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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 152-178 Juli
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habe von einer Presse gcsxrochen, die gegen die
Kirche ausgetreien jci; nu» gebc es aber auch
sogenannte kalholischc Kirchenorganc, die in
ihrcr Polcmik gegen die Ncgicrung jcden Punkt
ertaßtcn, u»> gegen sie zu wirken. So wcrde
z. B. daS Gcsetz über Erlcichterung dcr Ehc-
abschließung angcgrisscn, währcnd dcr Hr. Erz-
bischof gcrade eineu Hirtcubrief zur Belehrung
hätte erlassen sollen, denn cs cutspreche ganz
dem kanonischcn Gesetz. DicscS kcnue nämlich
keine Staatscrlaubniß znr Eheabschließung.
Allein desscnungcachtct ergreife man diese Sache,
um damit in gehäjsiger Wcise gegen die Regie-
rung auftreten zu könncn. Selbst das Gesetz
über die Notenbank müsse zu dieseu Zwecken
hcrhaltcn. Reducr weist uun nach, wie loyal
die Rcgierung durch die Borlagc yaudle, ja daß
sic sogar dadurch ihrem Princip zu nahe trete.
Ein in, Streitc unbcsangcncr guter Katholik
odcr Protcstant müsse daS erkeuncn. Bezüg-
lich der Sclbstüberjchätzung cincs Thcils der
Lehrer, von dcr der Ädg. Prcstinari gesproche»,
wolle er bemerken, daß cr nach Dem, was übcr
die specifische Lehrcrbildung in der erzbischöfl.
Dcnkschrift enthallen sci, hofsen dürfe, daß dicse
jpccifische Bildung bald auch bei der Erzichung
dcr katholischen Geistlichcu aufhöreu werde. Diese
Sclbstübcrhebung sci zn scincm Bedaucrn bei
einem kleinen Thcil der Lehrcr eingetreteu, allein
eS kommc dies dahcr, daß man in dcr Bclobung
dcs Lehrcrstandes ost zu weit gehe. Er sc,
kein Freund von dicjen persönlichcn LobcSer-
hcbungen. Wcnu dcr Taglöhucr seinc Pflicht
alS jolcher geüdt, jo habc cr für die Mcnsch-
hcit geradc so viel gcthan, wie der Lchrcr, d. h.
er habe scine Pflicht erfullt. Durch das Gcsctz
thcile der Staat freigcbig seine Rechte mit dcr
Kirche. Hätte er nach dem Grundsatze bes
JahreS 18K0 theilcn wollen, so müßte diese
Vorlage cinc ganz andcrc scin. Er hätte da-
hcr gehosst, daß der Clcrus für bie Vorlage
seincn Dank auSsprechen würde.

Kopscr: Dic Schulc sei cine VolkScrziehungs-
u»d keine VolkSvcrdummungSanstalt; er sehc
die hcutige Vorlage als eiue AbschlagSzahluug
au, und werde dahcr sür das Gcsctz stimmcn.

Wenzler ist schr bcrcit, dcr Vorlagc frcudig
zuzustimmeu.

Fischlcr hält dafür, daß dcn Geistlichcu
der Vorsitz im OrtSschulrath verpflichtend zu-
gewicscn wcrden sollc, und wcndet sich sodan»
gegen de» Bericht, dcr da sage, die Schule sei
durch daS Chrijtcnthum hervorgerufcn wordeu.
Das Christenkhum hätlen aber die Geistlicheu
geprebigt. Man solle eine Verständigung her-
beizusührcn suchcn, dann werde sich die Sache
günjtigcr gestalten.

Moll kann nicht bcgreifen, wie der Vor-
rodncr noch von Vcrständigung jprechcn könne,
da man dcr Kirchc >hrc Rcchte auf freigebige
Wcise fruchtloS entgegcngetrageu habe. Das
Gesetz vom Zahre 1860 müsse zur AuSführung
gcbrachl weroen, dafür habc dic Kammer zu
sorgcn. Den Abgcordncten liegc dann die Pflicht
ob, in ihren Kreisen dic Leidcnschasten, die noch
wach jcien, zu dämpfen.

