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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Aprilheft
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Scheffauer, Herman George: Die Bilder Rudolf Treumanns: ein Maler-Priester der Natur
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0360

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Der hervorragende amerikanische Schriftsteller Her-
man George Scheffauer, der in Berlin lebt und in seinen
viel verbreiteten Büchern auch vortreffliches über das
deutsche Kunstleben sagte, gibt in nachstehendem Aufsatz
eine Charakteristik der Malart Rudolf Treumanns.

jer Werdegang von Rudolf Treumanns Kunst war
ein sehr langsamer. Diese Kunst hat sich in der
Verborgenheit und in der Stille, in der Unbekanntheit
und im weihevollen Schatten zur Höhe erhoben. Sie hat
einen organischen Prozeß durchgemacht, der jenem
gleicht, der sich in seiner Liebe zur Natur und in seiner

Tod und Leben

vergeistigten Wiedergabe dieser Natur offenbart. Diese
merkwürdige Entwicklung, die sich äußerlich so ruhig
vollzog, ist vor einigen Jahren zu fruchtbarer Entfaltung
gekommen, wenn man auch nicht wissen kann, ob es die
endgültige Entfaltung ist. Was aber aus diesen Gemäl-
den zu uns spricht, ist schon eine Vollendung in einem
hohen Grade. Hier tritt uns nicht nur ein neues Kunst-
empfinden, sondern ein neues Naturempfinden entgegen,
ja ein neues Schauen und Gefühl; die Welt entschleiert
sich in einem neuen Licht und in einer neuen geistigen
Perspektive.

Man spürt hier sofort etwas von der alten, heiligen
Ehrfurcht, die einst den Maler beseelte — die Ehrfurcht
vor der Kunst, die Ehrfurcht vor dem Objekt, ja, die
Ehrfurcht vor dem Mitinenschen, dem diese Bilder, diese
Visionen eine Sendung sein sollen, die in einer Sprache

verfaßt ist, die sich über alle gewöhnliche Stilhascherei
erhebt. Zu dieser Freiheit gelangen nur die Schöpfer,
die die Freiheit für sich im Stillen beanspruchen und
deren Wachstum im Können sich niemals auf Kosten
ihres inneren Wachstums vollzieht.

Die Zurückgezogenheit, in der Rudolf Treumann
seine eigenartigen Bilder schuf, brachte ihm zwar eine
stets größere Sicherheit, einen stets tiefer werdenden
Einblick, einen stets weiter und klarer werdenden Rund-
blick. Wenn wir in seine Welt durch das Auge eingehen,

Wettertrotz

dann begleitet uns auch die seelische Atmosphäre, die
uiis das Sehen und das Atmen in dieser Zauberwelt er-
möglichen. Wir fühlen die Belastung, den Bann von
etwas Mystischem. Wir wittern etwas Geheimnisvolles,
das auf uns wirkt, nicht durch grobe Mittel, sondern
durch ein, beinahe aufs mikroskopische eingestelltes
Feingefühl, durch kaum hörbare Farbenklänge, durch
eine Konzentration oder sogar eine Versteifung, die aus
der sichtbaren Natur oder aus der Erinnerung und Ver-
innerlichung der Natur Tiefstes und Schönstes ziehen
will.

Diese Begabung, dieses Betrachten und deren zeich-
nerische Niederschrift sind etwas so seltenes, daß sie
gewisserinaßen als ein Mißklang sich äußern müssen —
weil sie eben in einer Disharmonie, ja in einerKakophonie
der Kunst hineintönen — weil sie eine Synthese dar-

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