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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 7./​8.1925/​26

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1/2. Augustheft
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Professor Dr. Ludwig Darmstaedter / Die Internationale Kunstausstellung zu Dresden / Schweizerische Kunstchronik / Londoner Kuntschau / Amerikas Kunstwesen / Aus der Künstlerwelt / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Aus der Museumswelt / Kunsthistorisches Institut in Florenz / Kunstfälschungen und Polizei / Gemälde im Film / Kunstankäufe in Dresden / Anzeigen
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Pcofcffot? Ludtoig Dat’mßacdtcü.

Eum 80. Qeburtstag am Q. Augu{t.

Am 9. August begeht Professor Dr. Ludwig Dar m -
a e d 1 e r ’ der Stifter der berühmten Dokumentensammlung
Darmstaedter der Preußischen Staatsbibliothek Berlin seinen acht-
zigsten Geburtstag. Man merkt dem unermüdlich und mit bewun-
derungswürdiger Elastizität schaffenden Gelehrten, der auch einer
der hervorragendsten Porzellankenner ist, die wir haben, die Jahre
nicht an. Die Leser des „Kunstwanderers“, zu dessen Mitarbeitern
Darmstaedter seit der Gründung unserer Zeitschrift gehört, können
es selbst beurteilen, wie lehrreich und anregend die Beiträge sind,
die er bei uns veröffentlicht.

Professor Darmstaedter hat, der Zeitumstände halber, den
größten Teil seiner kostbaren Porzellansammlung im Frühjahr 1925
bei Lepke in Berlin versteigern lassen. Für diesen Hauptteil seiner
Schätze und seiner künstlerischen Sammeltätigkeit ist der groß
angelegte, wissenschaftliche K a t a 1 o g von Professor Dr. Ludwig
Schnorr von Carolsfeld ein bleibendes Denkmal. Doch
das Lebenswerk Darmstaedters sind Stiftung und Aufbau der Doku-
mentensammlung Darmstaedter der Preußischen Staatsbibliothek
in Berlin. Der Stiftungsakt erfolgte am 31. Dezember 1907, und
als die Sammlung, die heute durch die rastlose Arbeit des Stifters
selbst, der sie leitet, einzig in ihrer Art dasteht, in die Preußische
Staatsbibliothek einzog, konnte; selbst der Eingeweihte nicht ahnen,
wie schnell sich ihre Entwicklung vollziehen werde.

Darmstaedter hat gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr.
Julius Schuster an dieser Stelle, im „Kunstwanderer“ — es
war im Juli 1920 —- auf seine Ziele hingewiesen. Die Dokumenten-
sammlung Darmstaedter war aus einer Autographensammlung im
Sinne Goethes entstanden, „abgeschiedene oder entfernte Geister“
an Hand ihrer Handschrift heranzuziehen. Das Autograph an sich
aber, der Brief oder gar die Unterschrift eines bedeutenden Mannes
allein sollte für die Dokumentensammlung nicht maßgebend sein,
denn Ludwig Darmstaedter schwebte es vor, ein Archiv jener
Handschriften zu schaffen, die wirklich Dokumente der Tätigkeit,
Ziele, Schicksale aller jener Persönlichkeiten darstellen, welche auf
dem Gebiete der Wissenschaft jeglichen Zweiges und auf dem Ge-
biete der Kunst gewirkt haben und wirken. Und indem er hand-
schriftliche Dokumente oder auch neuzeitliche Dokumente in
Maschinenschrift und mit der Unterschrift des betreffenden Autors
aus der gesamten Forschung, aus dem Reiche der Technik, Philo-
sophie, Geschichte, Biologie usw. zusammentrug, glückte ihm die
Schaffung eines Dokumentenmaterials, wie es heute sonst in keiner
zweiten großen Bibliothek der Welt existiert

Das ist das bleibende und unauslöschliche Verdienst Professor
Dr. Ludwig Darmstaedters. Daß ihm bei dieser Arbeit sein eigenes
literarisches Werk, die mit Professor Rene du Bois R e y m o n d
herausgegebenen Tabellen zur Geschichte der exakten Wissen-
schaften ,,400 Jahre Pionierarbeit in den exakten Wissenschaften“
besondere Dienste geleistet haben und leisten, ist selbstverständlich.

Zum achtzigsten Geburtstage Ludwig Darmstaedters erschien
aber jetzt auch ein Buch, daß dem großen Publikum Einblick ge-
währt in die kostbaren Schätze der Dokumentensammlung Darm-
staedter. Unter dem Titel „N a t u r f o r s c h e r un d E r f i n -
der. Biographische Miniaturen“ gibt 'der Verlag
Velhagen & Klasing, Bielefeld und Leipzig, ein vornehm
ausgestattetes und reich illustriertes Buch heraus, das beredtes
Zeugnis ablegt von der vielseitigen Arbeit, die der Gelehrte Ludwig
Darmstaedter gerade in den letzten Jahren geleistet hat.

