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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Septemberheft
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Reiners, Heribert: Die große Schweizer Kunstausstellung in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0022

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Kunst. Gewiß: Ars una, aber species mille. Sind ein
Hodler oder erst recht em Welti in der französischen
Kunst denkbar? Natürlich wird man die Grenzen nicht
haarscharf ziehen, es gibt Uebergänge und Blut-
mischungen. Aber es wird niemand leugnen, daß wir
einen bestimmten Begriff der Schweizer Kunst haben,
der sich gerade auf dieser Sanunelschau wieder bestä-
tigt. Man erkennt diese Kunst wieder klar als Ausdruck
einer bestimmten Rassenart. Wie diese ist sie vor allem
kraftvoll wie kaum eine andere. Die Künstler packen
zu, bevorzugen den festen, schweren Kontur. Sie sind
sachlich, ehrlich und klar. Formaie Verschwommen-
heiten liegen ihnen ebensowenig wie Bluff oder rheto-
risches Biendwerk. Es ist nicht Zufall, wenn der zer-
flatternde Impressionismus auf dieser Aussteliung einen
so geringen Raum einnimmt. Reinheit, Kraft und Klar-
lieit in der Empfindung und Gestaltung zeichnet ihre
Besten aus. Sind nicht darin ein Segantini, Hodler,
Amiet, Buri eins ?

Doch wissen sie auch zartere Klänge zu geben,
ohne aber ins Ueberkultivierte, Ueberfeine oder gar
Süßliche abzugleiten. Ihre Kunst hat etwas kraftvoll
Verhaltenes, wie die Menschen dort. In der großen
klaren Form und der Neigung zu strenger Sachlichkeit
deckt sich ihre Kunst mit einem wesentlichen Faktor
der neuen Gesinnung, die irnmer stärker zur Geltung
kommt. Daher unsere Sympathien für diese Kunst. In
erhöhtem Maße werden wir wieder empfänglich für die
uns hier gebotenen Werte. So wird diese Ausstellung
vielen deutschen Künstlern starke Anregung geben,
vielleicht manchen zur Klärung der Probleme führen.
Das darf man als ihr nicht geringstes Verdienst betonen.

Bei allem Gemeinsamen aber, das die Schweizer
bindet, findet man weniger Schulen als anderswo. Jeder
Starke von ihnen bleibt aucli eine ausgesprochene Indi-
vidualität. Bloße Nachahmung gibt es nicht. Es muß
docli auffallen, daß keiner von den Großen eine eigent-
liche Schule begründet hat. Auch diese Eigenwilligkeit
ist hier ein Zeichen der Kraft. So ist das Gesamtbild
ungewöhnlich mannigfach. Das alles wirkt zusammen,
dieser Ausstellung ihr hohes Niveau zu sichern.

Soll man nun noch einzelne aus der Reihe der zeit-
genössischen Maler nennen, so verdient wohl A m i e t
an die Spitze gestellt zu werden. So umfangreich wie
hier sah man bisher seine Werke wohl nie beisammen.
Er verdient es, in der allgemeinen Schätzung noch weit
höher aufzurücken, denn bislang wurde seine Bedeu-
tung durch Hodler etwas verdunkelt. Interessant ist
es zu sehen, wie er ganz selbständig zu verwandten
Lösungen wie jener kommt. Diesen beiden Großen im
Kuppelsaale beigestellt ist B u r i und der prachtvolle
V a 11 e t, lauter markigste Gestalten, Kerle, die echten
Schweizer, kraftvoll, rein und ehrlich. Wollte man
ihnen Form- und Gesinnungsverwandte zugesellen, so
wären B 1 a n c h e t und B r ii h 1 m a n n zu nennen,
während P e 11 e g r i n i neue Wege geht, die über
jene nocli hinausführen. Er scheint berufen, ein iiber-
ragender Führer zu werden, Schon jetzt ist er zu Lö-
sungen ungewöhnlicher formaler Größe gekommen.

Der Zug zum Monumentalen steckt ihnen allen im Blute.
Aber das malerische Element fehlt ebensowenig wie in
der Vergangenheit. Doch gehen sie nicht darin auf,
sondern wissen es mit einer großen Form zu verbinden.
So C i li g r i a , L ü s c h e r oder in anderer Art M o r -
genthaler, Surbeck, Sturzenegger,
R o b e r t, um nur einige der besten zu nennen.

Zu diesen oft schweren und mehr verhaltenen
Schweizer Temperamenten treten die französisch ein-
gestellten mit ihrer leichten duftigen Form vielfach in
deutlichen Gegensatz. Sie wirken sehr verfeinert
neben der größeren Ursprünglichkeit der andern. Wem

J. L. Agasse, Erholung im Wald. Museum Genf.

man den Vorzug gibt, ist Sache des Geschmacks und
der seelischen Verfassung. Dem reinen Impressionismus
begegnet man auch hier kaum mehr. Die neueGesinnung
zeigt sich dort in einem ähnlichen Streben nach Zu-
sammenschluß der Formen und Flächen. H o r n u n g ,
Barraud, Francois, C o u v e t sind einige aus
dieser Gruppe, deren Hauptzentrum in Genf zu suchen
ist. Natürlich greift dieses französische Idiom auch
vielfach nach Osten über.

Nur ganz vereinzelt sieht man, in persönlichen Be-
ziehungen begründet, Einflüsse aus einer fast fremden
Sphäre, von Kirchner und anscheinend Nolde, deren
Anhänger jedojfi im übrigen Kreise durchaus isoiiert
bleiben. Die Extremen aber, seien es Kubisten oder
andere Experimentierer, fehlen völlig. Die Sachlich-
keit und Gediegenheit hält die Schweizer von allen

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