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Böker, Doris [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 19): Landkreis Cuxhaven — Braunschweig, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.44259#0271

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seite des zum Deichweg traufständig ausgerich-
teten Ziegelbaus Deichweg 1 mit der charakte-
ristischen historistischen Ziersetzung an Gesim-
sen und Fensterverdachungen (erb. wohl siebzi-
ger Jahre des 19. Jh.). Nach Westen schließen
sich die gleichfalls zweigeschossigen, jedoch in
der Firsthöhe deutlich niedrigeren Häuser Bei der
Kirche 11 sowie Bei der Kirche 9/10 an, deren
Ziegelfassaden durch Veränderungen im Fen-
sterbereich gestört sind. Baugeschichtliche
Bedeutung erlangen die Gebäude Nr. 10 und
Nr. 11 durch die Fachwerkkonstruktion ihrer rück-
wärtigen Traufseiten in Geschoßbauweise. Der
Befund deutet auf eine frühere Entstehungszeit
hin, als es die wohl gegen Ende des 18.Jh. bzw.
zu Anfang des 19. Jh. errichteten Ziegelfassaden
vermuten lassen. Das Haus Nr. 10, so erbrachte
eine 1996 vorgenommene dendrochronologi-
sche Untersuchung, war ursprünglich ein einzeln
stehender, zweigeschossiger Wandständerbau
in Geschoßbauweise von fünf Fach Länge mit ei-
nem Kehlbalkendach in gebundenem System
zwischen Steilgiebeln, der 1572 oder kurze Zeit
später errichtet wurde. Nr. 9 stellt eine jüngere,
stockwerkweise abgezimmerte Erweiterung dar.
Beide Gebäude wurden unter einem Walmdach
zusammengefaßt und erhielten nachträglich eine
Backsteinfassade. Einen stattlichen Abschluß
dieser Reihe bildet das klassizistische Wohnhaus
Bei der Kirche 8 (erb. um 1820), das - im Ober-
geschoß auf drei Seiten in Fachwerk ausgeführt —
mit seiner neunachsigen Ziegelfassade zu der
westlich den Platz tangierenden Straße Bei der
Kirche hin orientiert ist. Aufgrund der nach Nor-
den folgenden Baulücke steht das unmittelbar
vor dem Westturm gelegene, ehemalige Wohn-
geschäftshaus Bei der Kirche 4 heute isoliert.
1896 errichtet, wurde die Nordwestecke des
zweigeschossigen Ziegelbaus im Bereich des
Ladens entsprechend der leichten Straßenbie-
gung abgeschrägt.

Das Ortsbild Oberndorfs wird, besonders gut an
der Hauptstraße nachzuvollziehen, vorrangig
durch Architektur des 19. und beginnenden
20. Jh. geprägt, wobei sich in einer dichten Rei-
hung giebelständige und traufständige Wohn-
häuser abwechseln. Bei einigen der in der Regel
später überformten Gebäude finden sich Relikte
von Fachwerkarchitektur des 18.Jh. Ältere Wohn-
haustypen repräsentieren die beiden Gebäude
Deichstr. 32 und Nr. 23. Der am Beginn der
Deichstraße nördlich der Kirche unweit der alten
Fährstelle stehende Ziegelbau Deichstr. 32 (erb.
1759) zeigt das Beispiel eines eingeschossigen,
giebelständigen Hauses zu fünf Achsen, wobei
Winde und Ladeluke über der mittigen Eingangs-
tür die Speicherfunktion des Dachgeschosses
verdeutlichen. Ebenfalls unter Satteldach, jedoch
mit seiner Fachwerkfassade traufständig zur
Straße ausgerichtet, wurde das kleine Wohnhaus
Deichstr. 23 (erb. um 1860) errichtet.

Im ausgehenden 19. Jh. wird der städtische Ein-
fluß auf die Architektur spürbar, so z. B. bei dem
Ziegelbau Hauptstr. 16 (erb. 1896), der — seinen
originalen Fassadenaufriß mit den großen Schau-
fenstern im Erdgeschoß bewahrend — eine hand-
werklich sorgfältige Ausführung mit aufwendiger
Ziersetzung zeigt. Vergleichbar ist das ziegelver-
blendete 1 1/2-geschossige Wohnhaus Haupt-
str. 26 (erb. 1905) einzuordnen, das sowohl in
der asymmetrischen Baukörperform als auch der
eklektizistischen Verwendung barockisierender

Putzornamente späthistoristischen Gestaltungs-
ideen folgt. Eine in Grund- und Aufriß etwas
großzügigere Variante dieses Typs vertritt das am
Ende der nördlichen Deichreihenbebauung ste-
hende Haus Deichstr. 2 (erb. 1905). Eine stra-
Benseitig vorgelegte, mit zahlreichen Details ge-
schmückte Veranda, unterschiedliche Fensterfor-
men mit eigenwilliger Oberlichtunterteilung sowie
Putzdekor in Jugendstilornamenten betonen ei-
nen um Individualität bemühten Ausdruck. Eben-
so wie hier tritt auch bei der 1910 im Landhausstil
errichteten Villa Bahnhofstr. 1 ein Mitglied der
Gutsbesitzerfamilie v.d. Höden als Bauherr in Er-
scheinung. Der durch Risalite und Erker plastisch
konturierte Baukörper, das Zierfachwerk als Gie-
belschmuck sowie eine akzentuierende Fenster-
umrahmung mit vegetabilischen Jugendstilmoti-
ven sind charakteristische Merkmale dieses
Landhaustyps. Eine schlichtere Ausführung da-
von dokumentiert am westlichen Ortsausgang,
den der Entwässerungsgraben der Ackerwettern
markiert, das Gebäude Bahnhofstr. 51 (erb.

1909), jedoch gleichfalls mit aufwendigem Putz-
dekor um die Fenster des zweigeschossigen
Straßentrakts. Mit der ehemaligen landwirtschaft-

Oberndorf, ehem. Umspannwerk, 1906

Oberndorf, Bei der Kirche 8, um 1820

lichen Winterschule Bahnhofstr. 16 ist der Punkt
gekennzeichnet, bis zu dem sich die Bebauung
der nördlichen Bahnhofstraße gegen Ende des
19.Jh. vorgeschoben hatte. Sowohl die ortsge-
schichtliche Bedeutung als auch der Gestaltwert,
den u.a. der über die Trauflinie hinausragende
Mittelrisalit und die gliedernden Elemente wie
Ecklisenen und Gesimse in variierenden Friesfor-
men begründen, tragen zur Denkmalqualität des
zweigeschossigen Ziegelbaus bei. Als eine 1906
entstandene „elektrische Centrale“, wie es in
dem von Zimmermeister C. H. Meyer (Bentwisch)
verfaßten Entwurf heißt, stellt das Gebäude Jung-
fernstieg 5 eine im Landkreis seltene Baugattung
dar. Da der Betrieb schon in den zwanziger Jah-
ren eingestellt wurde, hat sich nur die architekto-
nische Hülle, eine Maschinenhalle in Rohziegel-
bauweise mit dem dazu über hohem Souterrain
quergestellten Wohnhaus für den Maschinenwär-
ter, erhalten. Hervorzuheben sind die gestalteri-
schen Details, wie z. B. die mit Vierpaßformen ge-
schmückten gußeisernen Rundbogenfenster der
Halle sowie die ebenfalls gußeiserne Treppe mit
klassizistischen Motiven, die hier wohl eine Zweit-
verwendung gefunden hat.





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