Fauler anerkcnnl mit aller Frcude, daß die
Regicrung dcn Weg dcs GesctzcS eingeschlagen,
und daß sie dieS mit großcr Mäßigung und
Mildc gethan habe. Dem Vcrhalten dcr Be-
volkerung gcgenüber der shstematischen künst-
lichen Anfeindung umsse man volle Anerken-
nung zollen, und wenn von dem Clcrus in
der Weise fortgcfahrcn wcrde, wie bis jetzt, so
werde mit der Sclbsrständigkeit und Frciheit
der Kirche ein so großcr Mißbrauch gctrieben
werden, daß in nicht langer Zcit die Worführer
der Kirche, welche sich mit derselben identifi-
cirten, in ihrc Grenzcn z'urückgewiesen werden
müßten. Vor einem Jntcrdict hätte man sich
nicht zu fürchten; svllte eS abcr jo wcit kom-
mcn, dann werde auch eine gesundc Nichtung
in der Kirche hervorgcruscn wcrden, welchc die
heilsame Wirkung derselbcn thatkräftig zu för-
dern im Stande sein werde.

Lamey (v. Pf.) gibt dcn Satz nicht gerade
als richtig zu, daß wcr die Schule habe, dcm
gchörc dic Zukunft. Redncr sucht dies durch
Erfahrungcn in Frankreich »achzuweije» , und
bcmerkt dabei, daß die Schule den Most, die
spätcren Lebensjahrc aber erst den Wein für
dcn mcnschlichen Geist crzcugtcn. Ncdner stimmt

dem Gesetze freudig und mit gutem Gewissen zu.

Staatsrath Lameh entgcgnet dem Abgeordn.
Fischler und schließlich spricht der Berichlcrstatter
HLnsscr, woraus dcr Vorsitzcnde die Allge-
meinbcjprechung schlicßt, unddie Einzelberathung
auf kommendcn Montag, Vormittags 9 llhr,
anordnet. Schluß der Sitzung nach üstündiger
Daucr. (B. L.)

Karlsrulic, 27. Zuni. 68. öffcntliche
Sitzung der 2. Kammer. (Fortsetzuug.)

Beck: Vorübergehende stimmungcn und
Erscheinungen dürfe man nie zum Maßstabe
bei der Gcsetzgcbung machcn und namentlich
ein politischer Körper, wie die 2. Kammer,
müssc sich über die augcnblicklichcn Stimmun-
gen erheben und die objcctive Ansicht walten
lassen. Die verschiedencn Jnteressen sollen im
Oberjchulrathe vereinigt werden und man müsse
sich sclbst Gewalt anthun, um eine Vcrmitte-
lung zu erziclen. Die Regierung sei von dem
richtigcn Staudpunkte auSgegangen, wenn sie
sage, daß die Schule hauptsächlich Sache der
Gemeinde sei, in welcher sich die politischc und
kixchliche Richtung frcundlich vereinigen müßte,
weun ein gcsunder Zustand herrschcn soll. Er
hätte sür die allgcmeinen Schulangelegenheiten
nur einen OrtSschulrath gewünscht, für con-
fcssionclle Kragen seien dann die dieser Con-
fession angehörigen Mitglieder des Ortsschul-
raths zuständig. Achenbach hätte eS für
zwcckmäßigcr gehalten, wenn nnr ein Orts-
schulrath wärc ernannt worden, ebenso Abg.
Heidcnreich. Spohn: Aus der Reihen-
jolge, in welcher die Mitglieder des Ortsschul-
raths ausgesührt sind, lassc sich nichts schließen;
allc Acitglicdcr scieu sich glcichgestellt. Director
Knies: Ganz gleichgiltig sei die Rcihenfolge
in so fcrn nicht, als man in der umgekehrten
Rcihensosge eine Vcrlctznng deS Anschens dcr
Gcistlichleit gcfunde, hätte. Aber a» eine
eigcntliche Rangordnung habe man dabei
durchauS nicht zu dcnken Der Geistliche habe
durch seincn Biloungsgang ,cine ganz besondcre
Bcfähigung zur Thcilnahme an der Jugcnd-
crzichung; er würde es sür cinen schr wejcnt-
lichcn Nachthcil halten, weun dcr Geistliche
prinzipicll sich von dcr Schulc fern hielte; die
Gcsctzgcbung müsse darauf Rücksicht nchmcn.
Der jctzige gercizte Zustand wcrde vorübcrgehen,
cr sei nicht allein zum Schaden dcS StaateS,
sondcru auch zum Nachthcil der Geistlichkeit
sclbst. DaS ZwangSverhältniß zwischcn Lehrern
und Gcistlichen sei eine Folge davvn gewcscn,
daß der Pfarrer geborner Orts-Schulinspector
war; bei dcm frcien zwanglosen Verhältniß
und bei dcr bestimmt gezogenen Grcnze werde
der Anlaß zu Uebcrgriffen und Streitigkeiten
fehlcn. Die Einrichtung des gcmcinsamcn Orts-
SchulrathS werde wohl viclleicht in der Zukunft
cingeführt werden, zunächst sollte diescr Ent-
wurf abcr sich au das Bestehendc anschließen,
und wollte die Rcgicrnng abwartcn, bis sich
das Bcdürsniß geltend mache.

