Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

DOI Heft:
1/2. Februarheft
DOI Artikel:
Landau, Paul: Ludwig Justis "Giorgione" und die moderne Biographik
DOI Artikel:
Hugo, Victor: Aphorismen über die Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25878#0272

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
verknüpfenden, stets das Wesentliche betonenden
Buch, das in einer schönen, dichterisch besch'wingten
Sprache mit wohltuender Klarheit und harmonischem
Aufbau — musikalisch wie die Kunst Giorgiones —

geschrieben ist. Mit den Einzelheiten mag und wird
sich die Kunstwissenschaft auseinandersetzen. Wich-
tiger ist es, daß hier eine neue Form der Biographik an
einem großen Thema so glücklich erprobt wurde.

Apbothsmen übev dte Kunft

oon

Utctot? fiiiQo

(Üb<zv[<zb)t oon Dt?. Kurt Ptepet?)

Das Wissen ist die Gattin, die Einbildungskraft ist
die Geliebte, das Gedächtnis ist die Magd.

Die Zivilisation entströmt der Kunst wie der Duft
der Blume.

Die Literatur, Gebildeten, Gelehrten steigen auf
Leitern; die Dichter und die Künstler sind Vögel.

Das Schöne verlangt Umrisse, das Ideal Unendlich-

keit.



Form und Oberfläche miteinander zu vermengen,
ist absurd. Die Form ist wesentlich und absolut; sie
stammt aus den Eingeweiden der Idee selbst. Sie ist
das Schöne; und alles was schön ist, verkündet das
Wahre.

Die Natur arbeitet mit Gegensätzen.

Durch Gegeniiberstellungen läßt sie die Dinge her-
vortreten. Durch die Gegensätze zu ihnen läßt sie die
Dinge empfinden: den Tag durch die Nacht, die Hitze
durch die Kälte usw., jede Heiligkeit gibt einen Schatten.
Daher stammen das Relief, der Umriß, die Proportion,
die Realität. Die Schöpfung, das Leben, das Schicksal
sind für den Menschen nur ein unendliches Halbdunkel.

Der Stil ist der unaufhörlich an die Oberfläche ge-
rufene Grund des behandelten Gegenstandes.

Genie: das Uebermenschliche des Menschen.

Stacheln, Dornen, Steine, Kiesel, Böschungen,
Sümpfe; Unannehmlichkeiten und Bedingungen großen
Ruhmes.

Was die Häßlichkeit eines Gartens ausmacht, bildet
die Schönheit eines Gebirges.

Wer Ruhm hat, hat Krieg.

In der geheimnisvollen Welt der Kunst ragt der
Traumgipfel empor. An diesen Traumgipfel ist Jakobs
Leiter gelehnt. Jakob, der am Fuß der Leiter ruht, ist
der Dichter, der Schläfer mit offenen Seelenaugen. Oben
das Firmament ist das Ideal.

Es gibt eine Heiterkeit der Finsternisse. Es schwebt
ein Lachen durch die Nacht. Es gibt lustige Gespenster.

Die Kunst bemächtigt sich dieser Grabesheiterkeit.
Die ganze italienische Komödie ist ein Alpdruck, der vor
Lachen birst. Cassandrino, Hanswurst, Tartaglia, Pan-
talone, Bramarbas sind Tiere, die unbestimmt in Men-
schen verkörpert sind; die Gitarre Sganarells ist aus
demselben Holz geschnitzt wie die Bahre des Komman-
deurs; die Hölle verkleidet sich als Farce, Polichinell ist
das zwiefach häßliche Laster, peccatum bigibbosum, wie
das niedere Latein des Glaber Radulphus sagt; das weiße
Gespenst näht Aermel an sein Leichentuch und wird
Pierrot; der abgehäutete Dämon mit schwarzem Gesicht
wird Harlekin; die Seele ist Colombine.

Der große Musiker ist ein Deutscher.

Der große moderne Deutsche ist nicht Goethe, son-
dern Beethoven.

Das Meer ist die Inspiration. .

Die unbekleidete Frau — das ist der blaue Himmel.
Wolken und Hüllen sind ein Hindernis für die Betrach-
tung. Die Schönheit und die Unendlichkeit wollen ohne
Schleier betrachtet werden.

Im Grunde ist es dieselbe Entzückung: die Idee der
Unendlichkeit entwickelt sich aus dem Schönen, wie sich
die Idee des Schönen aus dem Unendlichen entwickelt.
Die Schönheit ist nichts anderes als die von Umrissen
umgebene Unendlichkeit.

242
 
Annotationen