Der Briefwechsel
Ein Mensch, der einen Brief
[geschrieben,
Ist ohne Antwort drauf geblieben
Und fängt nun, etwa nach vier
[Wochen,
Vor Wut erheblich an zu kochen,
So daß er, in besagter Wut,
Nun etwas tut, was man nicht tut.
Er schreibt, obgleich er viel
[ verscherzt,
Noch einen Brief, der sehr beherzt,
Ja, man kann sagen, voller Kraft,
Ganz ehrlich: äußerst flegelhaft!
Nun nimmt das Schicksal seinen
[ Lauf,
Denn diesen Brief gibt er auch auf!
Die Post wird pünktlich ihn
[besorgen —
Doch siehe da, am nächsten Morgen
Ist leider, wider alles Höften,
Bei ihm die Antwort eingetroffen,
In der von jenem Herrn zu lesen,
Er sei so lang verreist gewesen,
Nun aber sei er wieder hiesig
Und freue sich daher ganz riesig,
Und er — der Mensch — könnt
[mit Vergnügen
Nach Wunsch ganz über ihn
[verfügen.
Der Mensch, der mit dem Brief,
[dem groben,
Sein Seelenkonto abgehoben,
Nein, noch viel tiefer sich versündigt:
Das Los am Ziehungstag gekündigt,
Schrieb noch manch groben Brief
[im Leben —
Doch keinen hat er auf gegeben!
Anmerkung des Setzers
Erlaubt dem Setzer auch ein Wort:
Besagter Herr war gar nicht fort!
Vielmehr, er log, wie manche lügen,
teils nur aus Not, teils zum Vergnügen.
Ich meine, wäg’ ich es gerecht,
der grobe Brief war gar nicht schlecht!
Ohne Grund
Ein Mensch wähnt manchmal,
[ohne Grund,
Der andre sei ein Schweinehund,
Und hält, für seinen Lebensrest,
An dieser falschen Meinung fest.
Wogegen, gleichfalls unbegründet,
Er einen Dritten reizend findet,
Und, da kein Gegenteil erwiesen,
Zeitlebens ehrt und liebt er diesen.
Derselbe Mensch wird seinerseits —
Und das erst gibt der Sache Reiz —
Durch eines blinden Zufalls Walten
Für einen Schweinehund gehalten,
Wie immer er auch darauf zielte,
Daß man ihn nicht für einen hielte.
Und einzig jener auf der Welt,
Den selber er für einen hält,
Hält ihn hinwiederum für keinen.
Moral: Das Ganze ist zum Weinen.
Eugen Roth
Vorschlag zu neuen Steuern. Am
Anfang dieses Jahrhunderts machte ein
Nationalökonom, halb im Ernst, halb
im Scherz, den Vorschlag zur Ein-
führung neuer Steuern, von denen er
meinte, daß sie sehr einträglich sein
würden. Sein Plan bestand darin,
Zahlung zu fordern und zwar:
io Pfennig für jeden schlechten Vers,
der gedruckt würde;
20 Pfennig für jeden sprachlichen
Fehler in jeder Arbeit;
30 Pfennig für jedes unzweifelhaft
erkannte und festgestellte Pla-
giat;
40 Pfennig schließlich für jede von
den Zeitungen gebrachte Lüge.
Der Verfasser dieses Planes veran-
schlagt das Ergebnis dieser Steuer auf
mehrere Millionen. Wenn man sich
heute einfallen ließe, seine Zuflucht zu
einem derartigen Ausweg zu nehmen,
glauben wir annehmen zu dürfen, daß
das Ergebnis dieser Steuer mindestens
dreimal so hoch sein würde als zu
Beginn des Jahrhunderts.
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Ein Mensch, der einen Brief
[geschrieben,
Ist ohne Antwort drauf geblieben
Und fängt nun, etwa nach vier
[Wochen,
Vor Wut erheblich an zu kochen,
So daß er, in besagter Wut,
Nun etwas tut, was man nicht tut.
Er schreibt, obgleich er viel
[ verscherzt,
Noch einen Brief, der sehr beherzt,
Ja, man kann sagen, voller Kraft,
Ganz ehrlich: äußerst flegelhaft!
Nun nimmt das Schicksal seinen
[ Lauf,
Denn diesen Brief gibt er auch auf!
Die Post wird pünktlich ihn
[besorgen —
Doch siehe da, am nächsten Morgen
Ist leider, wider alles Höften,
Bei ihm die Antwort eingetroffen,
In der von jenem Herrn zu lesen,
Er sei so lang verreist gewesen,
Nun aber sei er wieder hiesig
Und freue sich daher ganz riesig,
Und er — der Mensch — könnt
[mit Vergnügen
Nach Wunsch ganz über ihn
[verfügen.
Der Mensch, der mit dem Brief,
[dem groben,
Sein Seelenkonto abgehoben,
Nein, noch viel tiefer sich versündigt:
Das Los am Ziehungstag gekündigt,
Schrieb noch manch groben Brief
[im Leben —
Doch keinen hat er auf gegeben!
Anmerkung des Setzers
Erlaubt dem Setzer auch ein Wort:
Besagter Herr war gar nicht fort!
Vielmehr, er log, wie manche lügen,
teils nur aus Not, teils zum Vergnügen.
Ich meine, wäg’ ich es gerecht,
der grobe Brief war gar nicht schlecht!
Ohne Grund
Ein Mensch wähnt manchmal,
[ohne Grund,
Der andre sei ein Schweinehund,
Und hält, für seinen Lebensrest,
An dieser falschen Meinung fest.
Wogegen, gleichfalls unbegründet,
Er einen Dritten reizend findet,
Und, da kein Gegenteil erwiesen,
Zeitlebens ehrt und liebt er diesen.
Derselbe Mensch wird seinerseits —
Und das erst gibt der Sache Reiz —
Durch eines blinden Zufalls Walten
Für einen Schweinehund gehalten,
Wie immer er auch darauf zielte,
Daß man ihn nicht für einen hielte.
Und einzig jener auf der Welt,
Den selber er für einen hält,
Hält ihn hinwiederum für keinen.
Moral: Das Ganze ist zum Weinen.
Eugen Roth
Vorschlag zu neuen Steuern. Am
Anfang dieses Jahrhunderts machte ein
Nationalökonom, halb im Ernst, halb
im Scherz, den Vorschlag zur Ein-
führung neuer Steuern, von denen er
meinte, daß sie sehr einträglich sein
würden. Sein Plan bestand darin,
Zahlung zu fordern und zwar:
io Pfennig für jeden schlechten Vers,
der gedruckt würde;
20 Pfennig für jeden sprachlichen
Fehler in jeder Arbeit;
30 Pfennig für jedes unzweifelhaft
erkannte und festgestellte Pla-
giat;
40 Pfennig schließlich für jede von
den Zeitungen gebrachte Lüge.
Der Verfasser dieses Planes veran-
schlagt das Ergebnis dieser Steuer auf
mehrere Millionen. Wenn man sich
heute einfallen ließe, seine Zuflucht zu
einem derartigen Ausweg zu nehmen,
glauben wir annehmen zu dürfen, daß
das Ergebnis dieser Steuer mindestens
dreimal so hoch sein würde als zu
Beginn des Jahrhunderts.
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