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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Märzheft
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Bülow, Joachim von: Persönliche Erinnerungen an Sargent
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Das Kunstgewerbe auf der Leipziger Frühjahresmesse / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Aus der Museumswelt / Amerikas Kunstleben / Englische Kunstschau / Wilhelm Kuhner / Anzeigen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0323

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Anläßlich der Gedächtnisausstellung der Bilder John Sargents
in London erstehen vor mir die Stunden, die ich mit dem Künstler
vor zwanzig Jahren verbringen konnte. Ich kam damals als junger
Maler, ziemlich selbstüberzeugt infolge einiger Anerkennung meiner
ersten Bilder in Paris nach London. Ich war — ich kann das heut,
wo ich es längst geworden bin — gar nicht bescheiden und vor
allem hätte ich keine Spur von Respekt vor dem äußeren Erfolge,
der der Berühmtheit zu Grunde liegt. Dies allerdings habe ich auch
heut noch nicht gelernt.

Mit dieser Einstellung und im Uebrigen mit einer guten Emp-
fehlung kam ich zu Sargent. Es war mehr Neugier als Hochacli-
tung ftir seine Kunst, die mich zu ihm zog. Er war damals gerade
auf der Höhe seines Erfolges und schleuderte die Porträts der
reichen Engländerinnen nur so heraus. Diese schmissige, rein
äußerliche Bildniskunst, die in direkter Linie von Van Dyck her-
stammte, aber von dessen immer noch vorhandener Tiefe nichts
behalten hatte, verachtete ich ganz einfach. Sie war und ist mir
auch heute noch regelrechter Kitsch, allerdings mit einem fabel-
haften Können verbunden.

Wir fingen damals gerade an, den Impressionismus zu iiber-
winden, und unsere Kunstideale sahen wir in dessen Ausklängen,
Cezanne, van Gogh, Gaugin verwirklicht. Immerhin liebten wir
noch die großen Impressionisten und mit ihnen auch Whistler,
dessen Atelier Sargent bewohnte.

Es schien mir ein wenig Blasphemie, daß an so geheiligter
Stätte solcher Modekitsch gemacht wurde.

Mit derartigen Anschauungen gerüstet kam ich zu Sargent.
Aber er war ganz anders wie ich erwartet hatte. Er glich in keiner
Weise jenen Pariser Arrives, die für den noch unbekannten Maler
unnahbar sind und sich etwa so verhalten wie eine Exzellenz zum
Referendar (worin sie sich von den deutschen staatlich anerkannten
Größen absolut nicht unterscheiden). Sargent kam mir ganz ein-
fach als Kamerad entgegen. Obwohl er viele Jahre älter war als
ich, behandelte er mich, von dem er doch noch keinen Pinselstrich
gesehen hatte, als „copain“, wie man in Paris sagte. (Das scheuß-
liche deutsche Kollege ist keine Ersatz dafür.) In London nannte
man das fellow artist. Wir sprachen sofort dieselbe Sprache, die
man eben nur unter Malern gleichen Geistes spricht. Und das war
das, was mich zunächst überraschte. Denn ich fand mich garnicht
gleichen Geistes mit ihm. Daß wir es waren, zeigte sich sehr
schnell. Er merkte, daß micli seine Porträts gar nicht interessier-

ten. Das war ihm wahrscheinlich noch nicht passiert — und das
freute ihn. Denn er gestand mir, daß auch er sie verabscheute. Die
waren für ihn nicht anders wie eine Art Büroarbeit. Er mußte sie
malen, weil er sich auf den Lebenszuschnitt eingestellt hatte, den
er durch diese Porträts erreichte. Er konnte sich aus der Gesell-
schaft, die ihn fesselte, nicht mehr lösen und darum mußte er mit
seinen Bildern jährlich eine halbe Million Mark verdienen („machen“
sagte man in London), was ihm auch unzweifelhaft gelang. Aber
er fühlte sich da viel mehr als Anstreicher wie als Maler. Wollte
er sicli erholen, wirklich Maler sein, dann ging er nach dem Süden,
dann aquarellierte er in Venedig oder malte in Palästina. Solche
Bilder zeigte er mir, nachdem wir ein wenig näher bekannt waren,
einen ganzen Nachmittag und es war wirklich ein großer Genuß.
IJa war er ganz er selbst gewesen, da stand kein Kammerdiener
hinter ihm, der ihm am Abend den Frack anzog und keine jener
Modepuppen, die ihn in London nicht locker ließen, stellte An-
sprüche an ihn.

