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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1./2. Septemberheft
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Rave, Paul Ortwin: Neue Erwerbungen der National-Galerie, [3]
DOI Artikel:
Widmer, Johannes: Der Schweizerische Salon 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0036

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uns eine enthüllung: so deutlich haben wir noch nie ge-
stalten jenes abschnitts gesehen den man die Roman-
tik nennt. ohne verschwoinmenheit und verweich-
lichung die helden Jean Pauls: wir bekommen ein
neues bild jener still-glühenden und tiefblauen zeit.’ 4

Vermerkt sei zu diesem Bericht noch, daß gleicli-
zeitig mit den Zeichnungen Wasmanns acht Blatt mit
Gewand- und Aktstudien seines Freundes Viktor Jan-
sen, den er öfters in seinem Buch nennt, erworben wur-
den, ebenfalls aus dem Besitz Bernt Grönvolds.

Det? ScbtoetEetnfcbe Salon 1925

von

lobatines UOidmet’z Qenf

I—< r wurde einigermaßen von der großartigen Karls-
ruher Ausstellung schweizerischer Kunst verdun-
kelt. Auch so besteht unser Salon die Probe ehrenvoll.

Er fand in den Räumen des Züricher Kunsthauses
statt, welches sich im Herbst mit neuen Anbauten und
aufgefrischtem alten Teil schinuck und zweckentspre-
chend darstellen wird. So gut es ging, waren die Werke
der deutschschweizerischen Künstler im ersten, die der
Welschen im zweiten Stockwerke untergebracht, so
daß schon diese bloße Trennung, weit entfernt irgend
jemand hierzulande zu empören, interessante Gegen-
sätze erschloß und Aehnlichkeiten an den T'ag brachte,
denen im Ganzen und Einzelnen nachzugehen, allein
schon reichlich lohnt. Im Ueberbiick zeigt sich sofort,
daß unsere Alemannen im Gegensatz zu unsern Wel-
schen anarchisch sind, jeder seinen Gesichten nachgeht
und eigentlich nur selir wenige dem Naturalismus erge-
ben, die meisten ausgesprochene Innenmenschen sind,
denen der Eindruck von außen, tief verwerkt, zum
Gleichnis inneren Erlebens und Erkennens wird. Viele
werden jetzt geradezu Mystiker in ihrer Kunstübung,
jetzt, nachdem sich die Vv Telle maßlosen Franzosen-
kultes verläuft und anderseits, das allgemeine Geistes-
leben sicli so sehr mit religiös-antroposophischen An-
schauungen durchsetzt. Nicht umsonst steht Albert
Steffen, dem L. Sturzenegger ein ergreifendes, stilles
Bildnis abgewonnen hat, vorne unter unsern Dichtern
und überwindet die Widerstände mit der tiefen Glut
seines lautern, so gar nicht rhetorischen Ethos, das
Poesie wird, weil er nach wie vor Künstler ist; Steffen
ist ein Erlöser weit über sein Dornach hinaus und ent-
bindet in mancher Seele, namentlich in Bildern, bislang
vorhandene Hemmungen. Er läßt uns das Gute wagen.
Es soll nicht behauptet werden, daß dieser Künstler
oder jener von ihm geleitet sei. Aber an dem ganzen
Aufbruch der Herzen hat er durchaus sein Teil. Oft
nimmt diese Strömung auch ein anderes Aussehen an,
als Dornach es verleiht. Bis zum Hieratischen streift
die rückwärts schauende und verheerende Phantasie,
und zwischen ihnen liegen, in diesem mehrheitlich evan-
gelistischen Lande, alle denkbaren Abarten bilder-
schaffender Frömmigkeit. Aus all dem ergibt sich das
Vorherrschen archaischen Komponierens, stark haus-
baumäßig, betont graphisch, und wiederum die weite

Verbreitung stark farbigen Malens, so daß man in ge-
wissen Sälen die Empfindung hat, man stecke in der
vehementen Koloristik derber ländlicher Altarmaierei
mitten drin. Immerhin finden sich auch da mildernde,
vom verflossenen Impressionismus her oder aus persön-
lichem, weichen Gemüte zarter gestimmte Talente, die
die heilige Rauheit verfeinern. Auch eidgenössisch
heroisches oder sprt- und naturfrohe, unverstellte See-
len sind da. Und so waltet über dem alemannischen
Teil eine starke, inbrünstige, iiebevolle Stimmung, der
Ausdruck nicht so sehr hedonistisch-maßvollen Kiinst-
lertums, als frommer, tapferer, unmittelbarer Werk-
meisterschaft. Diese Gemeinschaft eint so verschie-
dene Elemente, wie Cuno Amiet, Rudolf Dürrwang,
Arnold Brügger, Theo Glinz, Hermann Huber, Martin
Lauterburg, Oskar Lüthy, Ernst Morgenthaler, A. H.
Pellegrini, Otto Roos, Ernst Georg Rüegg, Fred Stauf-
fer, Victor Surbek, Franz Toggweiler (t). Wenn eine
Kirche von solchen Leuten voll ist, kann das Land stolz
und beruhigt sein.

Hedonistisch-maßvoll nimmt sich das welsche
Künstlertum aus, und wenn man die Werke der Bar-
raud, Auberjonois, Blanchet, Blondin, Breßler, Ghapot,
Chinet, Clement, Clenin, Couvet, Dominice, Diserens.
Fag, Francillon, Franpois, Gimmi, Guinand, Hermanjat,
Mairet, Martin, Mathey, Metein, de Meuron, Morard,
Perrier, Röthlisberger, Vallet, Zbinden durchgeht, trifft
das Urteil im Ganzen zu. Von dem Ungestüm sowohl
wie von der Innerlichkeit der Alemannen ist zunächst
wenig zu spüren, und da und dort scheint es, als ob ein
Extrakt der Formensprache und der Tonkunst der De-
gas-Renoir-Matisse als das Allheilmittel gelte. Steht
man indessen vor Auberjonois oder Cleinent oder
Mairet oder gar Perrier, und vor fast sämtlichen Wel-
schen länger still, so regen sich Gestalten und Farben,
zeigen mächtig, daß sie weiter, wahrer, tiefer sind als
jene Formel, daß sie eigentlich auch, wohl mit rnehr
Maß, doch nicht minder dringlich, innere Fühlungen
mitteilen, nicht nur äußere Schönheiten, Ueberraschun-
gen, Ekstasen formulieren. Einige weisen sogar deut-
lich in die alemannische Geistesgegend hinüber, mögen
sie lange wie Clement’s Bilder spanisch-belgische Ah-
nen haben. Ich glaube kaum, daß seine nächsten Kolle-
gen an der satten Pracht seiner Sinnlichkeiten, Lauben-

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