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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI Heft:
Heft 5 - Kriminalistik
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Fenners, Artur A.: Mord in Sofia
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0427

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Bestrebungen, Sorgen und Zielen geben? Eingaben an den Völkerbund?
Proteste? Genf ist weit, Paris, London, Berlin ebenfalls. Was weiß man dort
von uns? Den Ungarn, Serben, Griechen, Bulgaren haben die westeuropäischen
Mächte bei ihrer Befreiung von der Türkenherrschaft geholfen, Mazedonien
war immer unterjocht. Seit hundert Jahren kämpfen wir einen unterirdischen
Kampf gegen übermächtige Feinde, ist es unsere Schuld, daß seine Formen
wenig schön sind? Wir wollen nichts weiter, als das, was man bei vielen
Friedensschlüssen versprochen hat: Mazedonien den Mazedoniern, einen
mazedonischen Nationalstaat! Es gibt für uns kein anderes Mittel, der euro-
päischen Öffentlichkeit die ungelöste mazedonische Frage einzuhämmern als
Akte der Selbsthilfe, wenn sie es so bezeichnen wollen: Terrorakte . . . Wenn
in Sofia ein Verräter fällt, wenn in Belgrad eine Kaserne in die Luft fliegt, wenn
ein General, der sich gegen uns vergangen hat, erschossen wird, so wird das
die Aufmerksamkeit auch Europas darauf hinlenken, daß im Südosten irgend
etwas nicht in Ordnung ist. Es sind unsere einzigen Mittel und wir brauchen
sie als Gegenmine gegen Kampfesweisen von weit geringerem ethischen Wert.
Der Kampf unserer Komitaaschis hat aber auch noch einen vorbeugenden
Wert. Was würde passieren, wenn es einem unserer Nachbarn emfallen sollte,
ein Stück mazedonischen Bodens zu besetzen? Nach unseren Erfahrungen
würde es nur Papierproteste hageln, und bis sich der Völkerbund zu einer Tat
auf raffen würde, wäre längst ein fait accompli geschaffen. Vor neun Jahren hat
der griechische General Pangalos, um von innerpolitischen Schwierigkeiten im
eigenen Lande abzulenken, mitten im Frieden unter den fadenscheinigsten
Vorwänden einen Eroberungszug nach Bulgarisch-Mazedonien angetreten.
Wir hatten zunächst ihm nur die Grenzwachen entgegenzusetzen, aber in
wenigen Stunden stand, aufgerufen von den revolutionären Organisationen, die
Bevölkerung auf, Komitadschi und weiteste Kreise des mazedonischen Volkes
bereiteten dem Invasionsheer solche Verluste, daß nach wenigen Tagen das
griechische Abenteuer zerschellt war. Glauben Sie, daß der Handstreich ohne
die Kampfbereitschaft, in der die Geheimorganisationen dauernd das Volk
erhielten, so wirkungsvoll abgeschlagen worden wäre? Oder em anderer Fall:
nahe an der jugoslawischen Grenze liegt zugriffsbereit ein reiches Kohlen-
gebiet. Meinen Sie, es würde nicht schon längst die Jugoslawen gelockt haben,
wenn die Geheimorganisationen nicht wären? Der Komitadschi, der viel-
geschmähte und verrufene, ist ein politisches Machtmittel geworden, ein Rech-
nungsfaktor der Strategie.
Ich sagte: „Der nationale Kampf der mazedonischen Organisationen leuchtet
mir ein; aber was für eine Bewandtnis hat es mit den fast täglichen mazedo-
nischen Brudermorden in Bulgarien? Sie wollen em Nationalreich der Maze-
donier erkämpfen, das beginnt man aber doch nicht damit, das man sich selbst
zerfleischt!“
„Seitdem unser großer Führer Todor Alexandroff kurz nach dem Frieden
durch Verräterhand gefallen ist, haben sich die revolutionären Organisationen
in die Michailoff- und Protogeroff-Gruppe gespalten. Ein Bruderkampf setzte
ein und mußte kommen, denn bei einem durch Landesgrenzen zerhackten
Volk kann nur eine einheitliche Organisation sich durchsetzen. Der Bruder-
kampf mag brutal gewesen sein, aber hat den Erfolg gebracht, daß heute die
Michailoff-Gruppe der fast unbestrittene Vertreter des revolutionären Ge-
dankens ist, Protogeroff ist dahin und die Trümmer seiner Organisation führen
einen verzweifelten und dem Gesamtinteresse abträglichen Kampf. Die „Imro ,

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