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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Augustheft
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Loewental, Artur Imanuel: Technik und Geschichte der Steinschneidekunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0543

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Avtav toeiüentat

Schluß *).

jie Sitte des Siegelns stammt aus dem Orient und ist
wohl bei den Sumero-Akkadiern entstauden. Schon
in der ältesten historischen Zeit erscheint die voll aus-
gebildet, wie man an den Siegeln der ältesten Priester-
könige, der Patesi vom Sirpurla und Laghasch ersieht,
die ins 5. Jahrtausend v. Chr. datiert werden. Die ty-
pische Form ist der in der Längsachse durchbohrte
Siegelzylinder, auf dessen Rundfläche die Darstellung
und Schrift so eingeschnitten ist, daß sie beim Abrollen
auf feuchtem Ton oder Wachs ein zusammenhängendes,
fortlaufendes Bild ergibt. Von den alten Suinerern
übernahmen die später zur Herrschaft gelangenden Se-
miten nebst anderen Kultur-Errungenschaften auch den
Brauch des Siegelns und damit auch die Kunst des Gra-
vierens in hartem Stein. Auch sie behielten die Form
des Siegelzylinders bei, und als das babylonisch-assy-
rische Reich sich immer weiter ausdehnte, verbreitete
sich auch die Glyptik über ganz Klein-Asien. Die
Hauptform der Siegel bleibt bis in die späte Perserzeit
hinein der Zylinder. Das Material ist in ältester Zeit
hauptsächlich Hämatit, doch kommen in früher Zeit
auch bunte Marmorarten, dann Lapislazuli, Jaspis,
Bergkristall und schließlich in späterer Zeit Amethyst,
Calcedon, der schließlich zum Favorit orientalischer
Glyptik wird. Doch kommen neben diesem ganz har-
ten Material noch häufig genug Porphyr, Steatit und
Serpentinarten vor.

Von Chaldäa scheint schon in sehr früher Zeit der
Gebrauch des Siegels nach Aegypten gekommen zu
sein, denn schon Menes, der Begründer der I. Dynastie,
bediente sich eines Siegels, und zwar eines Siegelzy-
linders. Während aber in Chaldäa und später bei den
Babyloniern und Assyriern auf den Siegeln die figuralen
Darstellungen von Menschen und Tieren, Göttern und
Dämonen immer mehr in den Vordergrund treten, bleibt
in Aegypten die hieroglyphische Inschrift dominierend.
Mit der IV. Dynastie verschwindet auch die asiatische
Form des Zylinders, und an ihre Stelle tritt die Form
des Scarabäus, der nebst Amulettzwecken nun auch
dem Siegeln dient, indem die Inschrift auf der flachen
Unterseite des Käufers eingeschnitten wird. Wohl sind
auch in Aegypten hervorragend feine siegelartige Gra-
vierungen in edlen Steinen gearbeitet worden, mit Kö-
nigs-, Götter- und Tiergestalten, doch bleiben diese ge-
gen die große Masse der reinen Inschriftssiegel weitaus
in der Minderheit. Die Hauptsomäne der so hoch ent-
wickelten Steinschneidekunst bleibt in Aegypten nach
wie vor die Herstellung figuraler Amulette, Schmuck-
einlagen und rundplastischen Götter- und Tierfigür-
chen. Das Material der ägyptischen Siegel ist neben

*) Siehe „Der Kunstwanderer“, 1/2. Juliheft 1926.

Serpentin und Porphyr der Hämatit, dann die Lieblinge
ägyptischer Schmuckkunst der Lapis Lazuli und der
Türkis, ferner grüner und roter Jaspis, Carneol und
Amethyst. In relativ später Zeit tritt der geschichtete
Achat, der Onyx und der Sardonyx, sowie der Malachit
auf. In Onyx und Sardonyx werden später häufig sie-
gelartige Schmuckplättchen in sogenannter relief en
creux-Technik geschnitten, d. h. in die flache Ober-
schicht wird ein sozusagen versenktes Relief so einge-
schnitten, daß sich das Bild, da es durch zwei ver-
schiedenfarbige Steinlagen hindurchgeht, farbig schat-
tiert. Da die Darstellung aber, wie gesagt, en relief.
und nicht negativ gehalten ist, wird klar, daß es sich
nfcht um Siegel, sondern um reine Schmuckform han-
delt. Man kann diese Stücke aber wohl mit Recht als
die Vorläufer der Kameen bezeichnen. Vom Orient
her kam die Technik des Siegelschneidens nach den
Küsten und Inseln des Aegäischen Meeres. Und dort,
namentlich auf Kreta, erreichte sie in relativ früher Zeit
in der sogenannten Mykenischen Kulturperiode eine
künstlerisch überaus hohe Blüte. Auch hier finden wir
in der Frühzeit die Handgravierung mit Stichel und
Bohrer, allerdings in hauptsächlich weichem Material,
wie Steatit, Serpentin und buntem Marmor. Später
aber, und in der Blütezeit, wird durchwegs flotteste
Radtechnik angewandt, und als Material erschelnen
neben Hämatit hauptsächlich die schönfarbigen, halb-
durchsichtigen Abarten des Quarzes, als Calcedon,
Carneol, Achat, Amethyst und Bergkristall. Charakte-
ristisch ist, daß, wiewohl die Technik der Glyptik vom
Orient her übernommen wurde, doch die damit geschaf-
fenen geschnittenen Steine nicht zum Siegeln gebraucht
oder bestimmt waren, sondern wie aufgefundene Arm-
bänder aus vielfarbigen aneinandergereihten gravierten
Steinen erkennen lassen, reinetn Schmuckzweck dien-
ten. Auch aus einem anderen Umstand geht dies mit
Sicherheit hervor, daß nämlich die neuesten Darstel-
lungen nicht als direkte Spiegelbilder, die erst im Ab-
druck richtig erscheinen, sondern zur unmittelbaren
Ansicht, wenn aucli vertieft, geschnitten sind. Die
Menschen der mykenischen Periode waren sinnlich,
frisch, naiv und unliterarisch. Das Siegel, im Orient
und Aegypten, bestimmt, schriftliche Urkunden zu un-
terzeichnen, ward ihnen zum Feld freier, künstle-
rischer Betätigung. Hier verblaßt die hieratisch-starre
oder mystisch-'durchtränkte Gebundenheit, die aus
ägyptischen oder babylonisch-assyrischen Steinschnit-
ten uns entgegentritt; eine neue Kunst von frisch-pul-
sierendem Leben erfüllt, tritt auf den Plan, die in flotter,
großzügiger Radtechnik, namentlich wundervoll
packende Tierdarstellungen hervorzaubert. Zylinder-
form und Scarabäus, wiewohl sicher durch Handel im-

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