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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Oktoberheft
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Riedrich, Otto: Neue Märkische Keramik
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0069

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A m 26. September wurde im Lichthofe des ehemaligen
** Kunstgewerbemuseums in der Prinz Albrechtstraße
zu Berlin, eine Ausstellung eröffnet, die für das Kunst-
leben Berlins von größter Bedeutung ist: Es ist die
Ausstellung neuer Märkischer Keramik. Professor Dr.
Hermann S c h m i t z eröffnete die Ausstellung in Yer-
tretung Geheimrat v o n F a I k e s und bemerkte, daß
diese durch das keramische Ortsmuseum in Velten unter
Leitung Kantor G e r i c k e s vorbereitet wurde. „Sie
hat es sich zur Aufgabe gesetzt, dem Publikum zum
ersten Male einen Ueberblick über die Leistungen unse-
rer keramischen Industrie und Handwerkskunst auf den
verschiedensten Gebieten der märkischen Keramik, im
Porzellan, in der Fayence, im Steingut, in der Bau-,
Fliesen- und Ofenkeramik usw. darzubieten. Die Grund-
lage dieser Ausstellung bildet also das lokale, das hei-
matliche Moment.“ Weiter bemerkte Professor Schmitz,
„daß sie nichts Fertiges, Vollkommenes sein könne, son-
dern ein Ansporn für Industrie und Handwerk, zugleich
eine Anregung, die das Interesse und die Mitwirkung des
Publikums an der keramischen Arbeit fördern soll“. Es
ist eine Tatsache: Die Kunstfreunde unserer Tage sind
insbesondere dem Kunsthandwerk gegenüber noch ganz
historisch eingestellt. Die Versteigerungen sind der
beste Beweis dafür. Kantor Gericke deutete dies das
auch in seinen Worten an, die er nach Professor Schmitz
sprach. Die meisten Kunstgewerbemuseen haben noch
keinen Raum und vor allen Dingen keine Mittel, um das
neuzeitliche Schaffen einzugliedern und in seinen Ent-
wicklungsphasen darzustellen. Die anderen Künste sind
in dieser Beziehung glücklicher. Für sie sind die Tore
der Museen weit geöffnet und dementsprechend sind
auch Kunsthandel und Privatsammler ihnen gegenüber
ganz anders eingestellt. Die freien Künste sind also den
angewandten Künsten gegenüber bei weitem im Vorteil.

Die Ausstellung neuer Märkischer Keramik soll im
Anschluß an diese Erwägungen Antwort auf verschie-
dene Fragen geben. Vor allem die eine: Hat die mo-
derne Keramik in diesem abgegrenzten Gebiet, wie es
die Mark Brandenburg darstellt, einen besonderen Cha-
rakter, besitzt sie Künstlerpersönlichkeiten, die das
Handwerk beherrschen, die Eigenart der verschiedenen
keramischen Gebiete verstehen, um ihren Erlebnissen
vollendete Gestalt geben zu können? Diese Fragen
müssen unbedingt mit Ja beantwortet werden.

Eine weitere Frage ist die: Könnte ein Kunstge-
werbemuseum, das auch dem Schaffen unserer Tage ge-
öffnet wäre, Beispiele von bleibenden Werte finden?
Auch sie muß bejaht werden und demnach ist auch für
den Sammler und den Händler der Weg offen.

Es gab einmal eine Zeit, die Schränke mit den hi-
storischen Stücken in der Ausstellung deuten es an, da
brauchte man sich mit solchen Fragen nicht abzuquälen.

Die Quellen ursprünglichen Schaffens waren noch nicht
verschüttet, man konnte eben gar nicht anders, was ge-
schaffen wurde, war gut. Selbstverständlich war das
Gute wie uns, leider, selbstverständlich meist noch der
Gegensatz ist. Wir schreiben Bücher iiber Bücher über
das Kunstschaffen, aber über die Ursprünglichkeit, mit
der vollendete Kunst entsteht, können wir uns doch
keine Rechenschaft abgeben.

Wie jede Ausstellung unserer Tage, so ist auch diese
sichtbarer Ausdruck der Zerrissenheit unserer Zeit.
Ohne inneren Halt leben die meisten Menschen. Das
aber ist das Wichtigste: Vollendete Kunst kann nur aus
einem fest in sich gegründeten Wesen fließen. Wir reden
soviel von der Gotik, fühlen uns ihr nahe verwandt, aber
denken wir auch daran, daß sie die Zeit der großen
Mystiker versinnbildlicht. Daß ein großes Sehnen viele
edle Geister unserer Zeit belebt, ist gewiß, im Schaffen
der Künstler tritt dies sofort in Erscheinung und ihre
Werke tragen den Stempel dieses Suchens und Sehnens
an sich und heben sich sofort aus denen heraus, die die
leichten Wege des Genrehaften, Naturalistischen ver-
künden. In der gemeldeten Ausstellung tritt dies deut-
lich in Erscheinung. Sei es Porzellan, sei es die Fayence,
das Steingut, sei es die Baukeramik oder das am meisten
mißhandelte Stück menschlicher Notwendigkeit in kalten
Zonen: Der Ofen.

Das, was die Staatliche Manufaktur beabsichtigt, ist
erst im Werden, sie hat deshalb den schwersten Stand
in der Ausstellung. Im Porzellan wirkt das 18. Jahr-
hundert noch zu sehr nach, es hat noch lange nicht den
Ausdruck gefunden, den man als sinnbildlich für das
Wesen unserer Zeit nennen könnte. Es war deshalb
ein glücklicher Gedanke, die ausgezeichneten techni-
schen Porzellane mit einzubeziehen. Was fiir schöne
Formen hat die technische Notwendigkeit geboren! Da
ist nichts erkünstelt, sie sind gewachsen. Neben sehr
schönen historischen Stücken, sind auch ausgezeichnete
Nachbildungen alter Geschirre ausgestellt, insbesoudere
nach dem Geschirr Friedrichs II. im Stadtschloß zu Pots-
dam. Ein Vordringen in die Gegenwart bedeuten die
neuzeitlichen Bemalungen historischer Formen, die
sämtlich Professor Böhm ausgeführt hat. Die Vitrine mit
den neuen Formungen nach Modellen Scheurichs und
Schliepsteins zeigt manches Schöne, ja Ausgezeichnete
umd hoch über dem stehend, was sonst auf dem Porzel-
lanmarkt erscheint.

Wenn man nun nach Besichtigen der Ausstellung
nach einem Frgebnis sucht und fragt, welche Künstler
den höchsten Maßstab vertragen, dann sind Theodor
Bogler, von den Steingutfabriken Velten-Vordamm, und
W. E. Schade, der bei Blumenfeld ausgestellt hat, zu
nennen. Beide sind klar im Aufbau, streng in der Auf-
fassung und suchen nach Finfachheit in der Form. Bog-

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