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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Hinz, Marlice: Die Mode und ihre Requisiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0399

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DER MUFF:

Ehe der Mensch in Urzeiten die Schneiderei er-
fand, das heißt, ehe er die einzelnen Teile seiner
Bekleidung zusammenheftete, drapierLe er sich nur
mit Tierfellen, die Trophäen darstellten, deren
Wertschätzung von der Schwierigkeit ihrer Erlan-
gung abhängig war, mit denen aber zugleich, in
der Vorstellung des Menschen, den Tieren zuge-
schriebene Eigenschaften repräsentiert werden
sollten, die wiederum den Wert, die Bedeutung
und die Verwendung der verschiedenen Pelzarten
bestimmten. Die Verwendung tierischer Pelze hat
sich seitdem in allen Zeiten und bei allen Völkern
erhalten und heute wie immer gilt unter allen
Arten der Bekleidung, die der Mensch in seiner
ewigen Sucht nach Schmuck, Luxus und Raffine-
ment geschaffen hat, die Bekleidung mit Pelzen
als die edelste und kostbarste. Dem entsprechend
ergab sich in früheren Zeiten eine ganz bestimmte
Verwendung der einzelnen Pelzarten: für den
Mantel des Königs, die Mäntel der Ritter, Herzöge
und Pairs, der Universitätsleute, Theologen, Dok-
toren u. a. m., denn immer diente die Kleidung,
sobald sie sich durch Sitte und Gewohnheit vom
Schmuckstück des primitiven Menschen zum Attri-
but und Symbol erhob, zur Kennzeichnung sozia-
ler Unterschiede.

Der Muff, der im 16. Jahrhundert aufkam, stellt
eine Spielerei der Pelzkleidung dar, die in ihrer
Liebenswürdigkeil ein viel gebrauchtes Requisit
der Mode ist. Eine Dissertation aus dem 17. Jahr-
hundert über diesen Gegenstand berichtet: „Der
Muff ist ein Pelz, den man im Winter trägt, um
die Hände darin zu wärmen. Er wurde früher nur
von Frauen getragen, heute aber auch von Män-
nern. Die schönsten Muffs werden aus Marder-
fell angefertigt, die Muffs zum Gebrauch auf dem
Lande aus gewöhnlicherem Material. Um sich
zu verbergen, steckt die Frau ihre Nase in
den Muff. Ein ,chien de Manchon' ist ein
kleiner Hund, den die Damen in ihrem Muff
tragen können."

In dieser Beschreibung ist alles enthalten, was über
den Muff zu sagen ist, und man braucht kaum
hinzuzufügen, daß er seine Bedeutung für alle
Zeiten behalten wird, immer der Mode ent-
sprechend, die ihn gerade jetzt keine allzu große
Rolle spielen läßt, wogegen erinnert werden darf,
welche Bedeutung dem Muff noch bei der Gene-
ration vor uns zukam.

DER SCHIRM:

Eine chinesische Legende schreibt die Erfindung
des Schirmes der Frau des Lou-pan zu, eines be-
rühmten Baumeisters des Altertums. Du mein Ge-
bieter, soll diese unvergleichliche Ehefrau eines
Tages dem Gemahl gesagt haben, konstruierst wohl
sehr geschickt Häuser für die Menschen, aber noch
kann man sie nicht bew egen. Der Gegenstand aber,
den ich zum besonderen Gebrauch der Menschen

herstellen werde, wird sich sehr weit forttragen
lassen, wohl über tausend Meilen. Worauf die
Frau des Lou-pan den Sonnenschirm erfand, der
schon 2000 v. Chr. in Gh ina im Gebrauch war. Im
Altertum ein Zeichen der Heiligkeit und Würde,
kam der Schirm nur bei Feslzügen, Prozessionen
und Leichenfeierlichkeilen zur Verwendung, zur
Auszeichnung einzelner hochstehender Personen.
Diese Bedeutung des Schirmes für den Würden-
träger hat sich bis in das 19. Jahrhundert erhal-
len. Die älteste bekannte Ausführung war eine
solche in Bambusstäben mit Ölpapier- oder Seide-
überzug. So wurde der Schirm von Chinesen, Ja-
panern, Indern und Persern zuerst gebraucht und
kam dann zu Griechen und Römern, wo seine Ver-
wendung nur den Frauen zustand, bei den Män-
nern aber als Zeichen der Verweichlichung galt.
In den ersten Jahrhunderten n. Chr. wurde der
Schirm übrigens nur von Reitern benutzt und
später erst auch von Fußgängern. Römische
Schriftsteller beschreiben die ersten Sonnen-
schirme aus Palmzweigen oder Weidenge Hecht, die
späteren aus Seide, Purpur oder orientalischen
Stoffen, verziert mit Gold und Silber, Edelstei-
nen und Perlen. Regenschirme wurden aus Leder
gefertigt. Eine besondere Bedeutung kam dem
Schirm auch durch die Verwendung in der christ-
lichen Kirche zu. Bei Prozessionen wird heute
noch der Schirm als Baldachin über der Person
des Kirchenfürsten getragen. Im allgemeinen hat
sicli jedoch die Verwendung des Schirmes mehr
auf die südlichen Länder beschränkt und erst das
17. Jahrhundert brachte Europa eine ausgebreile-
tere Verwendung. Nicht vergessen werden darf die
frühzeitige Verwendung von Regenschirm und Re-
genmantel bei den Angelsachsen. Doch blieb der
Schirm bis dahin immer nur ein Moderequisit der
vornehmen AVeit. Erst die Iiäu tigere Verwendung
führte zu praktischer Verbesserung, durch Anwen-
dung des Fischboingestelles und dünner Sloffüber-
züge. Das IS. Jahrhundert brachte eine Steige-
rung aller bis dahin gewonnenen Formen ins
Phantastische, Schöpfungen modischer Gestaltung
von unbeschreiblichem Reichtum und von einer
Kostbarkeit, die, wie die Mode des Louis Seize
überhaupt, über ganz Europa Verbreitung fand
und derer Einzelstücke heute noch den wertvoll-
sten Bestand unserer Sammlungen bilden. Die
erste französische Revolution machte diesem Luxus
ein Ende, die Form des Schirmes des 19. Jahr-
hunderts bewegte sich daraufhin in einer mehr
„bürgerlichen'" Gestaltung. Gemusterte, karierte,
gelupfte und geblümte Stoffe kamen damals in
Gebrauch. In England wurde das Slahlgestell er-
funden. Der Bezug des Schirmes wird einfarbig
und die,Form einfacher und einfacher. Es ent-
steht der Schirm, der als Regenschirm eine rein
praktische Anwendung findet und nur als Son-
nenschirm der Dame das alte Vorrecht ausübt, die
jeweilige .Mode zu repräsentieren und durch Form
und Farbe die Phantasie und künstlerische Ge-
stallung anzuregen.

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