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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 14.1934

DOI Heft:
Heft 10 - Bauern
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Bartheel, Carla: In der Heide
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https://doi.org/10.11588/diglit.62258#0732

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nicht, Schäfer sind so dumm wie ihre Schafe. . .“ Es ist ihm gar nicht
einsam, die Welt ist an sein Heidland noch nicht angerückt, „sie wäre zu
unruhig . . .“
Ich gehe durch Dörfer, wo ein einziges Gewese ein Dorf für sich aus-
macht. Jedes Gehöft eichenumhegt: Solange noch Eichen wachsen in
alter Kraft um Hof und Haus, solange stirbt in Niedersachsen die alte
Stammesart nicht aus. Auf den Dachgiebeln übereinandergekreuzte Pferde-
köpfe, die sollen alles Ungemach abhalten. Um jeden Hof, der sich von
Generation zu Generation vererbt, wie kleine Knusperhäuschen die alten
verwitterten Speicher und Wohnhäuser der Ahnen. Über den Eichentüren
Sprüche mit der Jahreszahl 1600.
Kinder sind den Heidjern heilig. Oft kommt jedes Jahr eins; es ist
abwechselnd mal dem Vater, mal der Mutter „aus dem Gesicht geschnitten“,
aber flachsblond und tiefen Blaublicks sind alle. Die junge Bäuerin sieht
aus wie der Apfelbaum in Blust. Das Heidekraut macht sie stark.
Wenn hier die Bäuerin soviel Morgen besitzt wie ein Rittergut hat,
unterscheidet sie sich weder in der Kleidung noch in der Arbeit von ihrer
Magd. Nur die Sonntage kennen das hübschere Kleid und den gefälligen
Hut, der Sonntag und die Kirche, nachher stehen sie ein paar Minuten
neben dem Mann an der Dorfecke müßig, und dann lächeln sie auch und
sprechen ein paar schnelle Worte.
Das Land ist arm, aber ein echter Heidjer ist zäh, anspruchslos und
zufrieden. Einer ruft dem andern zu, der betrübt die Ernteaussichten
betrachtet: „Hier helpt kein Bäen, heer mot Mehs hin.“
Ihre Vorfahren waren ein freies, aber strenges Volk. Hart bestraften
sie Feigheit, Lug und Ehebruch. Die Ehebrecher, an Händen und Füßen
gebunden, legte man ins Moor unter ein Geflecht, darauf traten die Be-
trogenen und drückten die Sünder in ihr feuchtes Grab.
Gutmütig ist der Heidebauer. Der durstige Wanderer bekommt von
der Magd ein Glas Milch, vom Bauer ein paar Äpfel.
. . . Vielleicht haben die trutzigen Eichen die Schwüre der alten Germanen
vernommen. Ach, könnten auch wir zu solcher Höhe emporwachsen, ach,
könnten sich unsere Taten, unsere Liebe so weit und breit verzweigen
wie sein schützendes Blätterdach. Wie Vögel flattern viele Träume auf. . .

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Ö04
 
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