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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Januarheft
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Michaelson, Hedwig: Die Landschaft in der Deutschen Graphik
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Professor Dr. W. Martin / Jubilaeum der Galerie Helbing / Pauls Cassirer / Aus der Kunstwelt / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Neue Kunstbücher / Anzeigen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0232

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Abseits von diesen hochgestimmten Meistern steht eine Reihe
schlicht der Erschließung voraussetzungsloser Natur hingegebener
Künstler, als deren bedeutendster der große Greifswalder, der
spätere Dresdener Professor, Caspar David Friedrich
gelten darf. Bezeichnend für ihn, die Holzschnittversuche in einer
herben, sparsarnen Linienfiihrung. Die stille Größe seiner schon
anfangs erwähnten Zeichnung ,,Arcona auf Rtigen bei aufgehenderri
Mond“ hat der Wiener Benedikius Piringer meistenici 1.
ir Aquatinta iibersetzt, diese bei uns seltenere Techuik, die aber in
dern schönen Blatt „Der Morgen“ von dem Dresdener C n r.
K 1 e n g e 1 hier noch einmal gut vertreten ist.

,,An’s Vaterland, an’s teure“ schließt sich eine Gruppe tüch-
tiger Münchener Graphiker. Hier findet ihr Führer, W i 1 h e 1 m
von Kobell die starken Wurzeln seiner Kraft. Aus der Um-
gebung Miinchens starnmen seine sonnigen Blätter, während D o r -
n er die „Bauernhäuser im Oberland“ für die Kunst entdeckt, die
dann freilich H. B ii r k e 1 in seinen Graphiken wie in seinen Bil-
dern zu Kulissen biedermeierlicher Volksszenen verwertet.

Im Banne ihrer Vaterstadt Nürnberg entfalten sich J o h.
C h r i s t i a n E r h a r t, dessen Radierfolgen, größere Bewunde-
rung verdienten und J o h. A d a m K 1 e i n , der Schöpfer der
Blätter mit reisenden oder malenden Landschaftern, dessen „Niirn-

Cail Hofer, Muzzano im Tessin-
Ausstellung in der Galerie Flechtheim, Berlin

berg von der Sebalder Seite — in der Nähe der WeiUenmühle“ noch
ganz vom Geiste des großen Vorgängers zeugt, während er später
andere Wege wandelt. Ist bei beiden Vorgenannten Dürer nur der
Anreger, so wird er bei Ferdinand von Olivier zum
Dogma, das die Nazarener gesegnet haben. Seine Federzeichnun-
gen auf Stein „Die Wochentage-Landschaften aus der Umgebung
von Salzburg“ mit meist frommer Staffage wollen im Sinne A. W.
Schlegels „die Einheit der Poesie mit dem Leben“ verkörpern. IJie
Art, wie das Leben dabei zu kurz kommt, weist auf die gewollte
Primitivität allerneuester Richtung hin.

Es bliebe vor anderen noch eine kleine Gruppe von Berliner
Künstlern zu erwähnen, die in ihrer kühleren und genauen Sach-
lichkeit typisch sind, wie Eduard Gärtner, Eduard
M e y e r h e i m oder Adolf Menzel, dessen frühe Land-
schaftsradierungen ganz berlinisch sachlich gesehen sind, sondern
die Gestaltung eines Künstlers über das Ding hinaus auf eine
höhere Artung hinweist. Zuletzt sei der Berliner G. W. Kolbe,
der schließlich in Dessau lebt, genannt, dessen Baum- und Kräuter-
studien mit meist „antikischen Staffagen“ auf einer bis ins Kleinste
liebevollen Naturerkenntnis etwa im Sinne früher Dürerscher Pflan-
zenstudien beruhen.

Neben diesen eigenartigen Blättern Kolbes hängt nahe dem
Ausgang die anspruchsvoll große und dekorative Aetzung Joh. Chr.
Reinharts, die er „Friderico Schiller“ im Jahre 1800 widmet, süd-
liclic Landschaft in sturmdurchtobter Dänimerung mit jagenden

Reitern. Ist dies nun Klassik oder Romantik? Ist es nicht viel-
mehr beides vereint? Die dogmatische Scheidung der Begriffe
„klassisch“ und „romantisch“ war vorliber. In den Schaffenden
einen sich beide, wie sie ursprünglich aus e i n e r Quelle, der Sehn-
sucht aus dem Zwange der Gegenwart zu entfliehen, entspringen.

