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Heidelberger Zeitung — 1864 (Juli bis Dezember)

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Nr. 231-256 Oktober
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L8«1

Freitag, 7- October


Bestcllungcn uuf dic „Heidclb-cger
Zeirung" nebst B iluge „Hcidelber-
ger Fumijie-.blättcr" für dus uut l.
Äetober 18<>4 begoonene Ä. Qunrtni
werden fortwäorend angcnommen.

Die Expedition

jj- Das Gesetz über die Gerichts-
verfafsung

(Schluß.)

Die AmtSgerichte haben nach der neuen Ge-
richlSverfassung. inSdcsondere nach dem >m
Regicrnngsblatte 18M. Är>, A erschjenenen
Gcsetze, iwch folgcnbe 'in die frciwillige oder
nicht streitige Gerichtsbarkeit cinschlägigen Gc-
schäjte zu dcsorgen:

1) sie sührcn die PflcgschaftStabcllcn und
hörcn d!e VormundfchaftSrcchnnngen ah;

2) sie ergrcisen oon AmlSwcgcn die fnr Vcr-
waiste erforderlichen Maßrcgctn, und bestellen
inSbcsonbere die AbwesenheilSpfleger fnr die-
jelben;

3) sie bejchlicßen in dcn Sachen, welche daS
Lanbrccht dcm Familienrathe zuweist, nach An-
hören der nächsten Verwandten ünd Berschwä-
gcrtcn dcs MündclS;

4) sie prüfcn die »on den Nvtaren gcfcrtig-
ten Lhcilungcn und VcrmögcnSübergaben, wv-
bei Abwescude, Niinderjährige und Mundtvdtc
bctheiligt sind;

5s sie übcrwachen die Fnhrung der Grund-
und Pfandbüchcr; die Paginirung und Para-
phirung dieser Bücher liegt ihncn zugleich ob;

k) sie ferligcn dic Kauf- und Tauschbriefe,
fowic die UuterpfandSverschrcibungen;

7) cs wcrdcn von ihnen die Urkunden über
die Zulässigkeit der össentlichcn Hintcrlcgung
und der Rückzahlung äuSgestellt;

8s sie haben die Aussicht übcr die Standes-
büchcr und Beglaubigung der AuSzüge darauS ;

,9s die nöthige Ermächtigung der Ehesrauen
zu RechlSstreitigkeitcn uiid RechtSgcschäften;

10s die Versüguug übcr dic Aufbewahrung
von ErbschaftS- ünd TheilnngSurkiinden;

11) die Ermächtigung zum Fahrnißverkaufe
währcnd der Frist zur Erkläruug über die Erb-
schaftsannahme. — Znr Führung dieser ver-
schicvcnartigen Gejchäste werden den AmtSge-
richten besoudere Bcamte unter dem Namen
GcrichtSnotare beigegebcn. Diesc sühren jcne
Gcschäfte selbststäiidig, jcdoch im Namen dcS
AmtSgerichteS.

Zn Strafsachen habcn d!c AmtSgerichte
— w!e in Nr. s. schon bciläufig bemxrkt wurde

— Untcrsuchungen zu führen und, in gcwissen
Fällen auch durch Urthei! zu entscheiden.

ES bcschrankt stch in letzterer Bezichnng ihre
Strafgewalt auf Frciheitsstrafcn biSzu 8 Wochen
Gefängniß und auf Geldstrafcn bis zu 300 fl,
jedoch nur bezüglich der im Rcgbl. Iir. 18 be-
stimmt bezeichncten Vergehcn.

Die GerichlSbarkeit in Polizeistrafjachen
ist aber dcn Amtsgerichteii für die erste Jn-
stanz in allen Fällcn übergebcn. DaS Be-
zirksämt, als Polizeibehörde, besvrgt in solchcn
Nntersüchnngen die Verrichtungdn dcr StaatS-
anwaltschast. Jn eigentlichen Straf-
sachcn besrsrgt diese Function ein besonderer
StaatSanwalt, ohne dcssen Antrag (odcr auf
Anlrag irgend eines Privatklägers) kcine Untcr-
suchung in der Rcgel eingeleitet wcrden soll.

