dem Aspekt einer qualitätvollen städtebaulichen
Gesamtkonzeption, sondern vielmehr als archi-
tektur- und sozialgeschichtliches Dokument der
Zeit zwischen den beiden Weltkriegen betrachtet
werden kann.
Im einzelnen galt es, nicht nur zu wirtschaftlich
angemessenen Lösungen des Problems der
Wohnungsnot zu kommen, sondern auch unter
dem Anspruch eines sozialen Ethos Wohnraum
von hoher Lebensqualität zu schaffen. Dem letzt-
genannten Ziel dienten die von Schumacher erar-
beiteten, 1918 veröffentlichten Richtlinien als Vor-
aussetzung. Unter anderem forderte er die Quer-
lüftung für jede Wohnung, nicht mehr als zwei
Wohnungen an einem Treppenhaus und in einem
Geschoß, Treppenräume und Aborte an der Fen-
sterwand und Keller- oder Bodenraum für jede
Wohnung. Als Lösung der Kleinwohnungsfrage
bot sich der drei- bis viergeschossige Etagen-
wohnbau mit begrüntem Hof an, wie er auch in
Cuxhaven Anwendung fand.
An dem damals neu anzulegenden Elfenweg, der
nach Westen vom Karl-Olfers-Platz abzweigt und
für den der Hamburger Architekt Friedrich Oster-
meyer eine Gesamtplanung vorlegte, ließ die
„Gemeinnützige Heimgesellschaft Cuxhaven“
1926/27 nach Plänen von Hans Land ein Wohn-
heim für in der Fischindustrie tätige, ledige Frau-
en erbauen (Elfenweg 15/17). Stilistisch gehört
es jener Strömung der um Reformen bemühten
Architektur an, die sich vor allem an einer hand-
werklichen Bautradition der Architektur um 1800
orientierte. Das Mansarddach, die Abtrennung
des Erdgeschosses durch ein Gesimsband von
den beiden Obergeschossen und die quaderimi-
tierende Lisenengliederung der Mansarde neh-
men hierauf Bezug. Konventionell sind auch die
Verteilung der Fenster in der Wandfläche und die
Umrahmung der beiden rundbogigen Eingänge.
Lediglich die Fensterzonen über den beiden
symmetrisch plazierten Eingangsachsen fallen
aus dieser Gestaltung heraus. In einer spitzwink-
lig vortretenden Umrahmung sind jeweils zwei,
aus drei schmalen Öffnungen bestehende Fen-
stergruppen, deren Diagonalsprossen sich von
der übrigen Fensterunterteilung unterscheiden, in
der Vertikalen zusammengefaßt. Das Brüstungs-
feld dazwischen füllt eine schachbrettartige Zier-
setzung der Ziegel aus.
Eine über die individuelle Durchbildung hinausrei-
chende, raumschaffende Lösung wurde für die
Westseite des heutigen Karl-Olfers-Platzes ge-
funden, die ihre Wirkung aus der Höhen- bzw.
Tiefenstaffelung der einzelnen Baukörperteile, in
die Elemente des Neuen Bauens Eingang fan-
den, gewinnt. Die für 74 Wohnungen von
P. H. Noris im Auftrag der „Bauhütte Cuxhaven“
konzipierte südliche Zeile (Delftstr. 15-19) be-
steht aus einem die leichte Kurve der Delftstraße
aufnehmenden, dreigeschossigen Trakt, wobei
das Erdgeschoß gegenüber den beiden Oberge-
schossen zurückspringt. Er schließt mit einer
konventionellen Dachform ab und wird in der Ho-
rizontalen durch schmale Ziegelbänder in Sturz-
und Sohlbankhöhe der in der Maueraußenfläche
querrechteckig liegenden Fenster unterstrichen.
