Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 19.1919/​1920

DOI issue:
Heft 8
DOI article:
Widmer, Hermann: Der Reserveberuf des Künstlers
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.36585#0054

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
50

Die IVcrsgatt der Kunfi

XIX, Heft 8

ganzes Studium, alte Studienreisen und den Gebens«
unterhalt sür geh und seine Familie damit »erdient,
dag er nebenbei Entmürsc sür sein Sondersach, das
er gründlich fennt, ansertigte. Und da»on lebt er
in der Hauptsache tjcute noch, denn obsdjon seine
Bilder in den UusgeEungen angenehm aussallen,
stets gut besprodjen und tjäusig 3U guten preisen
»erlaust merden, iji das Einkommen, das er daraus
crsiett, doch ein »iel 3U unsidjeres, als dag er es
magen fönnte, sein altes stcljeres Brot deshalb aus*
jugeben. Um so angenehmer merden diese Bilder*
»erfäuse natürlich als «gusdjug empsunden, und aus
diesem gdjeren und »orgdjtigen IVege ist es auch
einem Küngler »on mittlerer Begabung sehr mofjl
möglich, geh eine gute E£isten3 und mit der §eit
»ielleicijt sogar einen besdjeidenen IVoljIganö 3U
schassen. Ein anderer Küngler r»on diesem Hang
hat std) aus solgende, nicht gerade alltägliche IVeise
einen stdjeren Hintergrund 3U sdjassen gemugt:
Bachdem er neun 3a^rc gudiert und als Künsiler
sdjon gan3 hübsdjc «Ersolge er3ielt hatte, »erlieg er
plöglidj die Kunstafadcmie und bcsuchte —-
die Scfjneiderafademie! Und das halte solgenden
©rund: Es mar ihm eine Stellung an einer gmangs*
sortbildungssdjule 5«gesagt morden, mo er Schneider*
iehrlinge im 5ach$eidjnen unterrichten süllte. Da
mugte er doch sclber erji eine Hljnung »om «gusdjneiden
haben, und so besuchte er eben die Schneidcrafademie,
um das 5U erlernen. Später hat er audj noch öie
höhere XÜebesdjule besuefjt, um stdj im gusctjneiden
und Schnitt3ei«Jjnen »on Damenhemden und sonstiger
IVäsctje untcrriidjtcn 3U lassen! 3efe* hat er sdjon
seit 3aljren diese Geljrergeüung und malt, da die
Unterricijtssiunden meiji abends liegen, am Cage
lusiig seine Bilder, die immer angenehm bemerft
und fjäugg »erlaust merden, somie auch in Ver»iel*
sältigungen belannt gemorden sind!
§ur Kunsi gehört eine geroisse Buhe und Sicher*
heit der Eugens, man dars nicht daraus angemiesen
sein und nicht daraus märten müssen, bis ein IVers
»erlaust mird, sonst gerät der Künsiler leidjt in
©esaljr, dag er, mährenddem er seine IVerfe seijasst,
nicht der Kunst allein dient, sondern auch mit dem
Ulammon liebäugelt, und dann ist es mit der ernsien
Kunsi und mit dem 5ortsctjreiten in dcrselben ge*
möljnlich »orbei!
Sehen mir uns jegt die Künstler an, die noch
einen Schritt meiter gelommen sind, als die oben
ermähnten. 3*^1 meine diejenigen, die nach dem
Urteil der Kollegen so »orsügltdje Wette schassen,
dag ge einer Uus5eicfjnung sür mürdig besunden
merden, oder diejenigen, deren IVerfe sür mcrtooE
genug gehalten merden, um einem Uluscum einoer*
leibt ju merden. Die Uluscumsanfäuse merden
häusig aus den Vorsdjlag der Gandesfunstfommisgon
hin gemacht, in meldjer gleichsalls »or3Ügliche Künstler
sifeßm 3h ermähne das darum, meil ich damit
Jagen miH, dag die Wette nach ernger sach»erstän*
diger Prüsung in die Uluseen ausgenommen merden.