So danken wir der ausstellenden Verwaltung nicht nur für die
klinstlerischen Genüsse, die uns im Abbild das Leben einer bunten
Zeit erkennen ließen, sondern auch die Klärung wichtiger Allgemein-
begriffe, die uns erst Kunst und Kiinstler recht verstehen lehren. —

D r. H e d w i g M i c h a e 1 s o n.

Pcofeflbt’ Dt?* UX JYlat?tiru

peicr (einev 2Jjäbvigen Jvtufeumsarbeit.

Professor Dr. W. M a r t i n , der Direktor des Mauritshuis im
H a a g ist soeben aus Anlaß seiner 25 j ä h r i g e n T ä t i g k e i t
im M u s e u m s d i e n s t e besonders gefeiert worden. Ein Ko-
mite, dem nicht nur die bekanntesten Kunstgelehrten des Landes,
sondern auch die holländischen Minister als Vertreter des offiziellen
Holland angehören, bereitete dem um die Entwicklung der Galerie
des Mauritshuis hochverdienten Muesumsleiter große Ehrungen.
Mr. R u t g e r s , der Minister für Kunst und Wissenschaft hielt an
Professor Martin, dem zu seinem Jubiläum der höchste Orden Ho!-
lands verliehen wurde, eine Ansprache und neben ihm würdigten
Prof. P. J. B I o k aus Leiden, der Promotor Martins, sowie Dr.
C. Hofstede de Groot, der berühmte Kunstgelehrte, die
bisherige kunstwissenschaftliche und museale Arbeit des jugend-
lichen Jubilars — Professor Martin wird nämlich, wie wir wissen,
am 20. Juni 1926 fünfzig J a h r e alt — in außerordentliih
herzlicher Weise. Auch die ersten Kiinstlerverbände Hollands be-
teihgten sich an dieser Huldigung für den Museumsdirektor und
Kunstforscher.

Professor Dr. W. Martin ist auch seit Jahren Lehrer der
Kunstgeschichte an der Universität Leiden. Unter seinen wissen-
schaftlichen Publikationen ist seine Monographie über Gerard Dou
international bekannt, und sein bei Richard Carl Schmidt & Co. in
Berlin veröffentlichtes Handbuch „Altholländische Bilder“ ist in die
breitesten Kreise gedrungen. Die Freunde des „Kunstwanderers“
sind dem berühmten L.eiter des Mauritshuis besonders dankbar, daß
er in unserer Zeitschrift seine Artikelreihe iiber „Rembrandt-Rätsel“
veröffentlicht hat, die dann in der großen internationalen Tages-
presse ein lebhaftes Echo fand, und daß er erst vor kurzer Zeit dem
„Kunstwanderer“ die Aufsätze iiber seine Kunststudien im heutigen
Rußland überließ. Der „Kunstwanderer“ schließt sich der hollän-
dischen Huldigung fiir seinen Mitarbeiter Professor Dr. W. Martin
verehrungsvoll an.

lubiläum det Galevte Jielbtng.

Als vor 40 Jahren, am 1. November 1885, Hugo Helbing in
der Residenzstraße in Miinchen seine zunächst den Kupferstich
pflegende Kunsthandlung griindete, mochten auch seine kühnsten
Hoffnungen ihm nicht im entferntesten jenen reichen Abschnitt
einer Lebensbahn vorgaukeln, auf den er heute tatsächlach zurück-
blicken kann. Ist dcch durch umsichtige Arbeit das eins beschei-
dene Geschäft zu einem der ersten deutschen Kunsthandelshäuser
emporgewachseu, das auch im Auslande bestes Ansehen genießt
und somit zu einer würdigen Vertretung Deutschlands bei anderen
Nationen ehrlich seinen Teil beiträgL Bezüglich der in mehr-
facher Hinsicht interessanten Geschichte der Galerie Helbing kann
auf die ausführlichen Angaben in der illustrierten Schrift „Mün-
chens Großindustrie und Großhandel“, 2. A. 1913, verwiesen wer-
den, denen zur Ergänzung u. a. noch anzufügen wäre, daß in den
Jahren 1913 und 1914 Helbing auch Versteigerungen in Venedig
und Mailand, in den jüngstvergangenen Jahren — wie schon 1893 —
solche in, der Schweiz leiten und in Berlin und Frankfurt a. M.
Zweiggeschäfte eröffnen konnte. Das aber darf hier keinesfalls
unerwähnt bleiben, daß gerade auclf die Kunstforschung der unter-
nehmungsfreudigen 4’ätigkeit Geheimrat Helbings gar manches
zu danken hat. Er hat vor allem sehr viel dazu beigetragen, daß
in Deutschland eine höhere Form der Kunstauktion maßgebend

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