Dieser Gestaltung folgend, ragt an der Südecke
des Elfenwegs und dessen Fußweg auf Pfeilern
übergreifend der um zwei Stockwerke höhere
Eckblock auf, in seiner Kantigkeit durch das ab-
schließende Flachdach betont. Das über dem
Fußweg aufsteigende Mauerstück markiert als
ungegliederte und nicht durchfensterte Fläche
deutlich den Abschluß des Gebäudes. Eine kor-
respondierende Gestaltung weist das gegen-
überliegende, die Nordostecke des Elfenwegs
flankierende Gebäude Elfenweg 6 auf, ebenso
der von ihm aus zur Poststraße vorspringende,
den Straßenverlauf mit leichter Kurvung der Ost-
fassade reflektierende Kubus Poststr. 33, der mit
einem die Obergeschosse zusammenfassenden
Eckerker den Schlußpunkt der Gebäudegruppe
im Norden setzt. Als Merkmale des Neuen Bau-
ens, die beide Gebäude charakterisieren, sind
unter anderem die klare kubische Baukörper-
form, das über einem Dachgeschoß flach ab-
schlie8Bende Dach und die ursprüngliche, auf
Sprossen verzichtende, vertikale Unterteilung der
liegenden Fenster in vier Bahnen anzusprechen,
die heute nicht mehr vorhanden ist und sich da-
mit verändernd auf die Proportionen auswirkt. An
der Poststraße folgt auf der Westseite mit der
Nr. 37 ein im Erdgeschoß ziegelverblendetes, in
den drei Obergeschossen verputztes Mehrfamili-
enhaus (erb. 1911), dessen Aufriß von der Verti-
kaltendenz der kolossalen Lisenengliederung be-
Z BEECNEEEROGEEEÖEETTEEATEEEETEEETEEENERE HA
Delftstr. 13, 1928/29, P. H. Noris
Poststr. 20, Plastik von R. Kuöhl
stimmt wird. Indem die Wandflächen bis auf
hochrechteckig unterteilte Brüstungsfelder fast
völlig durch Fenster aufgelöst sind, wird der
tektonische Aspekt der neoklassizistischen For-
mensprache unterstrichen. Das gegenüberlie-
gende Wohn-/Geschäftshaus Poststr. 20-22/
Am Bauhof 1, im Auftrag der „Bauhütte Cuxha-
ven“ 1928/29 durch R. Alberts errichtet, bildet
den Auftakt zur östlichen Bebauung der 1929
verbreiterten Poststraße. Die städtebaulich mar-
kante Ecksituation nimmt ein einschließlich des
Dachbodens sechsgeschossiger Baublock unter
Flachdach ein, dem an der Poststraße ein vierge-
schossiger Trakt mit gleichförmiger Reihung der
zwölf Fensterachsen folgt, denen im Dach jeweils
eine Gaube zugeordnet ist. Durchlaufende Zie-
gelbänder in Sohlbank- und Sturzhöhe unterstrei-
chen seine horizontale Erstreckung. Die Fenster
werden seitlich durch Ziersetzungen gerahmt.
Demgegenüber verzichtet der Eckbau auf jeg-
liche Detailbehandlung. Als besonderer Blick-
punkt im städtebaulichen Raum fällt die Ausfor-
mung der stumpfwinkligen Südwestecke des
Kopfbaues durch einen schluchtartig wirkenden
Mauereinschnitt auf. Über dem hier in Sohlbank-
Abendrothstr. 8, 1928/29, P. H. Noris
X
Elfenweg 15, 1926/27, H. Land
163
Gesamtkonzeption, sondern vielmehr als archi-
tektur- und sozialgeschichtliches Dokument der
Zeit zwischen den beiden Weltkriegen betrachtet
werden kann.
Im einzelnen galt es, nicht nur zu wirtschaftlich
angemessenen Lösungen des Problems der
Wohnungsnot zu kommen, sondern auch unter
dem Anspruch eines sozialen Ethos Wohnraum
von hoher Lebensqualität zu schaffen. Dem letzt-
genannten Ziel dienten die von Schumacher erar-
beiteten, 1918 veröffentlichten Richtlinien als Vor-
aussetzung. Unter anderem forderte er die Quer-
lüftung für jede Wohnung, nicht mehr als zwei
Wohnungen an einem Treppenhaus und in einem
Geschoß, Treppenräume und Aborte an der Fen-
sterwand und Keller- oder Bodenraum für jede
Wohnung. Als Lösung der Kleinwohnungsfrage
bot sich der drei- bis viergeschossige Etagen-
wohnbau mit begrüntem Hof an, wie er auch in
Cuxhaven Anwendung fand.
An dem damals neu anzulegenden Elfenweg, der
nach Westen vom Karl-Olfers-Platz abzweigt und
für den der Hamburger Architekt Friedrich Oster-
meyer eine Gesamtplanung vorlegte, ließ die
„Gemeinnützige Heimgesellschaft Cuxhaven“
1926/27 nach Plänen von Hans Land ein Wohn-
heim für in der Fischindustrie tätige, ledige Frau-
en erbauen (Elfenweg 15/17). Stilistisch gehört
es jener Strömung der um Reformen bemühten
Architektur an, die sich vor allem an einer hand-
werklichen Bautradition der Architektur um 1800
orientierte. Das Mansarddach, die Abtrennung
des Erdgeschosses durch ein Gesimsband von
den beiden Obergeschossen und die quaderimi-
tierende Lisenengliederung der Mansarde neh-
men hierauf Bezug. Konventionell sind auch die
Verteilung der Fenster in der Wandfläche und die
Umrahmung der beiden rundbogigen Eingänge.
