Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt
— 14.1934
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0637
DOI Heft:
Heft 8/9 - Utopie U.A.M
DOI Artikel:Drei weitere Monographien von Blaustrümpfen
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Amalie Schoppe, geb. Weiße.
1858 starb, fern vom deutschen Lande, wo sie einst eine
vielgenannte und beliebte Persönlichkeit war, Amalie Emma
Sophie Schoppe, geb. Weiße. Sie ward 1792 auf der dänischen
Insel Fehmarn geboren und erhielt später von einem Stiefvater
seltsamerweise medizinischen Unterricht, namentlich in der
ars obstetrica (Hebammenkunst), bis sie 1811 die Gattin des
in Hamburg lebenden Dr. jur. Schoppe wurde. Ihre Schrift-
stellerei war, wie so oft, das Ergebnis einer unglücklichen Ehe,
ohne daß man sagen konnte, daß das vermißte Glück in ihren
Schriften zu finden iväre. Der leidenschaftlichen Natur dieser
Frau fehlte, trofy ihrer Befreundung mit Rosa Maria, der
Schwester Varnhagens, Zucht und Erziehung, obschon sie mit
dem übrigens sehr früh wieder verstorbenen Gatten eine Zeit-
lang selbst eine Erziehungsanstalt in Hamburg leitete. Doch
gelang es ihr, da Schoppes Tod der Witwe die Sorge für fernere
Existenz nahe brachte, eben als Schriftstellerin, sich anfangs
eine sehr behagliche Lebensstellung und einen Ruhm zu ver-
schaffen, der freilich nur vorübergehend sein sollte. Sie schrieb
ungemein schnell und ungemein viel, und ihre Erzählungen und
Novellen (in 8 Bänden gesammelt) lassen sich ungefähr mit
denen der gleichzeitig schreibenden Henriette Hanke ver-
gleichen. Wie diese, bleibt auch sie noch jener prätentiösen
Manier der „Blaustrümpfe“ fern, welche erst eine spätere Zeit
in Aufnahme brachte. Eigentlich poetischer Anschauung und
Empfindung war sie nicht mächtig, wie ihre im „Morgenblatt“
und in „Almanachen“ zerstreut erschienenen lyrischen Gedichte
beweisen. Für das Beste hält man ihre „Erinnerungen aus dem
Leben“. Auch für die Jugend berechnete sie mehrere ihrer
Arbeiten, und über den „Bürgerlichen Haushalt“ gab sie ein
Buch heraus, ohne freilich ihr Thema vielleicht je praktisch
kennengelernt zu haben. Auf Bitten ihres früher höchst
romantischen und abenteuerlichen, nach Amerika ausgewan-
derten Sohnes begab auch sie sich 1851 übers Meer und lebte
fortan auf des Genannten Besitzung in dem kleinen Städtchen
Shenektady unweit Albany im Staate Neuyork. Die letzten
Jahre der bereits in den Sechzigen stehenden Greisin verliefen
ruhig und glücklich im Kreise ihrer Familie, und als sie starb,
empfanden das sehr viele Einwohner der kleinen Stadt als
einen schmerzlichen Verlust, denn die Tote hatte sich unter
ihnen zahlreiche Freunde zu erwerben gewußt.
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1858 starb, fern vom deutschen Lande, wo sie einst eine
vielgenannte und beliebte Persönlichkeit war, Amalie Emma
Sophie Schoppe, geb. Weiße. Sie ward 1792 auf der dänischen
Insel Fehmarn geboren und erhielt später von einem Stiefvater
seltsamerweise medizinischen Unterricht, namentlich in der
ars obstetrica (Hebammenkunst), bis sie 1811 die Gattin des
in Hamburg lebenden Dr. jur. Schoppe wurde. Ihre Schrift-
stellerei war, wie so oft, das Ergebnis einer unglücklichen Ehe,
ohne daß man sagen konnte, daß das vermißte Glück in ihren
Schriften zu finden iväre. Der leidenschaftlichen Natur dieser
Frau fehlte, trofy ihrer Befreundung mit Rosa Maria, der
Schwester Varnhagens, Zucht und Erziehung, obschon sie mit
dem übrigens sehr früh wieder verstorbenen Gatten eine Zeit-
lang selbst eine Erziehungsanstalt in Hamburg leitete. Doch
gelang es ihr, da Schoppes Tod der Witwe die Sorge für fernere
Existenz nahe brachte, eben als Schriftstellerin, sich anfangs
eine sehr behagliche Lebensstellung und einen Ruhm zu ver-
schaffen, der freilich nur vorübergehend sein sollte. Sie schrieb
ungemein schnell und ungemein viel, und ihre Erzählungen und
Novellen (in 8 Bänden gesammelt) lassen sich ungefähr mit
denen der gleichzeitig schreibenden Henriette Hanke ver-
gleichen. Wie diese, bleibt auch sie noch jener prätentiösen
Manier der „Blaustrümpfe“ fern, welche erst eine spätere Zeit
in Aufnahme brachte. Eigentlich poetischer Anschauung und
Empfindung war sie nicht mächtig, wie ihre im „Morgenblatt“
und in „Almanachen“ zerstreut erschienenen lyrischen Gedichte
beweisen. Für das Beste hält man ihre „Erinnerungen aus dem
Leben“. Auch für die Jugend berechnete sie mehrere ihrer
Arbeiten, und über den „Bürgerlichen Haushalt“ gab sie ein
Buch heraus, ohne freilich ihr Thema vielleicht je praktisch
kennengelernt zu haben. Auf Bitten ihres früher höchst
romantischen und abenteuerlichen, nach Amerika ausgewan-
derten Sohnes begab auch sie sich 1851 übers Meer und lebte
fortan auf des Genannten Besitzung in dem kleinen Städtchen
Shenektady unweit Albany im Staate Neuyork. Die letzten
Jahre der bereits in den Sechzigen stehenden Greisin verliefen
ruhig und glücklich im Kreise ihrer Familie, und als sie starb,
empfanden das sehr viele Einwohner der kleinen Stadt als
einen schmerzlichen Verlust, denn die Tote hatte sich unter
ihnen zahlreiche Freunde zu erwerben gewußt.
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