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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1/2. Februarheft
DOI Artikel:
Zülch, Walther Karl: Die ersten Grünewald-Sammler
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0260

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Die evften Qmnewald^Sammlev

uon

lü. K. Eülcf)

Jie Auffindung von neun Blatt Handzeichnungen

Grünewalds mit elf Studien aus dem Besitze von
Savigny’s lenkt den Blick wieder auf das Schicksal
jener Handrisse. Dabei ist Joachim von Sandrart der
Wegweiser, wenn auch seine im Alter von 70 Jahren
1675 veröffentlichten Alterserinnerungen nach Auf-
deckung recht vieler Irrtümer der vorsichtigen und er-
gänzenden, dabei aber immer dankbaren Benutzung
bedürfen.

1. Die Maler-Besitzer in Mainz und Frankfurt.

a) ein Schüler Grünewalds A d a m G r i m m e r
(oder auch Johann Grimmer) in Mainz habe alle
Handzeichnungen seines Meisters, deren er habhaft wer-
den konnte, gesammelt und sorgsam gehütet; nament-
lich habe Grimmer nach dem Tode Grünewalds von
dessen Witwe verschiedene mit schwarzer Kreide fast
in Lebensgröße gezeichnete Handrisse erhalten.

Da nach Sandrarts Meinung Grünewald 1510 (rich-
tig 1528) gestorben ist, müßte dieser Schüler Adam
Grimmer mindestens im Jahre 1495 geboren sein. Um
noch Philipp Uffenbachs Lehrmeister, wie Sandrart be-
bauptet, sein zu können, müßte Adam Grimmer noch im
Alter von über 85 Jahren Lehrlinge gehabt haben. Denn
Philipp Uffenbach ist am 15. Januar 1566 geboren und
also um 1580 in die Lehre gekommen. Nun ist in Main-
zer Akten ein Jöhann Grimmer Maler 1560 festgestellt;
ein Adam Grimmer Maler ist bekannt durch eine sig-
nierte Zeichnung von 1584 im Städel und in Mainzer
Akten 1595—98, in welchem Jahre er tot und seine
Witwe genannt wird. Aber 1594 zahlte die Mutter des
Adam Grimmer für den wohl abwesenden Sohn den
Zins. Das würde also bedeuten, daß ein mindestens
103 Jahre alter Maler noch seine Mutter bei sich hätte!
Die Rechnung wird nicht viel anders, wenn wir Grüne-
walds richtiges Todesjahr einstellen. Die Sache liegt
wolil so, daß jener Johann Grimmer der Schüler Grüne-
walds war und etwa Adam Grimmer dieses Johann
Sohn wäre. Jedenfalls hat der Maler Philipp Uffenbach
als alter Mann dem Knaben Joachim von Sandrart von
seinem Lehrmeister Grimmer und von dessen Meister
Grünewald erzählt. Als er 50 Jahre später seine recht
umfangreiche Teutsche Akademie schrieb, hat der alte
Herr vou Sandrart mehreres durcheinander geworfen.

b) Nach Adam Grimmers Tod (zwischen 1596 und
1598) hat P h i 1 i p p U f f e n b a c h (1566—1636) diese
Zeichnungen käuflich erworben. Bei dem Maler Uffen-
bach hat Joachim von Sandrart (geboren 1606 in Frank-
furt) als Schulknabe (1616—1621) oft diese in ein Buch
gesammelten edlen Handrisse des Matthäus von Aschaf-
fenburg sehen dürfen und, wenn der alte Maler Uffen-
bach gute Laune hatte, deren löbliche Oualitäten und
Wohlstand erklärt bekommen.

Da Grünewald keine Witwe hinterließ, aber nacli-
weislich Adam Grimmer von seiner Frau überlebt

wurde, so wird wohl nicht Grünewalds Witwe an Grim-
mer, sondern Grimmers Witwe an Uffenbach die Hand-
zeichnungen verkauft haben.

2. Der Grünewald-Sammler Abraham Schelk-
k e n s.

Dieses ganze Buch ist nach Philipp Uffenbachs
Tode (6. April 1636) von seiner Witfrau (gestorben
6. Februar 1639) dem berühmten Kunstliebhaber Herrn
Abraham Schelckens zu Frankfurt teuer verkauft und
von demselben neben vielen anderen herrlichen Kunst-
werken — alte und moderne Gemälde, Bücher, Kupfer-
stiche — in sein berühmtes Kunstkabinett zu ewigem
Gedächtnis dieser ruhmwürdigen Hand und zu aller
Kunstliebenden süßer Vergnügung gestellt worden. —
Am Schluße heißt es; Die bei Herrn Abraham Schelk-
kens befindlichen von Grünewalds eigener Hand aufs
Allervollkommenste gezeichneten Modelle (= Studien
für die Gemälde) (Joachim von Sandrarts teutsche Aka-
demie Nürnberg 1675, S. 292 — lateinische Ausgabe
1683 T. II. p. 220, 225, 285. Beiträge zur Geschichte
von Mainz II 1912 S. 97.)

Abraham Schelckens hat also zwischen 1636 und
1639 dieses Buch voll Grünewald-Zeichnungen erwor-
ben. Wir wissen aus dem Munde eines vornehmen
Franzosen, de Moncony’s, der mit einer Gesandtschaft
1663—64 in Frankfurt weilte und bei Herrn Schelckens
das „Buch mit Zeichnungen“ des Mathis von Aschaffen-
burg sah, daß damals in Deutschland Grünewald höher
als Dürer geschätzt wurde.

Wer ist nun dieser Abraham Schelckens, von dem
Sandrart mit so besonderer Hochachtung sprach? Die
Chronik von Lersner berichtet, er sei ein berühmter
Maler gewesen. Das hat schon den Hohn Hüsgens
(Artist.Magazin 1790, Vorrede S. XIV und S. 67) heraus-
gefordert, der ihn mit Jacob Heller in der Reihe der
Kunstmäzene nennt. Abraham Schelckens Großvater,
der Goldschmied und Juwelier Hektor Schelckens war
1574 aus Mecheln in Frankfurt eingewandert und ge-
hörte zu den reichsten Bürgern. Seine Söhne Hektor
und Hieronimus, Juweliere und Bankiers, siedelten 1600
nach Hanau über, kehrten aber bald überaus reicli nach
Frankfurt zurück. Hier stirbt 1625 Hieronimus Schelk-
kens, dem in Hanau zwischen 1600 und 1605 ein Sohn
Abraham geboren war, der nun das neugebaute Haus
am Roßmarkt und das Kiesenvermögen erbte. Daß
Abraham Schelckens studiert hat und zu den ersten
Familien der Stadt zählte, geht aus der Titulatur aller
Urkunden hervor. Mit Joachim von Sandrart war er
niclit nur gleichaltrig, sondern mit ihm auch verwaudt-
schaftlich und durcli die Zugehörigkeit zur reformierten
Gemeinde der eingewanderten Niederländer verbun-
den. Das Wappen der Schelckens ist eine Weintraube
am Stil. Am 27. Januar 1635 schwört der zu Hanau
geborene Frankfurter Biirgersohn den Bürgereid, nach-

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