), der ohne Bearbeitung bzw. gespalten, gut geschichtet und in Mu-
schelkalkmörtel eingebettet, in Schalenbauweise verbaut wurde. Aus größeren Granitfind-
lingen richtete man annähernd rechteckige Steine zu, mit denen Gebäudeecken sowie
Fenster- und Portalgewände eingefaßt wurden. Diese einfache Feldsteinbauweise charak-
terisiert insbesondere die Kirchen im Land Hadeln, findet sich aber auch in HolBßel (frühes
13.Jh., 1734 erneuert) und Ringstedt (1. Hälfte 13.Jh.) auf der Geest. Im Land Wursten
stellt die wahrscheinlich noch vor 1200 errichtete Kirche in Midlum ein gut erhaltenes Bei-
spiel von sorgfältig geschichtetem, teilweise gespaltenem Feldsteinmauerwerk mit Gebäu-
dekanten aus geflächten Granitsteinen dar. An der wohl bald nach der Mitte des 13.Jh. er-
richteten Mulsumer Kirche, die weniger als viele der gleich alten Gebäude von den Spuren



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