Lediglich die Fensterzonen über den beiden
symmetrisch plazierten Eingangsachsen fallen
aus dieser Gestaltung heraus. In einer spitzwink-
lig vortretenden Umrahmung sind jeweils zwei,
aus drei schmalen Öffnungen bestehende Fen-
stergruppen, deren Diagonalsprossen sich von
der übrigen Fensterunterteilung unterscheiden, in
der Vertikalen zusammengefaßt. Das Brüstungs-
feld dazwischen füllt eine schachbrettartige Zier-
setzung der Ziegel aus.
Eine über die individuelle Durchbildung hinausrei-
chende, raumschaffende Lösung wurde für die
Westseite des heutigen Karl-Olfers-Platzes ge-
funden, die ihre Wirkung aus der Höhen- bzw.
Tiefenstaffelung der einzelnen Baukörperteile, in
die Elemente des Neuen Bauens Eingang fan-
den, gewinnt. Die für 74 Wohnungen von
P. H. Noris im Auftrag der „Bauhütte Cuxhaven“
konzipierte südliche Zeile (Delftstr. 15-19) be-
steht aus einem die leichte Kurve der Delftstraße
aufnehmenden, dreigeschossigen Trakt, wobei
das Erdgeschoß gegenüber den beiden Oberge-
schossen zurückspringt. Er schließt mit einer
konventionellen Dachform ab und wird in der Ho-
rizontalen durch schmale Ziegelbänder in Sturz-
und Sohlbankhöhe der in der Maueraußenfläche
querrechteckig liegenden Fenster unterstrichen.
Dieser Gestaltung folgend, ragt an der Südecke
des Elfenwegs und dessen Fußweg auf Pfeilern
übergreifend der um zwei Stockwerke höhere
Eckblock auf, in seiner Kantigkeit durch das ab-
schließende Flachdach betont. Das über dem
Fußweg aufsteigende Mauerstück markiert als
ungegliederte und nicht durchfensterte Fläche
deutlich den Abschluß des Gebäudes. Eine kor-
respondierende Gestaltung weist das gegen-
überliegende, die Nordostecke des Elfenwegs
flankierende Gebäude Elfenweg 6 auf, ebenso
der von ihm aus zur Poststraße vorspringende,
den Straßenverlauf mit leichter Kurvung der Ost-
fassade reflektierende Kubus Poststr. 33, der mit
einem die Obergeschosse zusammenfassenden
Eckerker den Schlußpunkt der Gebäudegruppe
im Norden setzt. Als Merkmale des Neuen Bau-
ens, die beide Gebäude charakterisieren, sind
unter anderem die klare kubische Baukörper-
form, das über einem Dachgeschoß flach ab-
schlie8Bende Dach und die ursprüngliche, auf
Sprossen verzichtende, vertikale Unterteilung der
liegenden Fenster in vier Bahnen anzusprechen,
die heute nicht mehr vorhanden ist und sich da-
mit verändernd auf die Proportionen auswirkt. An
der Poststraße folgt auf der Westseite mit der
Nr. 37 ein im Erdgeschoß ziegelverblendetes, in
den drei Obergeschossen verputztes Mehrfamili-
enhaus (erb. 1911), dessen Aufriß von der Verti-
kaltendenz der kolossalen Lisenengliederung be-
Z BEECNEEEROGEEEÖEETTEEATEEEETEEETEEENERE HA
Delftstr. 13, 1928/29, P. H. Noris
Poststr. 20, Plastik von R. Kuöhl
stimmt wird. Indem die Wandflächen bis auf
hochrechteckig unterteilte Brüstungsfelder fast
völlig durch Fenster aufgelöst sind, wird der
tektonische Aspekt der neoklassizistischen For-
mensprache unterstrichen. Das gegenüberlie-
gende Wohn-/Geschäftshaus Poststr. 20-22/
Am Bauhof 1, im Auftrag der „Bauhütte Cuxha-
ven“ 1928/29 durch R. Alberts errichtet, bildet
den Auftakt zur östlichen Bebauung der 1929
verbreiterten Poststraße. Die städtebaulich mar-
kante Ecksituation nimmt ein einschließlich des
Dachbodens sechsgeschossiger Baublock unter
Flachdach ein, dem an der Poststraße ein vierge-
schossiger Trakt mit gleichförmiger Reihung der
zwölf Fensterachsen folgt, denen im Dach jeweils
eine Gaube zugeordnet ist. Durchlaufende Zie-
gelbänder in Sohlbank- und Sturzhöhe unterstrei-
chen seine horizontale Erstreckung. Die Fenster
werden seitlich durch Ziersetzungen gerahmt.
Demgegenüber verzichtet der Eckbau auf jeg-
liche Detailbehandlung. Als besonderer Blick-
punkt im städtebaulichen Raum fällt die Ausfor-
mung der stumpfwinkligen Südwestecke des
Kopfbaues durch einen schluchtartig wirkenden
Mauereinschnitt auf. Über dem hier in Sohlbank-
Abendrothstr. 8, 1928/29, P. H. Noris
X
Elfenweg 15, 1926/27, H. Land
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