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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 1.1925-1926

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Hinz, Marlice: Die Mode und ihre Requisiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.13211#0400

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Niemand wird verlangen, daß man zur Charakteri-
sierung dieses subtilsten Requisites weiblicher
Modo sich mit trockenen Feststellungen behilft,
die dem Wesen gerade dieses Gegenstandes nie
nahekommen können. Man muß
Worte von Musset wiederholen,
der einen Fächer beschreibt: „bei-
nahe so groß wie ein Mondviertel,
goldglänzend wie ein Pfau, zart
und duftig wie ein Schmetterlings-
ülügel, mit Silber bedeckt wie
Arlequin und immer das Porträt
seiner Trägerin." Oder muß sich
der Legende erinnern, die, in
Sanskrit überliefert, den Fächer
beschreibt, mit dem König Nilas
Töchter, Mahabharada, das heilige
Feuer in Brand hält. Aber das
Feuer will nicht brennen, es hat
sich verliebt und kann nur leben,
wenn es vom Atem der Prinzes-
sin gefächelt wird. Auch die Chine-
sen, die behaupten, den Fächer erfunden zu haben,
pflegen eine Legende, die sich auf seine Ent-
stellung bezieht. Lang-sin, die Tochter eines all-
mächtigen Mandarinen, soll danach auf einem
Fest, unter der Hitze der Laternen leidend, ihre
Gesichtsmaske als Fächer benutzt haben, eine
Kaprice, die, sofort von anderen Schönen des
Hofes nachgeahmt, den Anlaß zum Gebrauch des
Fächers gegeben habe.

Mit solcher Delikatesse hat der Fächer zu allen
Zeilen eine Beschreibung erhalten. Sein Gebrauch
ist so alt wie die Menschheit selbst, und wie der
Sonnenschirm und der Fliegenwedel hat er, in
den ältesten Zeiten schon, ein königliches Attri-
but dargestellt. Rund, viereckig, achteckig und
elliptisch, aus kostbarstem Material, mit Gold,,
Silber, Edelsteinen und Perlen verziert, von den
bedeutendsten Künstlern durch Malerei und Zeich-
nung verschönerrt. Aus einem Symbol von Gott-
heiten, Kaisern und Königen wurde er ein Re-
quisit der Hochgeborenen, um dann im 18. Jahr-
hundert in Europa allgemeine Verwendung zu
finden. Es gibt im 18. Jahrhundert kein Ereignis
von Bedeutung, das nicht eine Darstellung auf
den Fächern dieser Zeit gefunden hätte. Immer
aber wurde dieses Symbol kultiviertester Gesell-
schaftsformen, der Lebensfreude und persönlicher
Grazie von bedeutenden Künstlern schmückt, und
Kunsthandwerkern geformt und gebildet.

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