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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Maiheft
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Das Kunstgemeinschaftshaus: Äußerungen aus Künstlerkreisen
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Krasnopolski, Paul: Alt-Prager Gärten
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0417

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Vorrecht den Snobs und den Leitern öffentlicher Samm-
lungen, denen nicht selten die trturige Pflicht erwächst,
Erzeugnisse rohesten Handwerks als „künstlerische“
Dokumente der Zeit erwerben zu müssen.

Der zweite Grund für die Verelendung der Künstler-
schaft liegt in der Wirtschaftsnot unserer Tage. Hier
will Margules mit seinem Vorschlag eingreifen; er ist auf
das wärmste zu begrüßen. Der Vorschlag stützt
sich wesentlich auf wirtschaftliche und gesellschaft-
liche Erwägungen. Im wechselseitigen Verhältnis
der Ursachen und Wirkungen ergibt sich etwa fol-
gendes Bild: Der Krieg hat die Kaufkraft gerade der
Volksschichten auf das empfindlichste geschwächt, die
vor dem Kriege die Hauptabnehmer von Werken der
bildenden Kunst waren. Es gilt, durch Erhöhung ihres
künstlerischen Interesses den Ausfall einigermaßen wett-
zumachen, der in der Beschränkung materieller Möglich-
keiten für den Ankaut von Kunstwerken liegt. Sodann
besteht eine kleine bürgerliche Schicht, die heute im
Gegensatz zu früher über die nötigen Mittel zur Erwer-
bung von Kunstwerken verfügt, der aber das erforder-
liche Verständnis und die nötige Fühlung mit der Kunst
fehlen. Dieser Schicht soll durch das Kunstgemein-
schaftshaus in zwangloser, möglichst gesellschaftlicher
Form Gelegenheit geboten werden, eine engere Fühlung
mit der Kunst und den Künstlern aufzunehmen. Diese
Gedankengänge sind so klar und für jedermann so ein-

leuchtend, daß der Vorschlag von Margules keiner wei-
teren Begründung bedarf. Seine Umsetzung in die
Praxis wird Schwierigkeiten mit sich bringen, aber bei
gutem Willen aller Beteiligten werden sie sich über-
winden lassen. Auf Einzelheiten braucht im Augenblick
noch nicht eingegangen zu werden, die Hauptsache ist,
daß sich die beteiligten Kreise auf die Grundzüge des
Programms einigen. Dazu gehört in erster Linie, daß
alle kleinen Gesichtspunkte und alle persönlichen Rück-
sichten vor dem einen großen Gesichtspunkte zu-
rücktreten: Rettung der Künstler. Diese Rettung ist
aber nicht möglich, wenn die alte Rivalität und der alte
Streit zwischen den einzelnen Künstlergruppen und ihren
Anhängern weiter besteht. Die Gruppen müssen eine
überparteiliche Kommission einsetzen, die mit der Lei-
tung des geplanten Kunstgemeinschaftshauses dauernd
in Fühlung bleibt. Sie wird die Leitung beraten, sich
aber auch von ihr beraten lassen. Vor allem in wirt-
schaftlichen Fragen, in denen der Künstler erfahrungs-
gemäß versagt.

Mit der Durchführung des Grundsatzes möglichst
weitgehender Neutralität in allen künstlerischen Dingen
steht und fällt der ganze Plan eines Kunstgemeinschafts-
hauses für Berlin. Es wird von der Künstlerschaft ab-
hängen, ob sie die Zeichen der Zeit und die Möglich-
keiten, ein Verhängnis abzuwehren, noch in letzter
Stunde begreift.

AltcPt?aget? Gävten

von

Paut Kt’asnopoIskt

\\ J as es früher einmal auf dem rechten Ufer der
* * Moldau an adeligen Gärten gegeben hat, das ver-
schlang allmählich bis auf spärliche Reste die mächtig
wachsende Stadt. Jenseits des Flusses findet sich auf
der „Kleinseite“ in dem dunkel bewegten Gedränge ihrer
Häuser noch manche helle Stelle, in welcher der baum-
bestandene, weit ausladende Abhang des Laurenzi-
berges zwischen den lastenden Steinmassen der Bauten
an seinem Fuß in grünen Quellen wieder hervorzu-
brechen scheint. Hier haben sich neben Palästen des
17. und 18. Jahrhunderts gleichaltrige Gärten erhalten.
Der neue Staat machte aus den Wappen über den Por-
talen Symbole einer gewesenen Vornehmheit, und mit
dem Adel der Besitzer fiel meist auch die stille Ver-
schlossenheit dieser Stätten, zerriß der zarte Schleier
aus Kunst und einer Vergangenheit, die oftmals Ge-
schichte war. Wo Unzulänglichkeit diese Stimmung zu
retten vermochte, wird sie zum kostbaren Geschenk,
welches eine demokratische Gegenwart von einer ver-
triebenen und immer noch lebendigen Zeit empfängt.

Alles dies — Gegenwart, Vergangenheit, Stimmung
- fühlt man wohl am deutlichsten auf dem Hradschin.

Hier trennt der Hirschgraben wie ein steilwandiger, tie-
fer Strom von Blättern die Landzunge mit Dom und
Burg, Kirchen und Häusern von dem länglichen Recht-
ecke im Norden, dessen früherer Namen „Kaisergarten*'
Besitzer und Bestimmung andeutete. Herrscher und Be-
zeichnung wechselten, aber Zweck und Unnahbarkeit
blieben. Unverändert ist auch die alte Größe der Bäume,
die Ruhe der Rasenflächen, die unbeengt vom Zwang,
nur unterstützt durch die Kunst des Gärtners wachsen.
Und wie ausgestreckte Anne eine Kostbarkeit, so um-
fassen die Ränder des Parks das steinerne Schnitzwerk
aus den Bogen und Säulen des Belvederes, das sich Fer-
dinand I. von Paolo della Stella erbauen ließ. In Linien
von fremdländischer Schönheit und Reinheit steht hier
seit mehr als drei und einem halben Jahrhundert eine
der frühesten Schöpfungen der italienischen Renaissance
auf nordischem Boden. Immer noch hockt in der Mitte
des Gartens der doppelköpfige Adler iiber der steiner-
nen Nische mit dem Herkules, und der zweischwänzige
Löwe blickt auch heute in erwartungsvoller Verziickt-
heit zu dem Putto empor, der auf seinem Rücken kniet
und ihm die Königskrone auf das willfährige Haupt

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