Roßhirt crklärt, daß die Schulinspeclorcn
katholischcr wie cvangelischer Seitc ihreu Dienst
pünktlich erfüllt hätten. Der Abg. Heidenreich
habc erklärl, daß man in seiuem Wahtbezirke
im Allgemeine» für die Schulrcform sci; er
müsse dcm entgegensctzen, daß er andcrwärts
andcre Erfahrungen gemacht habe. Für dcn
Gcistllchen sci es nicht »ur ei» Rccht, svndern
eine heilige Pflicht, sich an der VotkSschule zu
betheiligen, er müssc deu Religivnsuuterricht
ertheilen. An eine Zurückcroberung der Schule
denke man kirchlicher Scits nicht, dcr Staat
habe vielmchr dic Schule zu leiten, und dic
Kirche sich dabei zu bctheiligen. Wollte sic
diescS unterlassen, so würde cr dieseS sehr be-
klagen. Redner kommt wicder auf seine frühere
Behauptung zurück, daß dcr Staat eiuen gro-
ßen Elnfluß auf die Kirche habe, und was dcr
Herr Präsideut deS Ministcriums dcS Znnern
nculich gcsagt, daß uur Der Macht habe, wel-
chcr cinen Beamteu absctzen köune, verhaltc sich
bci dcr kathol. Kirche nicht gcradc jo, denn fie
sei an Kirchcngesctze gebunden. — Kirsner
ist mit einigen Punkten des Borredncrs ein-
verstanden, inSbcjondere damit, was er bezüglich
der heiligen Pflicht der Kirche gejagt habe.
Was dic Slimmung dcs Volkcs bczüglich dcr
Schulrcform belreffe, so halle er den Satz auf-
recht, daß.der größte Theil des VvlkeS für die
Schulreform sei. Er sclbst habe dem Präsiden-