„Der Kunswanderer“, der den Achtzigjährigen bat, auch ftir
das vorliegende Heft einen Aufsatz zu schreiben, wünscht seinem
hochverehrten treuen Mitarbeiter Professor Dr. Ludwig Darm-
staedter noch viele, viele Jahre erfolgreichen Schaffens.

Das „Berliner Tageblatt“ nennt
den „Kunstwanderer“ die „auch im weiten Aus-
land anerkanntc Sammler - Zeitsclirift.“

Dte internationale KunffausfieKung
£u Dt?esdcn*

ii.*)

In der s p a n i s c h e n Abteilung sieht man außer Togores’
zwei schönen Gemälden nur Expressionistisches von Gris und
Picasso, der eigentlich zu Frankreich gehört, wo wir ihn bereits
erwähnten. Hier seien noch seine sonderbare Stilleben genannt,
ein 1 ohuwapohn von Ecken und Kanten, das uns Bilderrätsel auf-
gibt, und eine Farbenspiclcrci. Wie wohltuend stehen von solchen
kubistischen Exerpitien die beiden Aktbilder von Togores ab mit
ihrem klasSizistischen Stil!

Dem letzteren huldigen auch die italienischen Maler.
Drei geradezu klassische Bilder von nackter Schönheit des weib-
lichen Körpers schuf Oppi, unübertroffen in der Fleischfarbe.
De Chiricos Selbstbildnis und „Der verlorene Schn“ sind auch aus-
gezeiclmete Arbeiten. Zu einem merkwürdigen Hilfsmittel, das die
Wirkung erhöhen soll, hat Severini in seinem futuristischen Tanz-
potpourri gegriffen, nämlich zu aufgelegten Glimmerblättchen.
Spielerei! Ausgezeichnet ist die Plastik mit Andreotti und Bonomi
vertreten, lauter Bronzen.

Die niederländische Abteilung wird von van Gogh
beherrscht, der ebenfalls, wie die meisten holländischen Maler,
pariserisch ist; zehn Gemälde sind von ihm ausgestellt, Landschaf-
ten, Stillcben und Porträt (seine Mutter). Von Sluyters sieht man
u. a. das große Bild „Die Braut“ mit dem schlangenartigen Leib
und das treffliche Nachtbild von Amsterdam.

Die n o r w e g i s c h e Bilderauswahl beherrscht natürlich
Munch mit 11 Werken, aus denen deutscher und französischer Geist
blickt. Doch müssen liier noch das prächtige neue Gruppenbild
der drei disputierenden Herren von Lund und das „Inferno“ von
Sörensen erwähnt werden, das an Dantes Göttliche Komödie leb-
haft erinnert. Ein norwegischer Plastiker ist nicht vertreten.

Auch Schwedens Kunst lehnt sich viel an Paris an, die
„neue Sachlichkeit“ beherrscht ihr Streben, wie die Arbeiten von
Grünewald, Linngvist und Sköld bezeugen. Man bemerkt immer
wieder, wie tonangebend die französische Kunst in fast allen Län-
dern Europas war und noch jetzt ist. Von den Plastiken ist Milles
Najade, eine Brunnenfigur, hervorzuheben.

Aus der S c h w e i z sieht man 35 Gemälde, u. a. von Hodler,
Blanchet, Robert und das große Kriegsbild „Fahnenträger“ von
Pellegrini aus dem Jahre 1916. Viel Bedeutendes ist nicht vertre-
ten, auch nicht in der Plastik.

Oesterreich ist eigentlich arm an modernen Künstler-
größen, nur Kokoschka, dessen Arbeiten man jedoch in der deut-
schen Abteilung begegnet, ist selbstschöpferisch hervorgetreten,
wenn er auch nicht jedermanns Beifall findet. Merkwürdig ist es,
daß nur ein einziges Landschaftsbild ausgestellt ist („Ajaccio von
Faistauer). Fast klangvoll wirkt Oppenheimers „Hess-Quartett“,
und mit dem Bilde „Die Jungfrau hat Klimt ein faibenreiches I ot-
pourri von sieben Frauengestalten, das in seiner Raumverteilung
recht interessant ist, geschaffen. Eine einzige Plastik, eine Riesen-
bronze „Der brennende Mensch“ von Hanak, mit außer-
ordentlicher Feinheit der Muskeldarstellung, zeugt von dieser
Kunst Oesterreichs.

p o 1 e n ist in seiner Kunst ebenso französisch orientiert wie in
seiner Politik. Sehr gut sind die Farbenkompositionen Isers und
Kislings.

Von der tschechoslovakischen Kunst gilt das-
selbe, vor allem in ihren expressionistischen Werken, wie von Filla,
Sima, Späla, der aber auch auf Wirklichkeitsmalerei sich verstcht,
wie seine stimmungsvolle Landschaft,, Vor dem Stuime zeigt,

Von den U n g a r n , die durchweg klassizistisch eingestellt
sind, wie Csöks „Magdalena“, Fenyes wundervolles Stimmungsbild
„Dämmerung“, Ivänyi-Griinwalds „Joseph und Potiphars \A eib —
bewegter und leidenschaftlicher als das oben erwähnte mssische

*) Siehe „Der Kunstwanderer“ 1/2. Juli-Heft

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