Besonders erinnere ich mich einer Ziegenherde, die er im Li-
banon gemalt hatte, einer ganz luftigen farbigen Studie, im besten
Sinne Impressionismus.

Ich zeigte dann auch Sargent einiges von mir und er versprach
mir Empfehlungen. Aber das Publikum, das von ihm gemalt werden
wollte, war begreiflicherweise nicht das meine und so blieb das
Ergebnis aus. Doch kam ich durch ihn mit einer Reihe englischer
Maler in Verbindung, die mir angeregte Stunden gaben, mit Shan-
non und Riketts, mit den Brtidern Rothenstein und anderen.

Ich fand liier in London eine gleiche geistige Brtiderschaft
unter den Malern, die nicht nur ftir klingenden Erfolg arbeiteten,
sondern innerlich rangen, wie sie in Paris so angenehm beriihrt und
wie sie in Deutschland mit seinem absprechenden neiderfüllten
Kliquenwesen unbekannt ist.

Es ist nicht allein die Kunstfremdheit des deutschen Pu-
blikums, die in Deutschland den Aufstieg der Kunst hemmt, es ist
auch die Unfähigkeit der Künstler selbst, sich aus dem Bannkreis
der Bürokratie, des Titelwesens und des Unteroffiziergeistes zu
lösen und eine echte Kameradschaftlichkeit zu pflegen.

Wie kann man von der Allgemeinheit erwarten, daß sie die
Kunst achtet, wenn die Ktinstler untereinander wie Katze und Hund
leben?

Das Kunffgeioet’bc auf det? tetpsiget^ pt’(ib)ubt?smeffe.

Auf den Leipziger Mustermessen behauptet das Kunstgewerbc
nach wie vor seine dominierende Stellung, wie die diesjährige
Frühjahrsmesse (28. Febr.—6. März) von neuem bewies,
die trotz der wirtschaftlichen Depression wieder die Bedeutung der
Messe fiir die Qualitätssteigerung auf allen Kunstgebieten ins
rechte Licht setzte.

Auch diesmal beherrschtc die K e r a m i k die ganze knnst
gewerbliche Messeschau in Qualität und Quantität, insbesondere das
P o r z e 11 a n. Das Porzellanpalais mit seinen Schätzen bot wie-
derum eine kostbarste Auswahl. Eine neue Kobaldkunst (Kristall-
blumen) ein Tafelservice verdankt ihre effektvolle Wirkung einem
neuen Verfahren von C. M. Hutschenreuther, woran jahrelang ge-
arbeitet wurde. Ueberhaupt bemerkt man in Tafel- wie Kaffee-
servicen prächtige neue Muster, u. a. bei Ph. Rosenthal & Co., die
ihr Sanssouci-Muster weiter ausgebaut haben, auch neue Sport-
plastiken von Prof. Kittler, neue Vasenformen usw. boten. Vielfach
wird auch den Zeitverhältnissen Rechnung getragen durch ein-
fachere Muster, nicht bloß beim Porzellan, sondern auch beim

Kunstglas, wobei jedoch der künstlerische Geschmack durchaus
nicht beeinträchtigt wird. Mit den staatlichen Porzellanmanufak-
turen wetteifern mit bestem Erfolge kleinere Werkstätten, besonders
in der Porzellanmalerei. Preisreduzierungen trugen neben der aner-
kannten Qualität dazu bei, daß Deutschland wieder in die Welt-
marktkonkurrenz erfolgreich eintreten konnte, und wenn auch der
geschäftliche Erfolg auf der Messe im großen ganzen zu wünschen
übrig ließ, wurden dennoch mitunter umfangreiche Aufträge mit
dem Ausland, z. B. Holland, getätigt.

Im iibrigen war die Friihjahrsmesse eine wahre Ausländer-
messe, denn tiber 20 000 Ausländer waren erschienen, meist aus
England, der Schweiz, Amerika usw. Nur glaubte der Ausländer
immer noch die Preise recht .drticken zu können.

Beim Kunstglas dominierte wiederum das Kristallglas.
Reiche Schliffe, worunter wiedr die Schleudern und Sterne, vielfach
aucli das sog. Judenkreuz, in allen möglichen Variationen und
Kombinationen vorherrschten, wechselten mit einfacheren ab. Neu
waren die Kristallschliffe mit echtem Silberniederschlag auf geätzter

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