ten des MinisteriumS des Znnern von beinahe
1M Gemeinden deS Bczirkes, dem cr angehöre,
Vertrauensadressen mit zahlreichen Unterschrif-
ten übergebcn. Nach wcilercr Ausfnhrung er-
klärt Redner, daß er mil der Bestimmung des
§ 2 vollkommeu einverstandeu sei. Bezüglich
der Ziff. 3 übrigenS, dic vvn der Wahlbercch-
tigung handle, HLtte cr eine Aeuderung ge-
wünschl, will jedoch teincu Antrag stellcn. —
Sciz macht eine kurze Bemerkung. Schaaff
constatirl, daß die Psarrer im Oberrheinkreise
ihrc Pflicht als Schulinspectoren geübl hätten.
Ausnahmen habe er hie und da nur dei der
jüngeren Geistlichkeit getundrn. — Lamey
(v. Pf.) hält es auch für angemessen, daß
man stch gegcnüber einer Partei in der cvang.
Kirche waffue, die da auf den Grund deS alten
BuchstabenglaubenS einen hochverdienten, geist-
reichcn, sittenrcinen Lehrer an der Hochschule
angreifen u»d ihn von seincr Lchrthätigkeit be-
seilig! wiffen wolle. — Fischler u. Achen-
bach machcn kurze Bemerkungen. — Staaks-
rath Dr. Lamey geht zunächst auf die auS-
gesprochenen Drohungen vou kirchlichcr Scite
eiu und bemerkt dabei, daß er ihnen nicht die
Deutung gebcn könne, als wolle man stch von
der Schule gäuzlich loösagen. Auch hoffe er
auf io viel Verständnig bci dem kathol. Kir-
cheuregiment. daß eS nicht zugeben werde, daß
offenbar gegen die StaatSgesctzc gehandelt werde.
Da die Geistlichen der Kircheugewalt unter-
stehen, so kenne von einer obligatorischen Be-
stiminung für Staatszwecke bezüglich der Geist-
lichen keine Rede sein Dahcr konune es auch,
daß der Enlwurf nur von eincr Bcrechtizung
spreche. Sollte diek.Kirchcnregierung in derThat
abcr ihreu Geistlicheu dic Betheiligung an dcr
Schule versagen, so würde es eine heilige
Aufgabe dcr großhcrzoglichen StaatSregierung
und dieses HauscS seiu, den hierdurch eintre-
tenden Mangel sofort zu bescitigen. ES laffe
sich dieseS dann vielleicht in vorzüglicher Weise
erreichen. Er halte übrigenS dafür, daß vielc
Geistlichc, ja manche jüngerc frciwillig sich an
der Schule dethciligen, mit Ausnahmc cinzelner
Fanatiker, die beharrlich auf ihrer jetzigcn An-
sicht beharren würden. Würde aber in dcr That
ein Verbot erlassen werdcn, dann würde nicht
der Staat, sondern dic kaiholijche Kirche den
größten schaden erlciden. Sollte aber die
kathvlische Kirche sogar sich der Ertheilnng deS
dcs rcligiösen Uiiterrichts entziehcn, so würde
cr au dcm Tage, an dem diescs geschche, vor
das Land trcten und fragen, ob wir fernerhin
noch dcr kaihol. Kirchc dic reichlich gewährien
Mittel belassen wollten. (Zustiminung des
HauseS.) UcbrigcnS glanbc er, daß eS nicht
jo weit kommen werde. Dem Abg. Roßhirt
wolle er aber nochmals erwidern, daß die
StaatSrcgierung keinen Einfluß mehr auf die
Kircheu hat. HLttc die Regierung einc solche
Gewalt, wic hier der Abg. Roßhirt bchauptel,
in ihren HLndcn, so müsse cr, der Redner, sie
am besteu sühlen. Alleiu cr habe kcine Em-
pfindung davon, und dcshalb behaupte er, daß
die StaalSregierung keine Gewalt aus dic Kirche
ausüben könne. (Forts. folgt.)

KarlSruhe, 27. Juui. Die neuen Orga-
uisationen sollcn, wic der „Schw. M." meldet,
trotz cntgcgenstehender Stimmen unfehlbar biS
znm Herbst in'S Leben treten; daranf denten
auch die Weisungeu hin, dic über die Aufkün-
digung dcr Wohnungen bis zum Herbst an die
Beamien ergangen sind. Zum Prästdcnten deS
VerwaltungsgerichtShofS ist der vormaligc Prä-
sident des HandelSministeriums, StaatSrath
Weitzel, designirt; demselben soll dem Vcrneh-
men nach auch die Fertiguug dcr VollzugSver-
ordinmg zum neuen Verwaltungsgesetz aufge-
tragcn sein. Es ist diesc Arbeit eine ungemeiu
schwierige. Da aber Wcitzel lange Zeil Direc-
tor im Miuisterium deS Znnern war und die
Verwaliungsgeschäfte gründlich kennt, so wird
sic in den bestcn Händen ruhcn.

Darmstadt, 27. Juni. Siach stürinifchcr
Debatte lchntc die zwcite Kammcr die Proro-
gation des Finanzgesetzes für 6 Monate mit
32 gegen 9 Stimmen ab. genehnngte dagcgen
dic Verlängcrung auf 3 Monale, und entzieht.
wie frühcr, mit allen gegen 2 Stimmcii dcr
Regierung die Vollmacht zum Abfchluß von
Zoll- uud HandelSverträgcn. Die überwiegende
Mcyrheii der Redner tadelte das Verhalteu der
 
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