Die ^jaljl der Künstler, die diesen Qualitätsgrab
erreicht, ist natürlich no«äj erheblich Heiner, als die
»orljer betriebene ©ruppe. Der pro3entsag, im
Verhältnis 3ur ©esamt3ahl der Berussfünstier, ist
schon sehr 3usammengeschmol3en, »iele, »iele stnd aus
einer niedrigen Stuse steljen geblieben und fommen
nicht mehr meiter.
Da soEte man do«h glauben, dag diejenigen
die diesen fünstlerischen Hang erreicht haben, unter
assen Umständen »on dem Verlaus ihrer IVetfe
leben fönnen! Und trogdem trifst das sür
einen grogen Ceil nicht 3U! Selbgoergändlictj
hat die <5atjl derer, die es fönnen, im Verhältnis
erheblich 3ugenommen. Es märe ja auch 3um Ver»
3meiseln, menn das nicht der 5aE märe! Uber seljen
mir uns diese Künstler genauer an, so merden mir
immer sinden, dag ge in gemissem Sinne Publifunts«
maler sind! Hidjt soldje Publifumsmaler, mie die
srüher ermähnten Kitsdjer, aber doch soldje, die
mehr oder meniger, sreimiEig oder unsreimissig den
©esehmaef des publifums tressen. Sobald ste »om
publifum und den Künglern anerfannt merden,
»erlausen ge, merden ge aber nur »on den KoEegen
aEcin anerfannt, »erlausen ge eben nicht! Ulan
fönnte nun sragen: 3«, marum sdjasst nidjt jeder
Künstler so, dag seine IVerfe auch dem meniger
Sadj»ergändigen gesaEen, die Kunstmerfe gnd doch
am legten Ende da3U da, dag ge »om publifutn
gelaust und in den IVoBjnungen auch solctjer £eute
ausgesteEt und ausgehängt merden, die feine aus*
gesuchten Kunstfenner stnd! Die Hntmort lautet:
IVeil nidjt jeder Künstler in dieser IVeise schassen
sann! Der echte Künstler fann geh nur nach seinem
angeborenen Calent richten, und er mird nur dann
etmas mirflidj ©utes leigen, menn er seinen seingen
Hegungen nadjspürt und nur das gestaltet, rnoiu
ihn eine innere Sehnsudjt treibt! Hidjt nur fann
er nidjt sagen: 3h merde Porträtmaler, denn das
ist am lufratiosten, oder ich merde Schlachtenmaler,
oder ich merde Cands hastsmaler, denn es maetjt
mir Vergnügen, in 5eld und IValb herum3ustreisen,
— sondern menn ihn seine Begabung am gärigen
aus ein ©ebiet »ermeist, so mug er eben dieses
©ebiet, und nur dieses, beaefern, menn er etmas
©utes leigen miss. Über nicht nur das, sondern
er mug aus diesem eng umgreifen ©ebiet auch
noch in gan3 persönlidjer IVeise schassen, er fann
als Gandsdjastsmaler 3. B. nicht sagen: dieser oder
jener SpesialfoEege gesäEt dem Publifum, ich merde
audj so malen, sondern nur nach seiner innergen
Heigung fann er arbeiten, nur nach seiner aller*
persönlidjgen 2lrt fann er die Hatur übersegen, —
song mird er nie etn bedeutendes Kungmerf heruor*
bringen. Es dauert manchmal sehr lange, bis ein
Künstler die stärfste Seite seiner Begabung erfannt
hat, — man sagt dann, „er hat geh selBg ge*
sunden!" Dag ein Künstler »ielseitig ist, ist feine
Seltenheit und liegt meist nur daran, dag er ge*
3t»ungen mar »ielerlei 3U treiben und geh entspreäjenö
 
Annotationen