— Die Untersüchung in Strafsachen wird von
den AmtSgcrichtcn in allen deu Fällcn gesührt,
in dcnen sie zu erkennen haben. Jn den
Strafsachen, welchc die GerichtSbarkeit der Amts-
gerichtc übersteigen, führen sie die Untcrsuchung
so lang, alS sic nicht dem Untersuchniigsrichtcr
des KreiSgerichts übeilragcn wird. . Auch im
letztern Falle kann der UntersuchungSrichter
dem Amtsgerichte die Vornahme einzclner Un-
tersnchungshandlungen übcrtragen.

Die Polizeibehördcn können ferner auch bc-
dingte Strafbescheide in Polizcistrassällcn er-
lassen, und eS geht die Uulersuchnug, wenn
der Angeschuldigte sich hicmit nicht zusriedcn
erklärt, an die Amtsgerichte übcr. Ein ähn-
lichcs Verhältniß bestcht hinsichtlich der Forjt-,
Slcuer - und Zollvcrgehen. Weroen diesc be-
tresieude» Untersuchungen an dic AmtSgerichte
übergebcn, so haben dicse einschlägigcn Stcllc»
(Forst-, Steuer- oder Zollbchörde) sodaun ihrer-
scits die anklagende Fuuction deS SlaatSan-
waltS zu übernchmcn.

* Politische Umschan.

Die Bundesversammlung wird heute ihre
Sitzungen wicder aufnehmcn.

Die „Krcuzzcitung" erklärt an der Spitze
ihres Biattes, allen entgegenstehenden Behaup-
tungen gegenüber vcrsichern zu können, dah
innerhalb des Staatsministeriums keine Diffe-
renzen über die Behandlung der inueren An-
gclegenheiten existiren, daß vielmehr vorläufige
BesprechuWen über die Stellung dcr Negie-
rung zum Landtage das vollkommenste Einver-
ständniß gezeigt haben.

Eine Kieler Correfpond. der Berliner „Nat.-
Ztg." stellt die von der „Aut. -Corrcsp." aus
„guter Quelle" gebrachte Nachrichl, Herr von

Bismarck stelle für eine Verständigung mit Kiel
die Bedingung, „daß der Herzog seine mehr
oder miuder liberalen Näthe, namentlich Hrn.
Samwer, enllasse und an dcssen Stelle Herrn
v. Scheel-Plessen an die Spitze seines Cabinets
bernse", in Abrede.

Jn Wien erscheint vom 1. Octbr. an eine
weitcre politische Wochenschrift von entschieden
conservativem, im Besonderen der preußisch-
östcrreichischen Allianz mit rückhaltsloser Osfen-
heit zngethanen Charakter. Dcr Titel ist
„Publicist", Herausgcber der als katholischer
Journalist bekannte Hr. Jos. Chovannetz.

Garibaldi erklärt im „Movimento", daß iu
England falsche Wechsel auf seinen Namen in
Umlans seien, vor welchen er warnt.

Bei der am Abend des 2. Oct. erfolgten Volks-
demonstration auf dem Corso und dem Colonna-
platze in Rom begann ein einstimmiges Rufen:
„Es lebe Frankreich! Es lebe Jtalien — Na-
poleon 111. — Victor Emanuel — der Vcrtraz
vom 15. Sept.! — Die sranzösischen Soldaten
stimmten ein. Bei ihnen wie bei den Nömcrn
herrschte ein gewaltiger Enthusiasmus. — Die
Verständigcrn unter den Pricstern sehen schon
jetzt den Bodcn unter ihren Füßen wankend
werden.

Z»r Dchleswig-Holfteitt'schen

Sache.

Nanders, 27. Sept. Jn RanderS AviS
macht der Polizeimeister von Nanders bekannt,
daß in Folge Bcschls deS Militärgouverne-
ments für Jütland die AuSübung der Jagd
überall verboten ist, und daß die Schieß-
waffen d»r Dawiderhandelnden confiscirt, letz-
terc aber auch außerdem noch mit einem sieben-
tägigen Arrest bestrnft werden.

