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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1./2. Dezemberheft
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Wilhelm von Bode: zu seinem 80. Geburtstag am 10. Dezember 1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0160

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| ie Kunstgelehrsamkeit ist in zwei Berufe gespal-
ten, nämlich in den des akademischen Lehrers und
den des Museumsbeamten. An den Aufgaben und Pflich-
ten, die hier andere lind als dort, entfalten sich die Kräfte
nach dieser und nach jener Richtung. Und — natürlich
- individuelle Anlage hat den Einen zu diesem, den
Anderen zu jenem Berufe geführt. Der akademische
Lehrer betrachtet das Kuustwerk aus einigem Ab-
stand, er nimmt Zusammenhänge wahr und wird, mehr
redend und lesend als sehend, geneigt, Gesetzliches,
Grundsätzliches zu beachten. Einfälle weit ausspinnend,
ohne Widerspruch zu erfahren, entfernt er sich oft be-
denklich weit von dem Gegenstande der Erkenntnis.
Der Museumsbeamte hingegen hat tagtäglich mit den
Kunstwerken zu tun, er hält sie in seinen Händen, wird
zu scharfer Beobachtung erzogen. Irrtümer rächen sich
ihm in dcr Praxis, so daß mit der Erfahrung die miß-
trauische Vorsicht seines Urteils wächst. Unsinnliche,
vorurteilsvolle, gedankliche Konstruktion wird zum
Berufslaster auf der einen, kleinlich subalternes, kurz-
sichtiges Spezialistentum auf der anderen Seite.

Der d'ypus des im Museumsdienste tätigen Kunst-
keuners hat sich hauptsächlich in Deutschland ent-
wickelt. Wilhelm von Bode, weithin sichtbar als der
glänzende Vertreter dieses Berufes uud der mit diesem
Berufe verbundenen Begabnng und Arbeitsweise. voll-
endet das 80. Lebensjahr. Zu diesem Tage werden
ihm von vielen Seiten Glückwünsche dargebracht.

Bode hat fast 55 Jahre lang seine Kraft in einer Rich-
tung eingesetzt. Die Zeitquantität bedeutet in diesern
Falle Qualität, indem die Tiefe der antreibenden Leiden-
schaft offenbar wird. Die Zeitquantität bedeutet Frucht-
barkeit, Zufriedenheit mit dem eigenen Tun, Bestätigung
des rechten Weges und Einklani von Anlage und Auf-
gabe. Seine Generationsgenossen haben sich fast alie
vor ihrem Ableben, müde oder gesättigt zur Ruhe bege-
ben, während er, soweit die physischen Kräfte reichen,
aktiv und aufnahmefähig geblieben ist.

Die Kennerschaft, die im Museumsdienste so
Großes durchzusetzen vermochte, blieb so frisch, weil
sie beweglich und weit ausgreifend die Enge des Speziali-
stentums und die Erstarrung zur Routine vermied. Die
Aktion blieb im Fluß, weil immer neue Aufgaben ihr An-
regung gaben. Bode kam zur rechteu Zeit. Er hat, als
Leiter der Berliner Gemäldegalerie und später als Gene-
raldirektor der Museen, in einer Periode wirtschaftlichen
Gedeihens und staatlicher Machtenfaltung gewirkt. als
Mittel zur systematischen Ausgestaltung der öffentlichen
Sammlungen reichlich frei wurden. Aber bei dieser
Verkcttung von Gliick und Verdienst, Gelegenheit

und Tat entschied die Willenskraft der Persönlichkeit
und gab den glücklichen Umständen Richtung und
Inhalt. Bode hat weit ausschauend und produktiv
seine Kennerschaft bald nach dieser, bald nach jener
Seite gewendet, neue Gebiete erschlossen und die Gren-
zen vorgeschoben.

Mit Besitzfreude verbundene Kunstliebe, also Sam-
melpassion, dazu Streben nach Erkenntnis, dazu Ehrgeiz:
aus diesen Elementen ist der Motor zusammengesetzt,
und das ungewöhnliche Beieinander dieser Kräfte, die
sich in einer unbelasteten und gesunden Natur miteinan-
der vertrugen, erklärt die Erfolge, wie die beispiellose
Ausdauer, dieser Wirksamkeit.

Bode hat ungemein viel publiziert, Aufsätze, Bücher,
Kataloge, umfassende Veröffentlichungen, wie das große
Rembrandt-Werk und das Korpus der italienischen Re-
naissancebildwerke. Diese riesige Arbeitsleistung ging
neben der praktischen Tätigkeit her, in fruchtbarer
Wechselwirkung mit Erwerbungen für die Museen. In
der Hast der Lebensführung, stets sprungbereit. die Ge-
legenheiten des Kunstmarktes wahrnehmend, täglich
umlernend und hierin oder dorthin gelockt. Auf Fragen
und Ansprüche hat Bode gegeben und rasch gegeben,
was die Erlebnisse ihm zugeführt hatten, um die Muße
zu methodischen Gedankengebäuden sicli aber nicht be-
müht. Ohne sensible Furcht davor, sich zu wiederholen
oder sich zu widersprechen, hat er den Fachgenossen
keine Beobachtung vorcnthalten. Die gewaltige Summe
der spontan und sorglos geäußerten „Bestimmungen“
und Urteile entbehrt nicht der Einheitlichkeit und Folge-
richtigkeit, als Aeußerung einer Persönlichkeit, als das
Tagebuch cines tätigen Febens.

Ehrungen aller Art sind dem Unermüdlichen zu-
teil geworden, nur die akademischen Forbeeren nicht.
Die Kunstgelehrsamkeit ist eben in zwei Fagcr gespalten,
wenn es auch Ueberläufer und Friedensfreunde gibt.
Von der Seite der akademischen Autoritäten wird miß-
trauisch zu der vermeintlich geistlosen, überdies in der
Praxis der Korruption ausgesetzten, Kennerschaft her-
übergesehen. Eine Rückschau auf Bodes Febenswerk
bringt 1111s zum Bewußtsein, wie kurzsichtig und an der
Oberfläche haftend jene Abneigung gegen die Kenner-
schaft ist. Kunst ist dem Wißbegierigen nicht anders als
in konkreten Kunstwerken gqgebcn, die heranzuschaf-
fen, zu ordnen, zu „bestimmen“, genießend zu würdigen,
das ist, was getan werden muß. Das Material uud damit
das Fundament bringen die Kenner herbei. Untersuchen
wir dcn Bestand des gegenwärtigen Wissens, ermessen
wir den Fortschritt, so stoßen wir übcrall auf Errungen-
schaften der Kenner und zum guten Teil auf Bodes Lei-

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