Kopenhaqen, 4. Octbr. Jn den beiden
Things schlngen die Bauernfreunde eine Adresse
an den König vor, die hauptsächlich die Be-
wahrung der Freiheit und Unabhängigkeit Däne-
marks betont, übrigens aber das Grundgesetz
vom 5. Juni 1849 unberührt läßt.

Wien, 4. Octbr. Die dänischen Bevoll-
mächtigten haben Jnstructionen für die Finänz»
frage erhalten, welche für die Fördcrung des
Friedensabschlusses günstig erachtct wcrdcn. —
Die Reduction der österreichljchen Armee ist
nun auch sür Venelien angeordnet.

Kiel, 5. Oct. Die „Kieler Zeitung" ver-
nimmt, daß in Kiel für 51 Officiere und 1h()
Pferde Quartier bestellt wurde, woralls sie auf
eine Verlcgung des preußischen HauptquartierS

Die HuifeLer.

(Ein Bild aus Tirol.)
(Fortsetzurig.)

Die Walddörfler verließen die Wirthsstube, die
Oberlutzer blieben zurück, und währcnd jene durch
rin ftiUes und kluges Manöver den Vorplatz frei
machten, wars in der Wirthsstube um so lauter.
Man hcstte mcinen sollen, sie lägen sich drinnen in
den Haaren, so lärmend, so stürmisch war die Ver-
sammlung. Endlich hörte man dcn Rus: „Der
Loni, der Toni!" und bald darauf traten, dte
drinnen geblieben waren, auf den Vorplatz. Ihr
Haufen trcnnte sicb, und die Adlerfeder auf dem
Hute stand cin Bursche da, wie ein Recke aus alter
Zcit. Wenn nicht die stürmische Beweguug der Brust,
dir nur vom Hrmd bedeckt war, und das zeitweise
Zucken der Oberlippe gewesen wären, man hätte
dcn Iüngling für ein wundervolles Bild aus Stcin
gehauen haltcn mögcn.

— Der Toni! rief erstaunt unser Hanns, war
koan Anderer da?

Sie haben mich gewoüt, und so steh ich da,

ungewöhnlich ttefen Brusttone.

Wir stehen hier vor einem Drama, dessen ro-
mantische Schauer allcs übertrcffen, was bie mo-
derne Welt in dieser Art uns zu bieten im Stande
wäre, und der Lcser wird es schon errathen haben,
daß es sich um einen Zweikampf handelt, um etnen
jener tirolischen Ringkämpfe, von denen wir selten
etwaS erfahren und die bei allrdem so oft vorkom-
men, als rs Kirchtagc im Lande gibt. Sie lassen
sich durchaus nicht mit unseren heutigen Duellen

ober den andern der Ringer statt, und dem Sicger
wic dem Besirgten erwächst aus dem Wctlkampf
weder Gcwinn noch Vcrlust. Die Kampfesart ist
meist barbarisch und die Folgen sind oft Verstüm-
Melung und Sicchthum. Vergcbens hat das Gesetz
gcgen diesen Mißbrauch männlicher Krast und Ge-
wandtheit einzuschrejten versucht, und ebenso frucht-
lo.s zeigte fich dex Eifer von Kanzel »nd Beicht-
stuhl. Der Tiroler Bua muß hin unb wiedcr

Faustkampfes in erschreckender Weise erhöht- Die

gelernt; kein Bursche darf mis einer steifen Wild-
feder am Hute ein nachbarlichcs Dorf besuchen,
wcnn dort Kirchtag ist; thut er es dennoch, so
wird das einfach als eine Verhöhnung und Her-
auSforderung betrachtet, und die Burschrnschaft deS
so beleidigten OrtcS antwortet daranf durch die
Wahl eineS Kämpfers aus ihrer Mitte.

Ost gcschieht es, daß Vic Unentschietenheit oder
allzu lange Daucr des Durlls das ohnedieS auf-
gercgte Blut der beiden Gcfolgschaften in so hohem
Grade erbitzt, daß ein Maffenkampf auSbricht,
bei dem Verstümmrlungen, so z. B. Verlust eineS
AugeS, nicht zu den Seltenheiten gehören.
 
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